Herbert Kickl (FPÖ)
ORF/Roman Zach-Kiesling
„Sommergespräche“

Kickl ortet „Propagandaaufwand“ bei CoV

Mit Herbert Kickl ist der Chef der FPÖ als dritter Gast bei den ORF-„Sommergesprächen“ Rede und Antwort gestanden. Die Themenpalette war wie gewohnt breit: Es ging etwa um die Ausrichtung der Partei unter seiner Führung, die Haltung zu den Fragen rund um die Entwicklungen in Afghanistan und die Beurteilung der Arbeit von Türkis-Grün. Nicht fehlen durften freilich die blauen Vorstellungen zum Umgang mit der Pandemie.

Er sei zwar nicht stolz darauf, nicht gegen das Coronavirus geimpft zu sein, allerdings sei er es guten Gewissens, wie er sagte. Generell werde „mit unglaublichem Propagandaaufwand“ jenen, die sich nicht impfen lassen wollen, ein schlechtes Gewissen gemacht. Darum brauche es jemanden, der diesen Menschen sage, dass diese ihre Haltung legitim sei – und diese Rolle erfülle er. Man habe es mit einer Bedrohung zu tun, die „unglaublich aufgebauscht“ werde, sagte der FPÖ-Chef.

Auch der wahlkämpfende FPÖ-Oberösterreich-Chef Manfred Haimbuchner und dessen schwere CoV-Erkrankung waren Thema – Kickl sollte sich in diesem Zusammenhang zur Parteilinie äußern: „Die Ausnahme ist das, was die Regel bestätigt“, gab der Parteichef an. Haimbuchner sei ein „Vertreter der Freiwilligkeit“, so Kickl. Generell könne man nicht zwangsläufig annehmen, dass eine Impfung dessen Erkrankung verhindert oder gelindert hätte.

Kickl: CoV „unglaublich aufgebauschte Bedrohung“

Generell wurde das Thema Freiheit recht ausführlich diskutiert: Was denn seiner Vorstellung nach unter Freiheit zu verstehen sei? Es gehe darum, die Freiheit und Selbstbestimmung eines Einzelnen zu schützen und sie nicht zu eliminieren, so Kickl sinngemäß. In der Pandemie erlebe man das Gegenteil, der FPÖ-Chef ortete eine „überbordende Anmaßung des Staates“.

„Schullockdown macht keinen Sinn“

Und die Pandemielösung für die Schule – keine Tests, keine Impfungen, keine Masken? „Das soll so gehen wie in Schweden“, erwiderte Kickl – dort seien die Schulen nicht geschlossen gewesen. „Es macht keinen Sinn, einen Schullockdown zu machen“, so Kickl. Kinder würden weniger bzw. asymptomatisch erkranken und danach „über eine sehr stabile Immunität verfügen“, behauptete Kickl. Und generell: Erkrankungen werde es „immer wieder geben“.

Kickl gegen CoV-Maßnahmen in Schulen

„Es gibt Dinge, die man nicht ändern kann“

Auch am Thema Afghanistan gab es kein Vorbeikommen. Wie man afghanischen Frauen helfen solle, fragte Lorenz-Dittlbacher. Kickl entgegnete, hier sei er die falsche Ansprechadresse als österreichischer Politiker. Die USA und ihre Partner hätten 20 Jahre lang Krieg geführt, dann seien sie abgezogen („Jetzt würde ich gerne genau diese Staaten in dieser Verantwortung sehen“). „Die Amerikaner toben sich dort aus, und Österreich soll dann die Frauen retten“, so Kickl. Und generell: „Es gibt Dinge, die man nicht ändern kann.“ Die Diskussion sei „verlogen“, denn die gleiche Diskussion könne man zu Afrika führen, so Kickl.

„Bin in den Sturm gegangen“

Der Wechsel an der Parteispitze wurde erörtert: Zur Ablöse von Hofer an der Spitze der Partei argumentierte Kickl mit der „idealen Aufstellung“. „Wir haben einfach die Position gewechselt“, er, Kickl, sei eben in den Sturm gegangen – „und das ist etwas, wo sich Norbert Hofer nicht so wohlfühlt.“

Kickl: „Habe mit Hofer Position gewechselt“

„Wenn sich das Klima verschärft, werden auch die Konflikte härter“, begründete Kickl den „Rollentausch“ mit Hofer, der bekanntlich nicht konfliktfrei über die Bühne gegangen ist. „Ich glaube, er fühlt sich jetzt wohler, und ich denke, für die Partei ist es gut“, meinte er zum im Sommer erfolgten Machtwechsel bei den Freiheitlichen. Auch diverse Abgesänge hätten sich nicht bewahrheitet, zu Massenaustritten sei es nicht gekommen.

Freiheitlicher Hofburg-Kandidat „gute Idee“

In Sachen Hofburg-Wahl sei es schon eine gute Idee, einen eigenen Kandidaten aufzustellen – ansonsten würde man ja den Amtsinhaber Alexander Van der Bellen befürworten. Auch die Landtagswahl in Oberösterreich am 26. September war Thema: Eine Regierungskonstellation (zwischen ÖVP und FPÖ), die dort gut funktioniere, könne fortgesetzt werden, so Kickl, auch wenn man im Bund in Opposition sei. Und: Bei Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) glaube er, so Kickl, schon Distanzierungssignale zur türkisen ÖVP vernommen zu haben.

Auch die Ausrichtungsfrage wurde gestellt: Wohin sich die Partei denn entwickle – nach links oder rechts? Kickl nannte für seine Person beispielgebend die Sozialpolitik, auch um inhaltlich indirekt an linke Inhalte anzuknüpfen. Auch die ÖVP bekam an dieser Stelle ihr Fett ab: Man habe „eine türkise Karrieristentruppe“, bei denen man sehe, wie die über die Wähler denken, so Kickl.

„Macht ist nichts, in dem man sich suhlt“

Macht sei aber nicht der Zweck, sondern das Mittel, so Kickl. Es sei eine Nebenerscheinung, aber nichts, in dem man sich suhle. Man werde in Österreich von „jungen Burschen regiert“, hierbei sei genau ebenjener Vorgang zu erkennen, so Kickl. Doch hätten sich in der ÖVP auch sich schon einige „linke Träumer eingenistet“, gesellschaftspolitisch finde dort ein „Linksschwenk“ statt, befand Kickl.

Kickl über sein Verständnis von Oppositionspolitik

„Eine Art ideologischer Fanatismus“

In den „Klimaalarmismus“ wolle er freilich nicht einschlagen, so Kickl auf entsprechende Fragen. Was angesichts der sich häufenden Wetterextreme seine Botschaft sei? Klimaextreme habe es „immer gegeben“, es sei „naiv zu glauben, dass man mit der Einführung einer CO2-Steuer den Weinbauern in Österreich hilft“, führte Kickl beispielgebend aus. Es gehe in eine „Art ideologischen Fanatismus hinein“, so Kickl. Es fehlte „die Verhältnismäßigkeit“, so Kickl.

Frühe Faszination für Fremdenlegion

Auch das Persönliche kam beim „Sommergespräch“ wie gewohnt nicht zu kurz: Auf die Frage nach einer Eigenschaft, die ihn beschreibe, nannte Kickl Ungeduld. Er habe sich das nicht abgewöhnen können, er habe es aber „im Griff“, so der FPÖ-Chef. Er werde in diesen Lebenslagen etwas „quengelig“, wie er sagte. Ob es ihm wichtig sei, als nicht zu nett wahrgenommen zu werden? „Ich bin so wie ich bin, ich bin ja Politiker und kein Schauspieler“, so Kickl. „Austauschbarkeit“ störe ihn in der Politik sehr, gab der FPÖ-Chef an.

Auch seine frühe Faszination für das Militär im Allgemeinen und die Fremdenlegion im Speziellen wurde erörtert: Er habe damals – als 16- oder 17-Jähriger – auch entsprechend Kontakt gesucht, am Ende sei er nun aber froh, doch Politiker geworden zu sein. Doch generell sei es „eine Hausforderung, in Situationen zu kommen, die man selbst nicht kontrollieren kann“.

Wegbegleiter und Journalisten über Herbert Kickl

„Linke Lehrer“

Der junge Jörg Haider habe ihn fasziniert, er sei völlig anders gewesen („außerhalb der Norm“). Bei Haider sei „immer was los gewesen“. Das Umfeld habe ihn geprägt („auch die linken Lehrer“), so Kickl. Es habe ihn nie gestört, dass er Inhalte für Haider geschrieben habe, dies aber nach außen hin nicht als sein Verdienst gelten konnte („kein Problem“). Opposition sei eine „andere Form der Macht“, „Stimmung“ sei sehr wichtig, das habe er von Haider gelernt.

Analyse: Ton sanfter, Inhalt nicht

In der ZIB2 wurde das Gespräch wie üblich analysiert: Die Journalistin Petra Stuiber („Der Standard“) sah Kickl im Versuch, beim Thema Coronavirus „tief in die verunsicherte Mittelschicht hineinzugehen“ – und zwar für die oberösterreichische Landtagswahl im September. Er wolle jene Menschen erreichen, „die normalerweise nichts mit der FPÖ am Hut haben“.

Kickl habe sich zwar beim „Sommergespräch“ bemüht, im Ton sanft zu sein, in den Inhalten sei er aber weniger sanft gewesen. Bei seinen aus der Luft gegriffenen Behauptungen zum Coronavirus müsse man sich die Frage stellen, was seine Evidenzen seien, so Stuiber. Summa summarum habe Kickl vor allem eine Message durchbringen wollen: „Ich bin der Mann des Volkes, der bei euch steht. Der Einzige, der euch schützt“, interpretierte Stuiber.

Analyse des „Sommergesprächs“ mit Kickl

FPÖ-Obmann Herbert Kickl war am Montag zu Gast in den „Sommergesprächen“. Zur Nachanalyse sind der Politologe Peter Filzmaier und Petra Stuiber vom „Standard“ im ZIB2-Studio.

Entgegen Kickls Aussagen zu Beginn des Gesprächs sei er „natürlich“ interessiert an Macht, so die Journalistin, die gar ein „erotisches Verhältnis zur Macht“ bei Kickl identifizierte. „Er war wahnsinnig gerne Innenminister, und umso größer war die Kränkung, als er es nicht mehr sein konnte“, sagte sie und fügte hinzu: „Ich glaube schon, dass er es in der Hand hat, die FPÖ wieder in Richtung Regierungsbildung hinzuführen.“

„Taktisch begründetes Menscheln“

Der Politologe Peter Filzmaier attestierte Kickl eine politische „Persönlichkeitsspaltung“ und bezeichnete seinen gemäßigten Ton als „taktisch begründetes Menscheln“ vor einer Landtagswahl. Es hätte keinen Sinn gehabt, sich an die hartgesottene Wählerbasis der FPÖ zu wenden, auch nicht an eingefleischte CoV-Leugnerinnen und -Leugner.

„Diese Wählerstimmen hat er sowieso“, so Filzmaier. Deshalb habe der FPÖ-Chef das auch nicht getan. Auch der Politologe meinte, es sei strategisch für die FPÖ sinnvoller, die Wechselwähler in Oberösterreich umzustimmen und vermutet: „Er (Kickl, Anm.) wird mittelfristig gemäßigt bleiben.“