Zerstörtes Gebäude in Les Cayes
AP/Delot Jean
Stärke 7,2

Über 300 Tote nach Erdbeben in Haiti

Nach dem schweren Erdbeben der Stärke 7,2 im Südwesten Haitis ist die Zahl der Todesopfer auf mindestens 304 gestiegen. Über 1.800 Menschen wurden verletzt, wie der Katastrophenschutz des Landes am Samstagabend (Ortszeit) meldete. Darüber hinaus wurden zahlreiche Gebäude zerstört. Rettungskräfte und Bürger bargen zahlreiche Menschen aus den Trümmern. Es werden noch mehr Opfer befürchtet.

Das Beben, dessen Stärke die US-Behörde USGS mit 7,2 angab, ereignete sich am Samstagmorgen rund zwölf Kilometer von der Gemeinde Saint-Louis-du-Sud in einer Tiefe von rund zehn Kilometern. Danach wurde Haiti von mehreren Nachbeben erschüttert, die nach USGS-Angaben Stärken bis zu 5,2 erreichten.

Der Nationale Wetterdienst der USA (NOAA) gab zunächst eine Tsunami-Warnung heraus – nahm diese aber kurze Zeit später wieder zurück. Viele Gebäude wurden durch das Beben zerstört, wie auf Fotos und Videos in sozialen Netzwerken zu sehen war. Berichten zufolge wurden Menschen unter Trümmern begraben, Krankenhäuser waren überlastet und beschädigt. Die Panamerikanischen Gesundheitsorganisation (PAHO) schickte ein Expertenteam.

Menschen stehen vor einem stark beschädigten Haus in Les Cayes, Haiti
AP/Delot Jean
Eingestürzte Gebäude in Les Cayes

Ein Augenzeuge aus Les Cayes im Südwesten, einer der größten Städte des Landes, berichtete „Haiti Press Network“ nach dem Beben von eingestürzten Häusern und Hotels und dass Menschen unter den Trümmern begraben worden seien. Die Zeitung „Diario Libre“ aus der benachbarten Dominikanischen Republik veröffentlichte ein Video des mutmaßlichen Moments, in dem die Erde in Haiti bebte.

Einmonatiger Notstand ausgerufen

Such- und Rettungsarbeiten des Internationalen Rote Kreuzes konzentrierten sich auf die Gegend um die besonders betroffenen Städte Jeremie und Les Cayes, weil dort noch Menschen eingeschlossen sein könnten. Die Organisation sandte ebenfalls Notfallspezialisten. Hilfsgüter für mindestens 4.500 Menschen stünden bereit. Darüber hinaus würden in Panama und der Karibik Notfallgüter bereitgehalten und zur Verfügung gestellt.

Interims-Premierminister Ariel Henry besuchte nach eigenen Angaben das Department Grand’ Anse und überflog die Stadt Les Cayes, um sich ein Bild vom Ausmaß der Schäden zu machen. Er rief einen einmonatigen Notstand aus. Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), Kolumbien, Argentinien, Mexiko, Kanada und die USA boten Hilfe an.

„Die Vereinigten Staaten bleiben dem haitianischen Volk ein enger und beständiger Freund, und wir werden auch nach dieser Tragödie da sein“, hieß es in einer Mitteilung des US-Präsidenten Joe Biden. „Wir sprechen all jenen unser tiefstes Beileid aus, die einen geliebten Menschen verloren haben oder deren Häuser und Geschäfte zerstört wurden.“

Erinnerungen an 2010

Die US-Behörde USGS rief mit Blick auf mögliche Todesopfer die Alarmstufe Rot aus: Das bedeutet, dass eine hohe Opferzahl möglich ist. Die Behörde zog außerdem Parallelen zu dem Beben von 2010. Dieses habe sich nur rund 75 Kilometer östlich auf derselben Halbinsel ereignet. Das Beben hatte mehr als 200.000 Menschenleben gefordert. Haiti kämpft nach wie vor an den Folgen, das Land gilt als höchst instabil. Erst kürzlich war Präsident Jovenel Moise in seiner Residenz von einer schwer bewaffneten Kommandotruppe überfallen und erschossen worden.

Schweres Erdbeben erschüttert Haiti

Ein Erdbeben der Stärke 7,2 hat Haiti erschüttert.

Probleme bei Versorgung der Opfer erwartet

Die Landesdirektorin der Welthungerhilfe für Haiti, Annalisa Lombardo, sagte der dpa, man versuche in Erfahrung zu bringen, wie viele Menschen betroffen seien. Es sei klar, dass es erhebliche Schäden an Gebäuden gebe. In der Hauptstadt Port-au-Prince, wo Lombardo sich aufhielt, hätten zwar die Wände ihres Hauses stark gewackelt. Größere Schäden habe das Erdbeben in der Hauptstadt aber wohl nicht angerichtet.

Frau steht vor zerstörtem Haus in Les Cayes
AP/Duples Plymouth
Trümmer säumen die Straßen

Lombardo rechnete damit, dass es bei der Versorgung von Opfern auch Probleme wegen der Infrastruktur geben wird. Der Weg aus Port-au-Prince führe durch eine Gegend, die von Gangs kontrolliert werde. Diese würden auf vorbeifahrende Autos schießen. Offenbar sei auch eine Brücke beschädigt worden, die zur Versorgung der Menschen gebraucht werde.

Schleppender Wiederaufbau

Im Zentrum des Erdbebens von 2010 mit ähnlicher Stärke lag damals Haitis dicht besiedelte Hauptstadt Port-au-Prince. Die Schäden durch das Beben wurden auf acht Milliarden US-Dollar (6,2 Milliarden Euro) geschätzt. Der Wiederaufbau kam auch durch die politische Instabilität nur schleppend in Gang. Der Karibik-Staat Haiti wird immer wieder von schweren Beben heimgesucht.