Mann vor einem Laptop hält Kreditkarte und Handy in der Hand
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Cybercrime-Delikte

„Von Randerscheinung zu Hauptproblem“

Im Pandemiejahr 2020 sind die angezeigten Cybercrime-Delikte in Österreich enorm gestiegen: von 28.439 Delikten im Jahr 2019 auf 35.915 im Jahr 2020, ein Plus von 26,3 Prozent. „Topdelikt“ blieb der Internetbetrug mit 18.780 Anzeigen – ein neuer Höchststand. Zentrale Faktoren waren die zunehmende Verlagerung des täglichen Lebens in den Onlinebereich, auch im Zuge der Pandemie.

Inzwischen habe fast jede Kriminalitätsform einen digitalen Aspekt, so Franz Ruf, Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, bei der Präsentation des „Cybercrime-Reports“: „Es gibt nur mehr wenige Bereiche, auch in der traditionellen Kriminalität, in denen Digitalisierung und IT keine Rolle mehr spielen“, so Ruf weiter: „Cybercrime ist in den letzten zehn Jahren von einer kriminalistischen Randerscheinung zu einem Hauptproblem geworden.“

Cyberkriminalität sei freilich schon vor der Pandemie „explosiv“ gewesen, dennoch sorgte die Viruskrise für eine weitere Befeuerung der kriminellen Aktivitäten: In der ersten Zeit sei nach der Neuregistrierung Tausender Domains eine starke Zunahme an betrügerischen Websites zu verzeichnen gewesen. Das sei mit dem Ziel geschehen, Schadsoftware zu verbreiten.

„Love-Scams“, „Stranded Travellers“, Fakeshops

Durch das Social Distancing gab es auch einen Zuwachs an Betrugshandlungen wie „Love-Scams“ (hierbei wird das spätere Opfer über ein soziales Netzwerk in eine emotionale Bindung gebracht und in weiterer Folge finanziell ausgebeutet). Auch mehrten sich Fälle von „Stranded Travellers“ (etwa: gestrandete Reisende). Hierbei bittet eine bekannte (und gleichsam von Kriminellen gehackte) Person unter dem Vorwand, in einem anderen Land ausgeraubt worden zu sein und folglich festzusitzen, um Geldmittel.

Auch fielen mit Beginn der Viruskrise vermehrt Betrugshandlungen mit Fakeshops und über reguläre Onlineanbieter auf – so kam es im Zuge des Handels mit Desinfektionsmittel und Atemschutzmasken zu Betrugsdelikten. „Das zeigt, dass die Kriminellen die Pandemie ganz geschickt für ihre Interessen genutzt haben“, so Ruf.

Grafik zeigt Daten zum Cybercrime in Österreich
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: Innenministerium

Trotz des Zuwachses der Anzeigen um ein Viertel konnte die prozentuelle Aufklärungsquote mit 33,4 Prozent nahezu konstant gehalten werden, hieß es bei der der Vorstellung des Berichts. Generell unterteilt das Bundeskriminalamt den Gesamtumfang der Delikte in zwei große Unterbereiche: „Cybercrime im engeren Sinne“ und „Cybercrime im weiteren Sinne“.

Angriffe auf Daten oder Computersysteme

Der erste Bereich, „Cybercrime im engeren Sinne“, verzeichnete im Jahresvergleich 2019/2020 einen enormen Anstieg um fast 70 Prozent. In diesem Bereich von Internetkriminalität werden Angriffe auf Daten und Computersysteme unter Verwendung der Informations- und Kommunikationstechnik subsumiert.

Die Straftaten richten sich gegen Netzwerke oder gegen Geräte, Dienste oder Daten in diesen Netzwerken. Hierzu zählen Datenbeschädigung, Hacking und DDoS-Angriffe (DDoS steht für „Distributed Denial of Service“ – hierbei versuchen Kriminelle, die Rechner ihrer Opfer mit einer Vielzahl von Anfragen zu überfluten und so lahmzulegen).

Starke Steigerungen (Verdoppelung der Anzeigen auf über 10.000 innerhalb eines Jahres) verzeichnete das Bundeskriminalamt beim betrügerischen Datenverarbeitungsmissbrauch. Hauptgrund hierfür ist auch die Schaffung neuer internetbasierter Zahlungsmöglichkeiten. So macht etwa die betrügerische Verwendung von Near Field Communication (NFC) bei Bankomat- und Kreditkarten den größten Anteil der Anzeigen aus.

Smartphone und PC als „Tatwerkzeuge“

Zunahmen jenseits der 40-Prozent-Marke verzeichnen die Delikte Missbrauch von Computerprogrammen und Zugangsdaten und Datenfälschung. „Fast jeder, der einen Computer oder ein Smartphone hat, war schon einmal von Cybercrime betroffen. In den besten Fällen ist es bei einer versuchten Straftat geblieben, und daher werden viele Delikte gar nicht zur Anzeige gebracht“, so Andreas Holzer, Direktor des Bundeskriminalamtes, bei der Vorstellung des Berichts.

Trotz aller genannten Zuwächse findet sich das „Topdelikt“ im zweiten Unterbereich „Cybercrime im weiteren Sinne“: Hierzu zählen Straftaten, bei denen Smartphone oder PC als „Tatwerkzeuge zur Planung, Vorbereitung und Ausführung von herkömmlichen Kriminaldelikten“ eingesetzt werden. Nach 16.831 Anzeigen im Jahr 2019 stiegen diese im Bereich Internetbetrug auf 18.780, somit machen Anlagebetrügereien, Gewinnversprechen und vorgetäuschte Warenlieferungen über 50 Prozent aller Cybercrime-Delikte aus.

Personal verstärkt

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) stellte in einem Statement gegenüber der APA die zunehmende Verlagerung der Kriminalität ins Internet fest, „vom Bestellbetrug bis hin zum Suchtmittelhandel. Deshalb wird auch die Ermittlungsarbeit im Internet immer wichtiger. Wir setzen bei der Polizei einen klaren Schwerpunkt und verdoppeln im Bundeskriminalamt das Personal für diesen Bereich“, so Nehammer. Auch bei der Aus- und Weiterbildung werde dem Kriminalitätsfeld Rechnung getragen.