Hände von Verhandlern während einer Sitzung
APA/Georg Hochmuth
Steuerreform

Offene Fragen verzögern Einigung

Die Verhandlungen für die geplante ökosoziale Steuerreform laufen auf Hochtouren. Am Freitag wurde bis spät in die Nacht um eine Einigung gerungen, am Samstag gingen die Gespräche weiter. Man komme „gut voran“ hieß es von den Verhandlern. Vor allem beim „Ökobonus“ und bei der Höhe der CO2-Bepreisung spießt es sich aber noch. Laut „Krone“ steht das Volumen der Entlastung nun fest: 15 Milliarden Euro zwischen 2022 und 2025.

Das berichtete die Zeitung in ihrer Onlineausgabe Samstagabend. 80 Prozent davon seien etwa für Lohnsteuersenkungen und den „Ökobonus“ vorgesehen. Ein Fünftel soll an Unternehmen fließen. Bis spätestens 13. Oktober, dem Tag der Budgetrede von Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP), muss die Reform stehen.

Am Abend sagte Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im Interview mit Oe24, dass er die Gespräche „auf einem guten Weg“ sehe: „Ich habe den Eindruck, dass die Verhandlungen gut und konstruktiv laufen.“ Details aus den Verhandlungen nannte er aber nicht. Eine ursprünglich geplante Reise zum Parteitag der spanischen Volkspartei in Valencia wird Kurz nicht antreten. Wie ein Sprecher des Kanzlers am Sonntag bestätigte, wird Kurz per Videokonferenz zugeschaltet sein. Hintergrund sei die Debatte innerhalb der Regierung um die ökosoziale Steuerreform, hatte es vorher in Regierungskreisen geheißen.

CO2-Bepreisung fix, Höhe unklar

Fix ist, dass eine Bepreisung des CO2-Ausstoßes ab Anfang 2022 kommen soll. Unklar ist aber, wie hoch diese ausfallen soll. Kolportiert werden Berichten zufolge derzeit 30 bis 35 Euro pro Tonne CO2, Umweltorganisationen fordern mindestens 50 Euro.

Abgase dringend aus einem Schornstein
Getty Images/Carol Yepes
Eine Bepreisung des CO2-Ausstoßes soll kommen, unklar ist, wie hoch sie sein soll

Nicht einfach sind die Gespräche offenbar auch zum „Ökobonus“. Die Grünen wollen dem Vernehmen nach, dass alle Haushalte einen solchen Bonus bekommen sollen, die ÖVP will ihn offenbar nur für jene, die auch Lohn- und Einkommensteuer zahlen – also nicht für Bezieher und Bezieherinnen von Arbeitslosengeld und Mindestsicherung, wurde aus Verhandlerkreisen kolportiert. Das wäre aber für die Grünen eine rote Linie, berichtete der „Kurier“. Die ÖVP fordert laut APA zudem einen Unterschied beim „Ökobonus“ zwischen Stadt und Land. Menschen, die auf dem Land wohnen, sollen durch die CO2-Bepreisung nicht überproportional getroffen werden.

Debatte über Ende von Dieselprivileg

Offen ist auch, ob das Aus für das Dieselprivileg beschlossen wird. Eine Entscheidung könnte laut Informationen des „Standard“ verschoben werden. Laut „Krone“ verspricht sich die Regierung in den kommenden vier Jahren stattliche fünf Milliarden Euro durch den CO2-Preis. 2022 sollen dadurch rund 800 Millionen Euro eingenommen werden. Der Preis soll dann sukzessive steigen, denn die erwarteten Steuereinnahmen pro Jahr unter dem Titel „CO2“ sollen sich jährlich bis zu 1,8 Milliarden Euro im Jahr 2025 erhöhen.

Unternehmen dürfen wie im Regierungsprogramm verankert auf eine Reduzierung der Körperschaftssteuer (KÖSt) hoffen. Diese soll schrittweise von 25 auf 21 Prozent gesenkt werden. Laut den „Salzburger Nachrichten“ wird in diesem Punkt vor allem noch um den Umsetzungszeitplan gerungen.

„Jeder der Beitrag leistet“, soll besser aussteigen

In einem gemeinsamen Interview mit „Kurier“, „Krone“ und „Profil“ betonte Kurz, dass „jeder, der in unserem Land arbeiten geht, der einen Beitrag leistet“, im Zuge dieser Reform besser aussteigen werde: „Jeder, der Kinder großzieht und arbeiten geht, wird noch besser aussteigen.“ Details nannte er nicht.

Endspurt bei Verhandlungen zur Steuerreform

Die Regierung will mit der geplanten Steuerreform Klimasünder höher besteuern, im Gegenzug dafür andere Bereiche entlasten. Bei ein paar Punkten gibt es aber noch Diskussionen. Was die Streitpunkte sind, erläutert ORF-Reporterin Simone Stribl.

Auch ob der Familienbonus von bisher maximal 1.500 Euro pro Jahr pro Kind auf bis zu 1.750 Euro erhöht werden soll, bestätigte Kurz Samstagabend gegenüber Oe24 nicht. Wenn es ein Ergebnis der Verhandlungen gebe, werde dieses präsentiert.

SPÖ vermissen Geld für die Pflege

Der SPÖ missfielen jedenfalls die kursierenden Details der Steuerreform. Vor allem vermissten die Sozialdemokraten darin die Mittel für die Pflege: „Null Euro mehr für die Pflege, 1,5 Milliarden Euro mehr für die größten Konzerne – ÖVP und Grünen zeigen mit ihrem Budget, was ihnen wichtig ist“, kritisierte etwa SPÖ-Budgetsprecher Jan Krainer.

Dass im Budget keine zusätzlichen Mittel für die Pflege vorgesehen seien, „ist ein Schlag ins Gesicht der Familien“, kritisierte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, die eine „große Pflegeoffensive“ und „eine zusätzliche Pflegemilliarde pro Jahr“ forderte.

„Fatales Signal“

Von NEOS-Seite war zu hören, dass ein möglicher Preis von 35 Euro pro Tonne CO2 ein „fatales Signal“ wäre. Dieser hätte „kaum Auswirkung auf die Emissionen“ und „wäre eine glückliche Ausrede für die ÖVP um weitere Maßnahmen zu verhindern“, schrieb NEOS-Klimasprecher Michael Bernhard auf Twitter.

Auf einen „großen Wurf“ drängen Umweltschutzorganisationen im Finale um die ökosoziale Steuerreform der türkis-grünen Regierung. „Ein wirksamer CO2-Preis ist unerlässlich, damit wir unsere Klimaziele erreichen können. Ein dadurch finanzierter Ökobonus für alle Haushalte muss soziale Ausgewogenheit garantieren“, forderten Global 2000, VCÖ und WWF.

Die drei Umweltorganisationen halten einen Einstiegspreis von mindestens 50 Euro pro Tonne CO2 im Jahr 2022 für notwendig, um einen deutlichen Beitrag zum Klimaschutz zu erreichen. Bis 2025 sollte dieser Analyse zufolge der Preis auf 150 Euro pro Tonne CO2 ansteigen – mit einem weiteren Trend nach oben. Johannes Wahlmüller, Klima- und Energiesprecher von Global 2000, nahm in einer schriftlichen Stellungnahme Kurz in die Pflicht, eine „mutige ökosoziale Steuerreform“ zu beschließen.

CO2-Schäden „auf keiner Rechnung“

Kostenwahrheit gebe es nur mit einer steigenden CO2-Bepreisung und dem Abbau umweltschädlicher Subventionen von bis zu 4,7 Milliarden Euro pro Jahr, betont man beim WWF. „Denn mit der Finanzierung von Umweltzerstörung befeuert die Politik derzeit nicht nur die Klimakrise, sondern auch den viel zu hohen Natur- und Bodenverbrauch“, so Volker Hollenstein, Politischer Leiter beim WWF Österreich. „Jede ausgestoßene Tonne CO2 verursacht große Schäden, die bisher auf keiner Rechnung auftauchen.“

Ein CO2-Preis helfe auch, den Umstieg auf erneuerbare Energieformen auch finanziell attraktiv zu machen und damit die Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern voranzutreiben, argumentierte außerdem VCÖ-Experte Michael Schwendinger. Gerade die aktuell steigenden Gaspreise zeigten, dass die Abhängigkeit von fossilen Energielieferungen problematisch sei.

Was bisher zur CO2-Steuer bekannt ist, deute jedoch auf „keinen großen Wurf“ hin, schreibt indes das Momentum-Institut. Ökonominnen und Ökonomen gehen dort davon aus, dass Preise auf Benzin und Diesel nicht so stark steigen würden, dass es zu einem Lenkungseffekt komme. Sie kritisieren, dass keine „Rückverteilung der CO2-Einnahmen“ bekannt sei.