Russischer Außenminister Lawrow kommt nach Wien

Zweieinhalb Jahre nach seinem letzten Österreich-Aufenthalt im Zusammenhang mit einer UNO-Sitzung wird der russische Außenminister Sergej Lawrow morgen erstmals seit langer Zeit auf einen bilateral dominierten Besuch nach Wien kommen.

Mit Überraschungen ist nicht zu rechnen: In der Ankündigung hat Lawrows Ministerium auf unproblematische Themen verwiesen, die es mit Bundeskanzler Sebastian Kurz und Außenminister Alexander Schallenberg (beide ÖVP) zu erörtern gilt.

Wahlkampf unterbrochen

Für eine kleine Europatour, die Lawrow diese Woche nach Budapest, Wien und Rom führt, unterbricht er seinen Wahlkampf in Russland: Obwohl nicht damit gerechnet wird, dass der Außenminister nach den Wahlen im September als Abgeordneter in die russische Staatsduma einzieht, hat ihn die Kreml-Partei Einiges Russland als einen von fünf Spitzenkandidaten nominiert.

Mit gegen den „kollektiven Westen“ gerichteten Tiraden fungiert der durchaus populäre Außenminister dabei als „Dampflokomotive“, so heißt es im russischen Politjargon, und soll der weniger populären Partei Stimmen einbringen.

Im Wahlkampfkontext sind auch aktuelle Zuspitzungen von Lawrows Rhetorik zu verstehen. Die Auftaktveranstaltung der ukrainischen „Krim-Plattform“, an der am Montag auch Schallenberg teilnahm, bezeichnete er etwa als „Hexensabbat“.

Keine scharfen Worte erwartet

Obwohl das Bundeskanzleramt signalisiert hat, dass von Kurz im Dialog mit Lawrow auch kritische Anmerkungen zur russischen Politik zu erwarten sind, dürfte es in Wien für den Vertreter Moskaus jedoch nur wenig Anlass für scharfe Worte geben. Dass die zwei Staaten etwa in Bezug auf die politische Krise in Belarus oder den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine unterschiedliche Positionen einnehmen, sollte die Gesprächspartner nicht weiter erregen.

Bei der Erörterung der Coronavirus-Pandemie stehen gemeinsame Bemühungen zur Überwindung der globalen Auswirkungen der Krankheit im Vordergrund. Kurz und Schallenberg dürften sich auch mit besonderem Interesse die zu erwartenden Ausführungen Lawrows über die Situation in Afghanistan anhören.

Die letzte kleine bilaterale Krise, die im vergangenen Sommer wieder einmal mit mutmaßlicher russischer Spionage in Wien zu tun hatte, wurde schnell überwunden und spielt keine Rolle mehr. Gerade bei den von Moskau angekündigten Gesprächsthemen – Wirtschaft, Humanitäres und Kultur – besteht weitgehendes Einvernehmen. Das sollte auch beim Treffen von Lawrow mit Vertretern des zivilgesellschaftlichen „Sotschi-Dialogs“ zwischen Österreich und Russland deutlich werden, das in der russischen Botschaft in Wien stattfindet.