Norwegens Sozialdemokraten jubeln
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Norwegen-Wahl

Sozialdemokraten fahren klaren Sieg ein

Die sozialdemokratische Arbeiterpartei hat die Parlamentswahl in Norwegen gewonnen und steht vor der Übernahme der Regierungsmacht in dem skandinavischen Land. Nach der vorläufigen Auszählung fast aller abgegebenen Stimmen am Montag kamen die Sozialdemokraten um ihren Vorsitzenden Jonas Gahr Störe auf 26,4 Prozent.

Das bedeutete im Vergleich zu den 27,4 Prozent der letzten Parlamentswahl 2017 zwar leichte Verluste, nicht aber so starke wie die der konservativen Partei Höyre der seit acht Jahren regierenden Ministerpräsidentin Erna Solberg: Als zweitstärkste Kraft rutschte sie von 25,0 auf 20,5 Prozent ab.

Die Zentrumspartei des dritten Kandidaten für das Amt des Regierungschefs, Trygve Slagsvold Vedum, konnte dagegen um 3,3 Prozentpunkte zulegen und lag mit 13,9 Prozent auf Platz drei.. Die Sozialistische Linke kam auf 7,5 Prozent (plus 1,5). Die rechtspopulistische Fortschrittspartei verlor deutlich und lag bei 11,7 Prozent (minus 3,5).

Sozialdemokraten Wahlsieger in Norwegen

Die sozialdemokratische Arbeiterpartei hat die Parlamentswahl in Norwegen gewonnen. Neuer Regierungschef wird vermutlich deren Vorsitzender Jonas Gahr Störe.

Solberg kündigt Rücktritt an

Solberg räumte am späten Montagabend ihre Niederlage ein. Der von den Konservativen angeführte Block habe die Mehrheit im Parlament verloren und werde zurücktreten, sagte die Ministerpräsidentin in einer Rede vor Parteifreunden. „Ich gratuliere Jonas Gahr Störe zu einer – wie es jetzt aussieht – klaren Mehrheit für einen Regierungswechsel“, so Solberg. Solberg hatte das skandinavische Land in den vergangenen acht Jahren regiert und war dabei zuletzt die einzige konservative Regierungschefin Nordeuropas gewesen.

Störe ließ sich unterdessen unter „Jonas, Jonas“-Rufen als Sieger feiern. „Wir haben hart gearbeitet und jetzt können wir endlich sagen: Wir haben es geschafft“, sagte der 61-Jährige am späten Montagabend vor jubelnden Anhängern in Oslo. Gleichzeitig dankte er Solberg. „Sie ist eine gute und beständige Ministerpräsidentin für Norwegen gewesen“, sagte er. Solberg habe das Land sicher durch mehrere schwere Krisen geführt.

Norwegens Premierministerin Erna Solberg, die Vorsitzende der konservativen Partei, auf dem ins Radisson Blu Scandinavia Hotel in Oslo
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Die unterlegene Ministerpräsidentin Erna Solberg

Störe bevorzugt Dreierkoalition

Die Umfragen vor der Wahl hatten seit Längerem auf einen Regierungswechsel in dem Nicht-EU-Land hingedeutet. Um eine Mehrheit im 169 Sitze großen norwegischen Parlament Storting bilden zu können, wird der künftige Regierungschef allerdings auf mehrere Koalitionspartner angewiesen sein.

Es sehe nach einer soliden Mehrheit für ein Mitte-links-Bündnis bestehend aus seinen Sozialdemokraten, der Zentrumspartei und der Sozialistischen Linkspartei aus, sagte Störe. Das sei „unser Plan A“, man wolle jedoch alle Parteien zu Gesprächen einladen, die sich einen Regierungswechsel wünschten. Das von Störe bevorzugte „Dreigestirn“ lag bei 89 der 169 Parlamentssitze.

Gleich vier Parteien rangen mit der Vierprozenthürde: Die linke Rote Partei und die liberale Venstre ließen sie mit 4,7 Prozent beziehungsweise 4,5 Prozent recht sicher hinter sich, während es die Christliche Volkspartei und die Grünen mit je 3,8 Prozent voraussichtlich nicht über die Hürde schafften. Trotzdem standen beide Parteien bei je drei Mandaten.

Klima als bestimmendes Thema

Störe wird auch ohne Unterstützung der Kommunisten und Grünen regieren können, sollten sie es ins Parlament schaffen. Der Sozialdemokraten-Chef lehnt nämlich die Forderung der Grünen nach einem kompletten Ölausstieg schon bis zum Jahr 2030 ab. Die norwegische Ölwirtschaft ist für 14 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, 30 Prozent der Exporte und 160.000 Arbeitsplätze verantwortlich.

Dass besonders der Klima- und Umweltschutz sowie die Frage der sozialen Ungerechtigkeit größeren Raum im Wahlkampf eingenommen hatten, hatte vor allem linksgerichteten Parteien in die Karten gespielt. Experten zufolge wünschten sich viele Norwegerinnen und Norweger auch eine politische Veränderung nach acht Jahren konservativer Regierungszeit, obwohl es dem Land ganz gutgeht. Solberg hatte Norwegen relativ gut durch die Coronavirus-Krise geführt, was ihr im Frühjahr 2020 auch politischen Aufwind verliehen hatte – allerdings überdauerte der nicht bis jetzt.

Parteichef seit 2014

Störe ist seit 2014 Vorsitzender der Sozialdemokraten, die zuletzt in den Jahren 2005 bis 2013 mit Jens Stoltenberg den norwegischen Regierungschef stellten. Unter dem heutigen NATO-Generalsekretär war Störe sieben Jahre lang Außen- sowie ein weiteres Jahr Gesundheitsminister gewesen. Bei der Wahl 2017 war er schon einmal als sozialdemokratischer Spitzenkandidat gegen Solberg angetreten, musste ihr damals aber den Vortritt lassen.

Fast 3,9 Millionen Norwegerinnen und Norweger waren diesmal zur Stimmabgabe aufgerufen. Knapp 1,65 Millionen hatten bereits vorzeitig gewählt – das entsprach mehr als 42 Prozent aller Wahlberechtigten und einem Rekord bei einer norwegischen Parlamentswahl. Das vorläufige Endergebnis dürfte am Dienstag feststehen.