Das Gebiet der ehemaligen „Neuen Welt“, einem Vergnügungsviertel der Monarchie vor den Toren der Stadt, ist bis in die Gegenwart hinein nicht nur ein Wohngebiet der Wohlhabenderen – es ist vor allem ein begehbares Museum der Architektur und Baugeschichte, entstanden doch in dem parzellierten Gebiet im Tortenstück zwischen Hietzinger Hauptstraße und Lainzerstraße zwischen 1870 und den 1930er Jahren einige Gebäude, die den Aufbruch Wiens aus der Gründerzeit in die klassische Moderne markieren.
„Alles Frank“
Unter diesem Motto ist die Villa Beer in der Wenzgasse diesen Samstag und Sonntag mit Expertinnen aus dem AzW zu besichtigen. Auch der Garten ist geöffnet. Weitere Besichtigungen sollen folgen.
Arbeiten von Adolf Loos und Josef Plecnik sind im Territorium der „Neuen Welt“ zu entdecken. Und auch die seit Jahren vor sich hin verfallende Villa Beer, die von Oskar Wlach und Josef Frank in den Jahren 1929 bis 1931 realisiert wurde, steht auf dem Gebiet der „Neuen Welt“. „Eigentlich“, so der neue Besitzer der Villa, Lothar Trierenberg, „ist die Villa genau dort gebaut worden, wo der Eingangsbereich in die ‚Neue Welt‘ war“. Der Baumbestand im Garten der Villa erzählt jedenfalls von einer Geschichte, die weit ins 19. Jahrhundert zurückreicht – und zugleich ein Problem für die historische Substanz darstellt, sind doch die Bereiche der Terrasse im Garten von der Baumsubstanz stark unterwurzelt.
Ein Dialog mit der Natur
„Frank“, so erzählt der designbegeisterte Trierenberg, der unter anderem das in Wien bekannte „das möbel“ samt dazugehörenden Lokal gegründet hatte, „wollte das Haus bewusst in einen Dialog mit der Natur setzen“. Frank habe zwar auf eine sehr klare Scheidung zwischen Innen und Außen wert gelegt, doch die unterschiedlichen Fensterszenarien und die Schachtelung der Stockwerke lenkt den Blick immer ins Freie – durch ganz große Scheiben oder durch das legendäre „Mondfenster“ zur Wenzgasse 8 hinaus.

Von der Wenzgasse aus konnte man einen Blick auf den immer trauriger werdenden Zustand dieses Landmark Buildings der klassischen Moderne werfen. Von Anfang an stand das Werk Franks ja unter einem Unglücksstern: Die Industriellenfamilie Beer hatte sich mit dem Gebäude übernommen und es schon in den 1930er Jahren an die Bank verpfänden müssen. Die spätere Besitzerfamilie, so erzählt Trierenberg, sei nach Kriegsende klug genug gewesen, es sofort den Briten für ihre Besatzungszone anzubieten. Und so wurde das Gebäude zum Sitz des Britischen Geheimdienstes in Österreich – mit einer nebenan gebauten Kommunikationszentrale, die heute einem großen österreichischen Telefonanbieter gehört, aber eigentlich ebenfalls leer steht.
Ein Streit bei den Nachkommen hat letztlich zur Zweitteilung der Immobilie – und zu ihrem bis zur Gegenwart misslichen Zustand geführt. Ein Teil der Villa wurde 2008 verkauft – doch eine gemeinsame Nutzung und damit Revitalisierung der Villa war nicht zu realisieren.
Kauf aus Herz und Bauch heraus
„2020 war dann die ganze Villa auf dem Markt“, erzählt Trierenberg, der, so schildert er als Fan von klassischem Design, sofort habe zuschlagen müssen – trotz Bedenkzeit, die eigentlich keine gewesen sei. Jetzt steht der neue Besitzer mit einer Immobilie da, die so etwas wie eine Lebensaufgabe darstellt. Weder Bund noch Stadt haben sich groß um die Villa Beer gerissen – wohl auch im Wissen, dass man bei der Sanierung eines Gebäudes als öffentliche Hand nur scheitern oder eben Fehler machen kann, bei der man medial wiederum leicht zerrissen wird.

Das Raumerlebnis bei Josef Frank
So blieb in den letzten Jahren eigentlich nur der vom Architekturzentrum Wien mit großer Leidenschaft betriebene Aktionismus, die Öffentlichkeit an ausgewählten Tagen einen Blick in die Immobilie werfen zu lassen. „Alle, die hier drinnen waren, sind sofort dem Raumgefühl dieses Exponats erlegen“, erzählt Trierenberg. Möglichst oft, wie nun an diesem Wochenende im Rahmen der AzW-Aktion „Alle Frank“, mag Trierenberg sein Haus öffnen – und zunehmend ins weitere Bewusstsein bringen. Ab kommendem Jahr werde man dann mit der Sanierung beginnen, so Trierenberg, der zwischen den Auflagen des Denkmalschutzes gerade das Gebäude einer umfangreichen Überprüfung unterzieht.
Eine Sockelsanierung für das Exponat sei ebenso ein Thema wie die Sanierung der Fenster wie der Fassade mit ihren porös gewordenen Gussbetonelementen. „Das Dach“, so der Josef-Frank-Liebhaber, „ist Gott sei Dank ok“. Sonst gelte für ihn bei der Sanierung: so sanft als möglich – und so viel Erhalt der vielen Details als möglich.
Unterschiedliche Nutzungsszenarien
Trierenberg schweben unterschiedliche Modelle der Nutzung nach der Sanierung vor. Ein Museumsbetrieb mit einem Partner wie AzW, MAK oder Historischem Museum. Oder auch alleine. Aus den Schlafräumen im oberen Stock möchte Trierenberg drei Apartments machen, die temporär genutzt und gemietet werden können. „Wer sich hier einmietet, soll nach Museumsschluss auch in die Villa runtergehen und die Räume erleben können“, so Trierenberg, der bei all seinen Aktivitäten die Gemeinnützigkeit in den Vordergrund rückt.
Er möchte, wie er sagt, das Werk von Frank, der ja vor den Nazis nach Schweden geflohen ist und dort eine zweite Karriere begonnen hat, hochhalten. Auch eine Kombination der Arbeit an der Villa Beer mit der Konzeption der Werkbundsiedlung, die ja von Frank entscheidend mit konzipiert und zur gleichen Zeit wie die Villa Beer fertiggestellt wurde, sei für ihn denkbar.
Trierenberg möchte kein Museum mit historischen Möbeln, „die man dann nicht benutzen darf“. „Aber“, so fügt er hinzu, „möglichst viel Erhalt des Werks von Frank in diesen Räumen“, das sei sein Ziel.
Wenn alles gut geht, könnte die Villa Beer 2024 ein Museum mit der angedachten Nutzung sein. Bis dahin könnten weitere Gebäude aus der Gegend beschrieben und in Rahmen eines Architektur-Walks zu erkunden sein. Allein ein Parcours durch die benachbarte Beckgasse offenbart Einblicke in die Baugeschichte der Jahrhundertwende – und so manchen Sanierungsfall.