Ein Bauhaus-Gebäude
APA/AFP/John Macdougall
„Europäisches Bauhaus“

Lehm aus Vorarlberg fürs nachhaltige Leben

Mit dem Großprojekt „Europäisches Bauhaus“ werden Innovationen in Design, Nachhaltigkeit und Technologie aus der ganzen EU zusammengetragen. Nichts weniger als „eine neue kulturelle Bewegung“ zu gründen ist das Ziel – analog zur legendären Weimarer Kunst- und Denkschule. Ein Leitbild gibt dabei eine Vorarlberger Firma vor, die eine in Vergessenheit geratene Bauweise wieder zum Leben erweckt.

Die EU-Kommission ist geübt darin, hashtagtaugliche Marken zu etablieren. Zahlreiche Labels wurden in den vergangenen Jahren kreiert, der „Green Deal“ steht den jüngsten stets als übergeordneter Begriff vor – so wie etwa das „Fit for 55“-Ziel darauf abzielt, den Pfad zur Klimaneutralität für die kommenden Jahre vorzugeben. Auch das „Europäische Bauhaus“, das sich an Europas Kreativszene wendet, will den „Green Deal“ voranbringen.

Die Initiative soll Ideen aus allen möglichen Bereichen von Wirtschaft bis Kultur sammeln und sie in Projekte packen – von der Bauindustrie bis zur Mode. Die Innovationen sollen „schönere, nachhaltige und inklusive Formen des Zusammenlebens“ ermöglichen, lautet das hehre Ziel. Sechs Monate lang lief dafür eine „Design Phase“, derzeit befindet man sich in der Realisierungsphase, Vorschläge für konkrete Projektplanungen werden gesammelt.

Altes neu entdeckt

Das „Bauhaus“ sei „eine ehrgeizige Angelegenheit“, so Xavier Troussard, der Leiter der Initiative, zu ORF.at. Die Bewegung zu schöneren, nachhaltigeren und integrativeren Lebensweisen sei aber schon längst im Gange. „Konkreter Wandel ist bereits in Gebäuden, aber auch im öffentlichen Raum, in Mode oder Möbeln sowie im Gemeinschaftsleben und in Geschäftsmodellen sichtbar“, so Troussard.

Stampflehm

Lehm ist einer der ältesten Baustoffe der Welt, den Stampflehmbau gibt es seit der Jungsteinzeit. Die Technik breitete sich auf die ganze Welt aus. Dabei werden Naturmaterialien wie Erde, Kreide und Stein erdfeucht geschüttet, gestampft und luftgetrocknet. Auch heute noch stehen historische Stampflehmbauten in Europa, etwa die Mauern der Alhambra in Spanien.

Einen Vorgeschmack auf konkrete Umsetzungen gaben im September schon die European Bauhaus Prizes. Unter rund 2.000 Bewerbungen aus ganz Europa suchte die Jury aus 80 offiziellen Partnern der Initiative schließlich die Gewinner für die zehn Kategorien aus. Die Vorarlberger Firma Lehm Ton Erde räumte den Preis für „Techniken, Materialien und Verfahren für Konstruktion und Design“ ab, dotiert mit 30.000 Euro.

Mit seinen „puren Wänden“ aus Stampflehm hat das Unternehmen eine Bauweise wiederentdeckt, die schlicht in Vergessenheit geraten ist, aber heute den Kriterien von Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft entsprechen.

Neue Bauweisen nötig

Das Problem ist enorm: Laut UNO ist der Bausektor für fast 40 Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Der Grund liegt im Energieverbrauch bei Zement, Beton und Stahl. Auch die Baustoffe müssen neu gedacht werden – oder eben alt. „Lehm wurde auf der ganzen Welt verbaut, weil das benötigte Material einfach immer vor Ort war. Das hat sich erst im Zuge der Industrialisierung geändert, weil Kohle, Zement und Stahl als zukunftsträchtig galten und die Bahn den Transport möglich gemacht hat“, so Martin Rauch, Geschäftsführer von Lehm Ton Erde, zu ORF.at. „Danach ist der Lehm als Baustoff fast vergessen worden.“ Heute gelte das Material in südlichen Ländern als „Baustoff der armen Leute“.

Stampflehmwände
Hanno Mackowitz
In Rauchs Werkshalle in Vorarlberg entstehen die Wände aus Stampflehm

Rauch, ursprünglich Bildhauer, beschäftigt sich seit über 35 Jahren mit dem Lehmbau und hat in Vorarlberg mit seiner Firma ein ganzes Netzwerk samt Workshops für Interessierte gesponnen. Die Vorteile des Materials lägen auf der Hand, so Rauch: „Er ist unbehandelt und kommt ohne Zement und Chemikalien aus. Lehm ist ohne Qualitätsverlust unendlich recyclebar, und man kann ihn auch einfach der Natur zurückgeben.“ Bauen an sich sei immer eine Umweltbelastung, die Frage sei aber, wie hoch. „Man muss versuchen, so gesund wie möglich zu bauen“, so Rauch.

Ruf nach Kostenwahrheit

Der „European Bauhaus“-Preis helfe dabei, wahrgenommen zu werden, und sei ein wichtiges Signal der Politik. Die Bauwirtschaft werde gerade gehörig umgekrempelt, vor allem wenn sie stärker für CO2-Emissionen zur Kasse gebeten wird.

Das historische Bauhaus

Bauhaus Logo
Gemeinfrei

Das Bauhaus war eine 1919 vom deutschen Architekten Walter Gropius gegründete Kunstschule. Ihr Ziel war es, Kunst, Architektur und Handwerk zusammenzuführen.

„Energieintensive Produkte sind zu billig, da muss sich die Kostenwahrheit verbessern“, so Rauch. Denn viele Hersteller, Baufirmen und Architektinnen und Architekten seien auf der Suche nach grünen Innovationen.

Die Werbetrommel zu rühren ist auch das erklärte Ziel der „Bauhaus“-Initiative. Man will Aufmerksamkeit schaffen und Behörden, Industrie und Firmen einbinden. Die Preisträger sollen sowohl als Botschafter der „Bauhaus“-Werte dienen „als auch als lebender Beweis dafür, dass die Initiative vor Ort greifbare Ergebnisse erzielt“, so Troussard. Neben der Preisverleihung soll es im kommenden Jahr auch ein eigenes „Bauhaus“-Festival geben.

Um das „Europäische Bauhaus“ schließlich auch einmal auch auf den Boden zu bringen, gibt die EU für dieses und kommendes Jahr 85 Millionen Euro her. Mit dem Geld sollen Innovationen in Baufirmen, in Architektur, Kunst und Design angestoßen werden. Ab 2023 sollen die Ergebnisse des Ideennetzwerks in der ganzen EU zu sehen sein.