Erster Gedenktag für misshandelte Indigene in Kanada

Erstmals hat Kanada mit einem nationalen Gedenktag an das Unrecht erinnert, das den Ureinwohnern des Landes über Jahrhunderte hinweg angetan wurde.

„Es ist ein Tag zum Nachdenken. Es ist ein Tag zum Ehren. Es ist ein Tag zum Trauern. Es ist ein Tag zum Tränenvergießen“, sagte die Stammesälteste Claudette Commanda von der Gemeinschaft der Algonquin gestern (Ortszeit) bei einer Ansprache vor dem Parlamentsgebäude in Ottawa.

Caludette Commanda
APA/AFP/Lars Hagberg

Im ganzen Land fanden zum Nationalen Tag der Wahrheit und Aussöhnung Gedenkmärsche und Zeremonien statt. Der seit 2013 inoffiziell abgehaltene Gedenktag war in diesem Jahr zum gesetzlichen Feiertag erklärt worden, nachdem rund um mehrere ehemalige katholische Internate für Kinder von Indigenen mehr als 1.200 anonyme Gräber entdeckt worden waren.

Entdeckung Hunderter Gräber als nationaler Schock

Der Fund der Kindergräber zeige die Bedeutung einer Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit, um eine Aussöhnung im Land voranzubringen, sagte Premierminister Justin Trudeau zum Gedenktag. Es sei wichtig, die „schrecklichen Ungerechtigkeiten“ anzuerkennen, die den Ureinwohnern des Landes angetan worden seien.

In Kanada waren ab 1874 rund 150.000 Kinder von Ureinwohnern und gemischten Paaren von ihren Familien und ihrer Kultur getrennt und in kirchliche Heime gesteckt worden, um sie so zur Anpassung an die weiße Mehrheitsgesellschaft zu zwingen.

Viele von ihnen wurden in den Heimen misshandelt oder sexuell missbraucht. Nach bisherigen Angaben starben mindestens 3.200 dieser Kinder, die meisten an Tuberkulose, Vernachlässigung oder Mangelernährung. Die letzten dieser Schulen schlossen erst in den 1990er Jahren.

Alkohol, Gewalt, Suizide als Spätfolgen

Viele indigene Gemeinschaften machen die Heime, die ganze Generationen geprägt haben, für heutige soziale Probleme wie Alkoholismus, häusliche Gewalt und erhöhte Suizidraten unter den Indigenen verantwortlich. Dennoch war den zahlreichen Berichten über Missbrauch und hohe Todesraten in den „Residential Schools“ nie ernsthaft nachgegangen worden.

Vergangene Woche hatte sich die katholische Kirche offiziell für den Missbrauch in den Internaten entschuldigt. Den Opfern sagte die katholische Bischofskonferenz des Landes finanzielle Hilfe zu.