Luftaufnahme einer österreichischen Stadt
ORF.at/Christian Öser
Bodenversiegelung

Debatte über Kompetenzen und Defizite

Mit ihrem Vorschlag, den Gemeinden Kompetenzen bei der Flächenwidmung zu entziehen, hat NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger eine Debatte losgetreten. Zwar wurden dabei auch Stimmen laut, bei den bestehenden Gesetzen nachzuschärfen. Die Forderung, den Gemeinden Zuständigkeiten wegzunehmen, stieß aber auf breiten Widerstand.

Im Ö1-Morgenjournal sagte der oberösterreichische Umweltlandesrat Stefan Kaineder (Grüne) am Donnerstag, es brauche „wirklich strenge Raumordnungsgesetze auf Landesebene“. Derzeit hätten die Regeln „viel zu wenig Zähne“, so der Spitzenkandidat der Grünen für die oberösterreichische Landtagswahl. Den Gemeinden Kompetenzen wegnehmen will Kaineder allerdings nicht. In Sachen Widmungskompetenz sei es schon „gescheit“, „dass die Bürgerinnen und Bürger in ihren Dörfern entscheiden, wie sich das Dorf weiterentwickelt“.

„Am Ende braucht es diese wichtigsten Grundsätze wie, wir verbauen unsere fruchtbarsten Äcker nicht mehr“, so Kainerde. Im Raumordnungsgesetz müsse geregelt werden, dass dort überhaupt nicht mehr gebaut wird. Er glaube, „dass die Länder in der Ziehung sind“. So tauge etwa das erst im letzten Jahr beschlossene neue Raumordnungsgesetz in Oberösterreich nicht, „diese rasante Verbauung, das Verbetonieren unserer Heimat“, einzudämmen. „Das muss sich ändern.“

Für Gemeindebund „schlichtweg nicht vorstellbar“

Auf die jeweiligen Landesgesetze zur Raumordnung verwies im Ö1-Morgenjournal auch Walter Leiss, Generalsekretär des Gemeindebundes. Bei Flächenwidmungen sei der Gemeinderat an diese gebunden. Es gebe deshalb keinen Grund, den Spielraum der Gemeinden zu beschneiden. Die Flächenwidmung „fällt in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden, und es ist schlichtweg nicht vorstellbar, dass den Gemeinden diese Kompetenz entzogen wird“. Die Gemeinden wüssten am besten, wie ihr örtlicher Lebensraum zu gestalten sei, so Leiss.

Ganz ähnlich hatte bereits am Dienstag Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) argumentiert – und der NEOS-Forderung eine Absage erteilt. „Es kann nicht sein, dass dann irgendjemand in Wien darüber entscheidet, welche Bauklasse ein Grundstück im Südburgenland oder im Ötztal hat“, so Köstinger.

NEOS erneuert Kritik

NEOS-Vorsitzende Meinl-Reisinger hatte zuvor angesichts der jüngsten Unwetter und Überschwemmungen darauf verwiesen, dass Österreich „Weltmeister“ in der Bodenversiegelung sei und dadurch das Regenwasser nicht mehr ordentlich versickern könne. Man müsse deshalb bei der Raumordnung ansetzen: „Ich glaube, dass der Weg falsch ist, dass das jede Gemeinde machen kann, vereinfacht gesagt, jede Gemeinde Kreisverkehre und Einkaufszentren baut. Ich glaube, dass man das auf überregionale Ebene heben muss und auch ein Bundesrahmengesetz braucht für Raumordnung“, sagte Meinl-Reisinger im ORF-„Sommergespräch“.

Klima und Boden

Das Vorgehen gegen die Bodenversiegelung ist für Meinl-Reisinger ein Aspekt im Kampf gegen den Klimawandel.

Am Donnerstag nutzte NEOS die Aussagen von Kaineder, um den Forderungen Meinl-Reisingers noch einmal Nachdruck zu verleihen. „Die Bundesregierung muss endlich in die Gänge kommen und den Kampf gegen die Klimakrise über den eigenen Machterhalt stellen“, so der Klima- und Umweltsprecher von NEOS, Michael Bernhard. Neben einem Bundesrahmengesetz für Raumordnung benötige es einen bundesweiten Infrastrukturgesamtplan, bei dem die Länder dann die konkrete Entscheidungsebene für Flächenwidmung und Raumordnung bilden sollen.

Kompetenzentzug für SPÖ „kein Thema“

Ein klares Nein zum NEOS-Vorschlag, den Gemeinden die Widmungskompetenz zu entziehen, kam am Donnerstag jedoch auch von der SPÖ. Das sei „kein Thema“, sagte SPÖ-Umweltsprecherin Julia Herr am Rande einer Pressekonferenz. Diskutieren könne man aber etwa darüber, neue Widmungskategorien einzuführen, etwa beim sozialen Wohnbau. Beim Bodenverbrauch gehe es darum, der Zersiedelung entgegenzuwirken, sagte sie – wichtig wäre es hier etwa, die Ortskerne zu renovieren. Aber auch geschützte Flächen müssten ausgeweitet werden, so die Abgeordnete.

SPÖ-Wohnbausprecherin Ruth Becher warf indes in einer Aussendung den Grünen in der Bundesregierung „Versagen“ beim Thema Wohnen, Klima- und Umweltschutz vor. Die Verbauung Österreichs gehe weiterhin viel zu rasant vor sich, die Grünen „tun nichts“, meinte sie. Becher forderte Maßnahmen gegen die Verbauung von Grünraum außerhalb der Ortskerne, ortete aber auch „Untätigkeit der Grünen“ im städtischen Bereich.

In Graz machte unterdessen die KPÖ die Flächenwidmung zum Wahlkampfthema für die Gemeinderatswahl im Herbst. Die aktuell nach der ÖVP zweitstärkste Partei im Gemeinderat forderte am Donnerstag die Überarbeitung des Flächenwidmungsplans und eine Versiegelungsabgabe in der Landeshauptstadt. Bereits bei der nächsten Gemeinderatssitzung am 16. September – und damit zehn Tage vor der Wahl – will die KPÖ die Revision des Flächenwidmungsplanes beantragen – mehr dazu in steiermark.ORF.at.