Sonnenblumenfeld
ORF.at/Dominique Hammer
Studie

Ideologiestreit bremst Klimapolitik aus

Der Klimawandel ist mittlerweile zwar oft Thema in der Politik, doch der Wille zu handeln ist laut einer Studie des Instituts für Höhere Studien (IHS) nicht immer ganz so groß. Die Diskussionen seien oftmals ideologisch geprägt, und neben Antreibern gibt es laut der Studie, für die Experten und Expertinnen sowie Menschen aus der Bevölkerung befragt wurden, auch mächtige Bremser.

Die „treibenden und bremsenden Kräfte“ beim Thema Klimawandel wurden von Insight Austria, einem IHS-Kompetenzzentrum, bei den zwei wichtigsten Schritten zur Klimaneutralität analysiert: „Umstieg auf den öffentlichen Verkehr“ und „Umstieg auf erneuerbare Energien“. 89 Experten wurden gebeten, 43 Player aus den vier Segmenten Staat, Privatwirtschaft, Vereine und NGOs sowie der individuellen Ebene bezüglich ihrer Macht und ihres Interesses zum Thema einzuschätzen und dazu eine Wertung zwischen eins und fünf abzugeben.

Die EU und die Grünen wurden dabei als mächtig und interessiert an Klimaschutz eingeschätzt, ebenso wie das Umweltministerium und „Öffis“ und ÖBB. Interessiert am „Öffi“-Umstieg sind demnach auch Wissenschaft und Forschung sowie Naturschutzverbände, aber mit weniger Macht ausgestattet. Automobil- und Ölkonzerne seien mächtige Akteure, die bremsen, so Katharina Gangl vom IHS bei der Präsentation der Ergebnisse am Mittwoch. Der Wille der ÖVP sei insgesamt hingegen „nicht so groß, wie man vermuten würde“.

Aus der Analyse der Bewertungen ergab sich ein Konflikt beim Thema Klimaschutz, bei dem „sich die Lager aufteilen“, so Gangl weiter, die sich ob der verhärteten Fronten beim Klimaschutz überrascht zeigte. Unter Hinweis auf die Regierungsparteien Grüne und ÖVP hielt sie fest, dass man nicht zu dem Punkt komme, wo man echte Schritte machen könne, „solange nur ideologisch gestritten wird“. Das Thema Klimawandel scheine die Parteien und damit auch die Bevölkerung zu spalten, heißt es dazu in der Studie.

ÖVP-Position im Mittelfeld

Betrachte man die Positionen der Grünen bei der „Öffi“-Frage und bei den Erneuerbaren zeige sich jeweils, dass hier das Interesse – 4,67 bzw. 4,71 Punkten bei maximal fünf möglichen – unter allen 43 bewerteten Playern das am stärksten ausgeprägte war. Bei der ÖVP kamen 2,31 und 2,61 Punkte zusammen – gemeinsam mit dem Finanzministerium und dem Bundeskanzleramt wurde die ÖVP als Folge jeweils in der Gruppe „Zweifelnde mit Macht“ verortet.

Die Landeshauptleute bzw. Landesräte kamen zusammen mit den Medien in eine neutrale bzw. indifferente Gruppe, ebenso SPÖ und NEOS, letztere jeweils „grundsätzlich interessiert“, wie auch Lehrer und Eltern. Die FPÖ wurde in die Gruppe Bremsende mit wenig Macht eingegliedert, ebenso wie Autosportvereine bei der „Öffi“-Frage.

Grafik zu Klimaschutz-Barrieren
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: IHS

Es gab allerdings einen Unterschied bei der Bewertung von öffentlichem Verkehr und Umstieg auf erneuerbare Energie, so Gangl weiter: Bei letzterem Punkt sei der Drang, etwas zu tun, viel größer – hier seien die Akteure insgesamt williger, etwas zu verändern – „daher wäre das ein Thema, das man in naher Zukunft angehen könnte“, so die Verhaltensökonomin.

Im Lager der ÖVP gebe es aber auch beim Umstieg auf den öffentlichen Verkehr wohl ausreichend Potenzial, sagte Gangl gegenüber Ö1, um die eigene Gruppe sowie Wählerinnen und Wähler der Partei entsprechend zu überzeugen. Eine diesbezügliche Moderatorenrolle könnten etwa Landeshauptleute oder Unternehmen übernehmen, die vom Interesse laut Gangl „irgendwo dazwischen stehen“ und sich außerhalb des ideologischen Streits positionieren könnten.

Hunderte Maßnahmen genannt

Die Experten nannten eine Reihe Maßnahmen, insgesamt 379, vor allem klassischer Natur, um den Umstieg auf den öffentlichen Verkehr zu unterstützen, die meisten gingen laut Studie Richtung Finanzminsterium: Dazu zählten unter anderem eine ökoziale Steuerreform (Stichwort: CO2-Steuer), gezielte Förderungen und Subventionen und eine Schlechterstellung des Individualverkehrs (Stichwort: Pendlerpauschale).

Für Neutrale mit Macht wie die Landeshauptleute gab es als Empfehlung unter anderem die finanzielle Fördeurng des Nahverkehrs (Stichwort: 1-2-3-Ticket) und Gesetzesnovellen (Stichwort: Bauordnung). Bei den erneuerbaren Energien wurden erneut die meisten Handlungsempfehlungen an Zweifelnde mit Macht wie das Finanzministerium gerichtet.

Wertekonflikt statt Sachkonflikt

Neben den Experten wurden im Frühjahr 2021 auch 1.000 Personen befragt, warum es ihrer Meinung nach beim Klimaschutz schleppend vorangeht. Auch hier wurde von den Befragten eher ein „Wertekonflikt“ als ein „Sachkonflikt“ festgestellt: „Nicht der Verlust von Arbeitsplätzen oder fehlende finanzielle Mittel“ seien aus Sicht der Bevölkerung die Barrieren zum Klimaschutz, sondern vielmehr „fehlendes Wissen oder Information“, sagte dazu Insight-Austria-Mitbegründerin und Meinungsforscherin Sophie Karmasin. Es gehe mehr um Weltanschauungen und ideologische Zugehörigkeiten, heißt es dazu in der Studie – diese gehörten durch nüchterne, neutrale Fakten ersetzt.

Die Einschätzung der 1.000 befragten Personen decke sich mit der Meinung der Experten, die ebenfalls nicht Sachzwänge als Hindernis sahen, sondern „fehlenden politischen Willen“. Laut Karmasin könne hier gegengesteuert werden, denn auf „einer Werte- und Bewusstseinsebene kann man sehr wohl Fortschritte erzielen“. Fakten- und evidenzbasierte Prozesse seien notwendig, so Karmasin, die die Rolle von Moderatoren in dem Prozess hervorstrich.

Nach verhaltensökonomischen Gesichtspunkten zeige sich bei der Klimafrage, dass dieses Thema weiterhin politisch polarisierend und immer noch ideologisch aufgeladen sei, so Karmasin. Zudem seien die mächtigsten Akteure immer noch nicht restlos davon überzeugt, dass der Klimawandel „ernsthaft anzupacken“ wäre. „Vielleicht müsste man sie fragen, warum sie den Klimawandel nicht so ernst nehmen, wie er aus Sicht der Wissenschaft ist.“