Fahrzeug der US-Grenzpatroullie neben zahlreichen Asylsuchenden in Del Rio, Texas, nahe der Grenze
Reuters/Go Nakamura
Grenze USA – Mexiko

Tausende Migranten warten unter Brücke

An der Grenze zwischen dem US-Bundesstaat Texas und Mexiko warten inzwischen mehr als 10.000 Migrantinnen und Migranten darauf, in Richtung USA weiterziehen zu können. Das notdürftige Lager, das sie unter einer Brücke errichtet haben, ist in den letzten Tagen in rasantem Tempo gewachsen und dürfte es weiter tun. US-Präsident Joe Biden gerät zunehmend unter Druck.

Die Brücke über den Grenzfluss Rio Grande verbindet die mexikanische Stadt Ciudad Acuna mit Del Rio in Texas. Del Rios Bürgermeister Bruno Lozano sagte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, dass sich Donnerstagfrüh rund 8.200 Menschen dort aufgehalten hätten, am Abend seien es bereits mehr als 10.500 gewesen.

Lozano veröffentlichte am Donnerstag (Ortszeit) ein Video auf Twitter, in dem er mahnte, die Lage stelle große Gesundheits- und Sicherheitsrisiken dar. Das Coronavirus könne sich in der Menschenmenge schnell ausbreiten, ebenso wie andere Krankheiten. Außerdem bestehe Gefahr, dass es zu einer Massenpanik komme oder sich Terroristen unter den Migranten ins Land schmuggeln könnten. „Wir brauchen schnelles Handeln der Regierung“, forderte er.

Die Bedingungen in der Barackensiedlung seien erbärmlich, es gebe kein fließendes Wasser und viel zu wenige Toiletten, die Temperatur stieg zuletzt auf 37 Grad Celsius. Auch Nahrung ist knapp, viele Menschen waten durch den Rio Grande zurück nach Mexiko, um dort Lebensmittel einzukaufen – und danach zurückzukehren.

Asylsuchende überqueren den Rio Grande
Reuters/Go Nakamura
Der Grenzabschnitt von Del Rio verzeichnete in diesem Jahr ein besonders hohes Aufkommen von Migranten

Zustrom dürfte anhalten

Die Mehrheit der Geflüchteten kommt aus Haiti – das Land in der Karibik wurde jüngst von einer Reihe an Naturkatastrophen und der Ermordung seines Präsidenten Jovenel Moise im Juli erschüttert. Viele Menschen, die sich derzeit unter der Brücke befinden, stammen aber auch aus Kuba, Venezuela oder Nicaragua.

Sowohl die Migranten als auch die Behörden rechneten damit, dass in den kommenden Tagen weitere Tausende den knöcheltiefen Fluss zwischen Mexiko und Del Rio überqueren würden. Einige sagten gegenüber Reuters, sie hätten sich für die Überquerung entschieden, weil der Fluss hier seicht sei und sie das Gefühl hätten, dass es vergleichsweise wenige Zwischenfälle mit Drogenkartellen gebe.

„Die Biden-Regierung ist völlig durcheinander“

Der Grenzschutz gab bekannt, er werde mehr Personal in die Region entsenden, „um sofort auf die derzeitige Anzahl von Begegnungen mit Migranten zu reagieren und einen sicheren, humanen und geordneten Prozess zu ermöglichen“.

Örtliche Behörden sind jedenfalls alarmiert: Der republikanische Gouverneur von Texas, Greg Abbott, ordnete zusätzlich die Staatspolizei und die Nationalgarde an, die Grenzbeamten in Del Rio zu unterstützen, und erklärte, die Maßnahmen der Bundesregierung hätten nicht ausgereicht, um den Anstieg der Grenzübertritte zu stoppen. „Die Biden-Regierung ist völlig durcheinander und geht mit der Grenzkrise genauso schlecht um wie mit der Evakuierung aus Afghanistan.“

Asylsuchende warten in Zelten vor der Grenze
Reuters/Go Nakamura
Mehr als 10.000 Asylsuchende haben sich in dem provisorischen Camp versammelt

Die Regierung plant außerdem, einige der Migranten zu anderen Teilen der Grenze zu fliegen, die nicht von einem solchen Ansturm wie in Del Rio betroffen sind, berichtete die „New York Times“. In der kommenden Woche sollen auch Rückflüge nach Haiti beginnen – damit hoffe die US-Regierung, anderen Haitianern zu signalisieren, dass sie gar nicht erst versuchen sollten, über die südliche Grenze in die USA zu gelangen.

10.000 Flüchtlinge warten an US-Grenze

An der Grenze zwischen dem US-Bundesstaat Texas und Mexiko warten mehr als 10.000 Flüchtlinge darauf, in Richtung USA weiterziehen zu können.

Biden unter Beschuss

Präsident Biden gerät dabei zunehmend unter Druck. Der Demokrat hatte viele der rigiden Einwanderungsbestimmungen seines Vorgängers Donald Trump zurückgenommen. Eine Lösung für die wachsende Zahl von Zuwanderern aus Lateinamerika hat Biden bisher jedoch nicht gefunden.

So hatte Biden etwa erwogen, eine zu Beginn der Pandemie eingeführte Gesundheitsvorschrift aus der Trump-Ära aufzuheben, die vielen Asylwerbern die Einreise ins Land verwehrte. Doch aufgrund der hohen Zahl von Migranten, die die Südgrenze illegal überqueren, und des Wiederauftretens des Coronavirus in den letzten Monaten, verschob die Regierung diese Pläne schließlich. Am Donnerstag entschied ein US-Bundesrichter allerdings, dass die Richtlinie nicht mehr auf Familien angewendet werden kann.

Zudem fällt der jüngste Ansturm auf die Grenze in eine Zeit, in der die Leitung des Ministeriums für Heimatschutz umstrukturiert wird, berichtete die „NYT“. Der Stabschef des Ministers, der stellvertretende Minister für Grenz- und Einwanderungspolitik und der oberste Staatsanwalt der Einwanderungs- und Zollbehörde haben vor Kurzem angekündigt, dass sie die Behörde Ende des Monats verlassen werden.