Ex-Arbeitsministerin Christine Aschbacher
APA/Georg Hochmuth
Plagiatsvorwürfe

Aschbacher dürfte auch PhD-Titel behalten

Ex-Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) dürfte auch ihren an der Slowakischen Technischen Universität (STU) in Bratislava erworbenen PhD-Titel behalten dürfen. Die Überprüfung der Plagiatsvorwürfe gegen ihre Dissertation läuft zwar noch, selbst bei einer Bestätigung ist aber mit einer Aberkennung des Titels nicht zu rechnen. „Plagiatsjäger“ Stefan Weber zeigte sich fassungslos.

Die Prüfung der Dissertation dürfte frühestens im November abgeschlossen sein, so Universitätssprecher Juraj Rybansky. Um in der Sache jedenfalls konsequent vorzugehen, seien ausländische Experten mit der Analyse von Aschbachers Arbeit beauftragt worden. Auf deren Analyse werde aber weiterhin gewartet, sagte der Sprecher der Uni in Bratislava.

Am Mittwoch war bekanntgeworden, dass die Fachhochschule (FH) Wiener Neustadt das Verfahren gegen die Diplomarbeit Aschbachers eingestellt hatte. Ein Gutachten hatte zwar „Mängel bei der Einhaltung der Standards guter wissenschaftlicher Praxis“ geortet, aber die für eine Aberkennung des Titels nötige Täuschungsabsicht nicht festgestellt. Damit kann sie ihren Magistertitel behalten – mehr dazu in noe.ORF.at.

Abgabedatum macht Titelabnahme unmöglich

Auch in der Slowakei dürfte keine Aberkennung drohen. Zwar wurde dort nach zahlreichen Plagiatsskandalen, die auch hochrangige Mitglieder der dortigen Regierung betroffen hatten, das Hochschulgesetz entsprechend novelliert. Titel dürfen aber nur dann abgenommen werden, wenn die entsprechende Abschlussarbeit nach dem 1. Jänner 2021 eingereicht wurde. Aschbacher hatte ihre Dissertation bereits 2020 abgegeben. Ob der Ex-Ministerin andere Konsequenzen drohen könnten, wollte Rybansky nicht kommentieren.

Die STU war in der Slowakei unter den ersten Hochschulen, die sich einem öffentlichen Aufruf slowakischer Bildungseinrichtungen gegen unsaubere Titelerlangung angeschlossen haben. „Ein akademischer Titel soll kein Schmuckstück sein, mit dem Politiker oder Unternehmer nur ihren sozialen Status erhöhen wollen. Er muss das Ergebnis anständiger Forschungsarbeit sein“, hieß es damals.

Weber quittiert Entscheidung mit Unverständnis

„Umgehauen“ habe die Einstellung des Verfahrens „Plagiatsjäger“ Weber, der entsprechenden Textstellen in Aschbachers Arbeiten öffentlich gemacht hatte. Er quittierte die Entscheidung mit Unverständnis und behalf sich mit Ironie: „Offenbar habe ich einen zu strengen Plagiatsbegriff, sage ich einmal ironisch“, so Weber.

Dokument zur Vergebung der Dissertation inklusie eidesstattlicher Erklärung von Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP)
APA
Der für seine Plagiatsprüfungen bekannte Medienwissenschaftler Weber ortete in Aschbachers Dissertation eine Vielzahl an Plagiaten

Die Entscheidungen der vergangenen Jahre zu den Arbeiten von Ex-Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP), Staatsoperndirektor Bogdan Roscic, Ex-SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda und eben Aschbacher seien immer demselben Muster gefolgt: „Ich finde Textteile, die haben keine Anführungszeichen und keine Fußnoten, und ich nenne das Plagiat. Offenbar bin ich da zu streng. Dann müsste ich aber auch bei der Uni Salzburg anrufen, dass sie mir 1989 die Zitierregeln zu streng beigebracht haben. Ironie off.“

Derzeit werde im Auftrag des Bildungsministeriums ein Wiki zum Thema Zitierstandards erarbeitet, dessen Erstautor er sei. „Da bin ich offenbar der falsche Mann dafür, weil ich zu streng bin“, meinte Weber wiederum ironisch. Von seinen Kollegen bei diesem Projekt habe er das allerdings noch nicht gehört.

„Annahmen sind wie Seepocken“

Webers Urteil nach der Öffentlichmachung der Vorwürfe Anfang des Jahres war verheerend: Zur Diplomarbeit schrieb er damals in seinem Blog, sie sei „eine einzige wissenschaftliche Katastrophe“, und ortete „Plagiate, falsche Zitate, mangelnde Deutschkenntnisse“. Bei der Dissertation sei er zum Ergebnis gekommen, dass mindestens 21 Prozent der Arbeit plagiiert seien, sagte Weber damals.

Er sprach auch von etlichen „Stilblüten“, die er so „noch nie“ gesehen habe. Die teilweise kaum verständlichen Sätze hatten den Eindruck erweckt, als entstammten sie direkt einem Übersetzungsprogramm. So fand sich etwa auf Seite 55 der Dissertation die Feststellung: „Annahmen sind wie Seepocken an der Seite eines Bootes; sie verlangsamen uns.“ Laut der Quellenangabe wurde an dieser Stelle auf einen „Forbes“-Artikel referenziert – dieser dürfte von Google Translate übersetzt und dann weitgehend unverändert in die Arbeit kopiert worden sein.

„Für mich ist das verlogen“

Nach der nunmehrigen Einstellung des Verfahrens in Wiener Neustadt und dem sich abzeichnenden Ausgang des Falls in Bratislava sagte Weber, dass es ihm nicht darum gehe, dass Aschbacher oder andere Personen ihre Titel verlieren. „Was mich wurmt: In den ganzen Mitteilungen steht dann immer, dass ,Mängel in der wissenschaftlichen Praxis’ gefunden wurden, aber keine Täuschungsabsicht nachgewiesen werden konnte. Aber keiner beantwortet die Frage: Wurde jetzt plagiiert? Für mich ist das verlogen. Man soll doch sagen: Ist es ein Plagiat oder nicht?“

Die andere Frage sei, ob es studienrechtlich relevant ist. „Ich habe kein Problem damit, wenn die Hochschule sagt: Nein, es ist nicht relevant. Aber dass man nicht über den Mund bringt zu sagen, dass plagiiert wurde oder nicht (…) Warum nennt man das Ding nicht beim Namen?“, so Weber. Interessant wäre auch, die Gutachten zumindest in Auszügen zu veröffentlichen, meinte Weber. So könnte man wenigstens die Argumentationslinie erkennen. „Warum sagt man, da gab es eine Täuschungsabsicht bzw. da gab es keine?“

ÖVP will Entschuldigung

Die ÖVP, die Aschbacher nach Aufkommen der Gerüchte rasch von ihrem Posten abgezogen hatte, forderte nach der Entscheidung der FH Wiener Neustadt eine Entschuldigung der Opposition bei Aschbacher. „Einmal mehr hat der Realitätscheck bewiesen, dass die mediale Hetzjagd, befeuert von den Oppositionsparteien, schon vor vollständiger Aufklärung der Wahrheit unwiderrufliche Folgen hatte“, so Generalsekretär Axel Melchior in einer Aussendung.

Zuletzt hatte auch Aschbacher persönlich auf die Einstellung des Plagiatsverfahrens in Wiener Neustadt reagiert. Die ehemalige Ministerin habe gesagt, sie sei „sehr erleichtert“, hieß es in mehreren Medien, darunter der „Kronen Zeitung“. In die Politik zurückkehren wolle sie aber nicht.