Kurz für Fairness für Orban: Kritik und Unterstützung

Scharfe Kritik von SPÖ und NEOS sowie Unterstützung von seinem Außenminister hat Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) heute für seine Aussagen zu den Regierungen in Ungarn und Polen und deren Verstößen gegen Rechtsstaatlichkeit geerntet. Kurz hatte „Fairness“ für beide gefordert und gemeint, es sei falsch, im Zusammenhang mit Rechtsstaatlichkeit „immer nur über Polen und Ungarn zu sprechen“.

SPÖ: Außenpolitischer „Tiefpunkt“

SPÖ-Europasprecher Jörg Leichtfried betonte, Kurz stelle sich „im Konflikt um Menschenrechte und Demokratie auf die Seite der autoritären Regierungen in Ungarn und Polen“ und verharmlose deren Politik, „die die Pressefreiheit bekämpft, Demokratie abbaut und die Rechte von LGBTIQ-Menschen attackiert“, so Leichfried in einer Aussendung.

Der SPÖ-Vizeklubchef sprach von einem „Tiefpunkt der österreichischen Außenpolitik“, an dem sich die „ehemalige Europapartei ÖVP außerhalb eines Konsens“ stelle, „wonach europäische Werte von allen Mitgliedsstaaten einzuhalten sind“. Kurz fühle sich offenbar „von der Kritik an Ungarn und Polen selbst betroffen und will gleich seine eigenen Angriffe auf Justiz, Rechtsstaat und Kirche und seine Missachtung des Parlaments in Schutz nehmen und relativieren.“

NEOS: „Damit beschädigt er sich selbst“

Es sei vollkommen unangebracht, dass Kurz für Polen und Ungarn in die Bresche springe, kommentierte auch die Europasprecherin von NEOS, Claudia Gamon. „Kurz untergräbt mit seinen Aussagen die Bemühungen vieler Mitgliedsstaaten, die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit innerhalb der EU hochzuhalten.“ Der Kanzler stelle sich mit seinen Aussagen auf die Seite nationalistischer Staaten, gegen die Verfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge wegen mutmaßlicher Missachtung von EU-Grundwerten laufen. „Damit beschädigt er sich selbst (…).“

Schallenberg verteidigt Kurz

ÖVP-Außenminister Schallenberg unterstützte Kurz’ Aussagen dagegen in der ORF-„Pressestunde“. Kein Land sei bei den Grund- und Freiheitsrechten perfekt. Man dürfe keine Zweiklassengesellschaft an EU-Staaten schaffen. Diese Debatte sei eine der stärksten Zentrifugalkräfte in der Union. Man dürfe nicht „mit dem Megaphon“ drohen, sondern müsse beharrlich mit den verantwortlichen Politikern sprechen. Und das mache die österreichische Regierung auch, versicherte Schallenberg. Doch das sei ein „Bohren dicker Bretter“.

Haltung zum Umgang der EU mit Ungarn und Polen

Kurz hatte sich gegenüber der deutschen Funke-Mediengruppe und der französischen Zeitung „Ouest-France“ geäußert. Der ÖVP-Chef beklagte in den vergangenen Jahren mehrfach Tendenzen, die Mitgliedsstaaten mit zweierlei Maß zu messen. So kritisierte er Ende 2019 in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ eine „teilweise vorhandene westliche Arroganz“ gegenüber den Osteuropäern. „Antieuropäisches Gedankengut“ gebe es nicht nur in Osteuropa, sondern auch im Westen, sagte er damals.