Parteivorsitzender der CSU, Markus Söder
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CSU-Chef Söder

„Beste Chancen“ für Scholz als Kanzler

CSU-Chef Markus Söder sieht den Auftrag zu Gesprächen über eine neue deutsche Regierung zunächst bei SPD, Grünen und FDP. Die SPD sei am Zug, sagte Söder am Dienstag nach der ersten Sitzung der CSU-Landesgruppe in Berlin. „Die besten Chancen, Kanzler zu werden, hat derzeit Olaf Scholz“, sagte Söder mit Blick auf den SPD-Kanzlerkandidaten.

Wenn das nicht funktionieren sollte, dann sei die Union zu jeden Gesprächen bereit. Es sei wichtig, das Wahlergebnis zu respektieren, sagte der CSU-Chef. Für die Union aus CDU und CSU sei es „eine schwere Niederlage“ gewesen, sie habe auf breiter Front einen Einbruch erlitten. Daher wolle er auch Scholz dazu gratulieren, dass die SPD die meisten Stimmen bekommen habe.

Für die Union lasse sich aus dem Wahlergebnis kein Regierungsauftrag ableiten, es bleibe aber Verantwortung. Man sei daher zu Gesprächen über eine mögliche „Jamaika-Koalition“ mit FDP und Grünen bereit. „Wir werden uns dabei nicht anbiedern und nicht um jeden Preis versuchen, eine Regierung zusammenzubringen“. Söder machte deutlich, dass die Union nach der Wahlniederlage nun „Stabilität und Ordnung“ in ihre Prozessstrukturen bringen müsse, um überhaupt gesprächsbereit zu sein.

Für die Union lasse sich aus dem Ergebnis „wirklich kein Regierungsauftrag moralisch legitimieren“. Der Ausgang der Wahl lasse sich auch „nicht uminterpretieren oder umwünschen“. Die Union hatte bei der deutschen Bundestagswahl mit 24,1 Prozent ihr historisch schlechtestes Ergebnis erzielt. Sie lag damit knapp hinter der SPD mit 25,7 Prozent der Stimmen. SPD-Kanzlerkandidat Scholz will nach dem Wahlerfolg eine Koalition mit Grünen und FDP bilden.

Söder lässt eigene Rolle offen

Welche Rolle er selbst spielen könnte, ließ Söder auf Nachfrage offen. Er habe mit CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt eine „Matrix“ für gemeinsame Gespräche mit CDU, Grünen und FDP vorbereitet, sagte er. Es gebe „eine kleine Möglichkeit“, dass die „Ampelkoalition“ aus SPD, FDP und Grünen am Ende nicht komme. „Dies ist die Woche der Entscheidungen, sowohl inhaltlich wie personell“, sagte Dobrindt.

Zuvor hatte es Berichte gegeben, Söder könne sich am Ende sogar zum Kanzler wählen lassen. Der CSU-Chef vermied eine Antwort auf die Frage, ob er den auch innerparteilich unter Druck stehenden CDU-Chef Armin Laschet als Verhandler an seiner Seite sehe. In der CDU hieß es, es habe schon Gespräche mit FDP und Grünen gegeben, die Interesse an „Jamaika“-Sondierungen geäußert hätten.

Vonseiten der Union soll aber Laschet allfällige Sondierungsgespräche führen, sagte Bundestags-Fraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU). „Armin Laschet ist der Parteivorsitzende der CDU, deswegen ist er der geborene Verhandler“, sagte er. Brinkhaus und Dobrindt betonten vor der Fraktionssitzung Dienstagabend zudem, auch sie würden an Sondierungsgesprächen beteiligt sein. Es sei wichtig, dass die Fraktion von Anfang an eingebunden werde.

Widerstand gegen Laschet wächst

Unterdessen wächst in der Union der Widerstand gegen die Strategie ihres Kanzlerkandidaten Laschet, seinerseits eine „Jamaika-Koalition“ mit FDP und Grünen zu bilden. Vereinzelt wurden bereits Rufe nach Laschets Rückzug laut. Niedersachsens CDU-Chef Bernd Althusmann sagte: „Wir sollten jetzt demütig und respektvoll den Wählerwillen annehmen, mit Anstand und Haltung. Es war Veränderung gewollt.“

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier unterstrich: „Wir haben keinen Anspruch auf Regierungsverantwortung.“ Der Chef der Jungen Union, Tilman Kuban, sagte: „Wir haben die Wahl verloren. Punkt.“ Der klare Auftrag liege bei SPD, Grünen und FDP.

Politologin über Laschet als Kanzler

Ein Kanzler Armin Laschet ist nach den Verlusten der Unionsparteien für Politikwissenschaftlerin Andrea Römmele immer weniger wahrscheinlich.

Laschet selbst warb Dienstagabend in der konstituierenden Sitzung der Bundestagsfraktion von CDU und CSU für Sondierungen mit Grünen und FDP. „Die, die uns gewählt haben, sagen: Gebt das nicht so schnell auf mit Jamaika“, sagte er laut Teilnehmerangaben. Es gebe starke Signale von der FDP in Richtung Union. Er habe als Spitzenkandidat Fehler gemacht, das bedauere er sehr. Laschet habe jene um Entschuldigung gebeten, die ihr Mandat verloren hätten.

Altmaier fordert CDU-Neuaufstellung

Kurz vor der konstituierenden Sitzung der Bundestagsfraktion forderte Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) zügig eine personelle Neuaufstellung seiner Partei. Er hätte sich einen klaren Regierungsauftrag für die Union gewünscht, sagte Altmaier der „Rheinischen Post“. „Das ist jetzt schwieriger.“ Altmaier empfahl seiner Partei eine „Portion Demut“.

Angesprochen auf seine Unterstützung für Söder als Kanzlerkandidaten sagte der Minister, er habe seine Position damals sowohl im CDU-Bundesvorstand als auch gegenüber Laschet deutlich gemacht. „Es ist nicht schön, wenn man am Ende sieht, dass die eigenen Befürchtungen von der Realität noch übertroffen wurden.“ Altmaier ergänzte, die Union habe viele Wechselwähler verloren. „Das muss dann auch unser weiteres Verhalten und unsere Aufstellung für die kommende Zeit bestimmen. Wir müssen das Signal der Bürgerinnen und Bürger hören.“

Zündstoff auch in CDU-Fraktion

Bei der konstituierenden Sitzung der stark geschrumpften Unionsfraktion stand die Neuwahl des Fraktionschefs an, ein offener Streit wurde dabei abgewendet. Laschet hatte am Montag angekündigt, er wolle gemeinsam mit CSU-Chef Söder vorschlagen, dass der bisherige Vorsitzende Brinkhaus „in der Phase dieser Koalitionsverhandlungen“ Fraktionschef sein solle.

Das sorgte für Unmut bei Brinkhaus, der sich wie üblich für ein Jahr wählen lassen wollte. In einem Kompromiss wurde er nun für ein halbes Jahr, bis April 2022, wiedergewählt. Er soll bei der geheimen Abstimmung 85 Prozent der Stimmen erhalten haben. Er war der einzige Kandidat für das Amt.

Hintergrund: Sollte es Laschet nicht gelingen, eine „Jamaika-Koalition“ zu bilden, und die Union in der Opposition landen, wäre der Posten des Fraktionsvorsitzenden einer der mächtigsten in der Union. Söder sagte am Montagabend in der ARD, mit Brinkhaus habe die CSU „sehr gute Erfahrungen“ gemacht.

SPD: Erste Gespräche mit Grünen und FDP noch diese Woche

SPD-Kanzlerkandidat und Wahlsieger Scholz will unterdessen rasch eine Regierung bilden, er sieht genügend Gemeinsamkeiten mit Grünen und FDP. „Es gibt ja Schnittmengen“, sagte er am Montagabend im ZDF. Die SPD forderte Laschet auf, auf Sondierungen zu verzichten: „Niemand will Armin Laschet als Kanzler, und ich hoffe, dass er das in den nächsten Tagen auch realisiert“, sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil im Sender RTL.

Erste Sondierungsgespräche mit Grünen und FDP könnten nach Aussage von Fraktionschef Rolf Mützenich noch in dieser Woche geführt werden. Die SPD sei bereit, „nicht nur schnelle, sondern auch verlässliche Gespräche zu führen“. Auch Mützenich forderte Laschet auf, nicht weiter nach dem Kanzleramt zu streben.

Grüne beraten am Samstag

Die Grünen wollen am Samstag in Berlin auf einem Kleinen Parteitag über den Ausgang der Bundestagswahl und die Regierungsbildung beraten. Am Mittwoch wollen sich die Spitzen von Grünen und FDP treffen, um Gemeinsamkeiten auszuloten. Die Grünen haben ihrerseits bereits eine Präferenz für eine „Ampel-Koalition“ unter Führung der SPD erkennen lassen.

Der Koparteichef der deutschen Grünen, Robert Habeck, trat am Dienstag Spekulationen entgegen, wonach er für seine Partei den Posten des Vizekanzlers in der künftigen Regierung übernehmen wird. Zum jetzigen Zeitpunkt sei die Frage „völlig irrelevant“. „Wir haben ja nicht mal einen Kanzler.“

Am Montag hatte Habeck erklärt, sich mit Spitzenkandidatin Annalena Baerbock bereits auf alle relevanten Fragen verständigt zu haben. „Gehen Sie davon aus, dass wir komplett sortiert sind“, sagte er auf die Frage, wer denn den Vizekanzlerposten übernehmen werde. Die Grünen werden erst nach den Koalitionsverhandlungen über ihre personelle Aufstellung entscheiden, sagte Habeck am Dienstag.