Martin Kocher, Werner Kogler, Sebastian Kurz, Gernot Blümel und Leonore Gewessler
APA/Herbert Neubauer
Steuerreform

CO2-Steuer kommt, Entlastung vorgesehen

Die türkis-grüne Regierung hat sich auf ihr großes Prestigeprojekt einer ökosozialen Steuerreform geeinigt. Ein Kernstück ist die CO2-Bepreisung, ab Mitte 2022 kosten CO2-Emissionen 30 Euro pro Tonne. Im Gegenzug sollen Entlastungsmaßnahmen bis 2025 18 Milliarden Euro bringen.

Über die Einigung war bis in die Morgenstunden verhandelt worden. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte seine Reise zum Parteitag der spanischen Volkspartei in Valencia abgesagt und blieb in Wien. Am frühen Nachmittag präsentierte er gemeinsam mit Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP), Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) und ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher die Details.

Kurz sprach dabei wiederholt von der „größten Entlastung der Zweiten Republik“. „Alle Maßnahmen werden ab 2022 in Kraft treten. Und sie werden eine sehr spürbare Wirkung haben“, sagte Kurz.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP)

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) erwartet von der Steuerreform bis 2024 Entlastungen für kleinere und mittlere Einkommen im Gesamtvolumen von mehr als 18 Milliarden Euro.

CO2-Bepreisung steigt jährlich

Ab 2022 müssen die Österreicher für das Autofahren und Heizen eine CO2-Steuer bezahlen. Der Einstiegspreis beträgt ab 1. Juli 2022 30 Euro pro Tonne und steigt dann ziemlich rasch Jahr für Jahr. 2023 wird der Preis bei 35 Euro pro Tonne liegen, 2024 dann bei 45 Euro und 2025 bei 55 Euro.

Grafik zur Steuerreform
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: Bundesregierung

Der Startpreis von 30 Euro bedeutet, dass der Liter Treibstoff zunächst um rund acht Cent pro Liter teurer wird. Derzeit fallen in Österreich jährlich 46 Millionen Tonnen CO2 an, die nicht unter den EU-Emissionshandel fallen. Bei einem CO2-Preis von 30 Euro bedeutet das Mehreinnahmen für den Staat in Höhe von knapp 1,4 Milliarden Euro.

Entlastung in mehreren Punkten

Auf der anderen Seite wird es Entlastungsmaßnahmen geben. Je nach Region werden die Einnahmen aus der CO2-Steuer als „Klimabonus“ zurück zur Bevölkerung fließen. In Summe sollen die Entlastungen bis 2025 18 Milliarden Euro betragen.

  • Die geplante Senkung der Lohnsteuer erfolgt stufenweise: Die zweite Einkommensstufe wird von 35 auf 30 Prozent ab Juli 2022 gesenkt, die dritte Einkommensteuerstufe von 42 auf 40 Prozent ab Juli 2023. Wie bisher bleiben Jahreseinkommen bis 11.000 Euro steuerfrei. Für Einkommen zwischen 11.000 und 18.000 Euro wurde der Steuersatz bereits im Vorjahr von 25 auf 20 Prozent gesenkt, daran ändert sich nun auch nichts. Unverändert bleiben auch die Steuerstufen für die höheren Einkommen.
  • Für kleine Einkommen werden die Krankenversicherungsbeiträge gesenkt, beginnend mit 1,7 Prozent. Bis zu einem Einkommen von 2.600 Euro Brutto wird es eine langsam einschleifende Senkung der Beiträge geben. Davon profitieren laut Regierungsangaben 2,3 Millionen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen und 1,6 Millionen Pensionierte.
  • Der Familienbonus wird von 1.500 auf 2.000 Euro pro Kind und Jahr ab 1. Juli 2022 angehoben. Außerdem sollen Alleinerzieherinnen mit niedrigem Einkommen mehr vom Kinderbonus profitieren. Alleinerzieherinnen mit einem Einkommen bis zu 12.000 Euro pro Jahr erhalten einen Kinderbonus von 450 Euro pro Kind statt bisher 250 Euro. Außerdem wird auch der Bezieherkreis erweitert. Künftig sind auch jene Familien bezugsberechtigt, in denen beide Partner arbeiten und beide jeweils mehr als 6.000 Euro, aber unter 12.000 Euro verdienen.
  • Darüber hinaus soll ein Mitarbeiterbeteiligungsmodell eingeführt werden, mit dem Arbeitnehmer mit bis zu 3.000 Euro steuerfrei am Gewinn eines Unternehmens profitieren können.
Ländliche Wohngegend
ORF.at/Christian Öser
Der „Klimabonus“ für ländliche Regionen beträgt bis zu 200 Euro

Abgestufter „regionaler Klimabonus“

Um die Mehrbelastung durch den CO2-Preis auszugleichen, wird ein „regionaler Klimabonus“ eingeführt, der in vier Stufen gestaffelt wird, abhängig davon, wo man wohnt und welche öffentlichen Verkehrsmittel zur Verfügung stehen – wer gut an den öffentlichen Verkehr angebunden ist, kann leichter auf das Auto verzichten als viele Pendler auf dem Land, hieß es von der Regierung.

Grafik zur Steuerreform
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: Bundesregierung

Es wird vier Stufen geben, abhängig von der Einbindung an den öffentlichen Verkehr: 100 Euro, 133 Euro, 167 Euro und 200 Euro pro Jahr. Für Kinder gibt es einen Aufschlag von 50 Prozent auf den „regionalen Klimabonus“. Förderungen sind auch für den Ausstieg aus Öl- und Gasheizungen sowie thermische Sanierungen vorgesehen.

KÖSt sinkt ab 2023

Unternehmen werden mit einer Senkung der Körperschaftssteuer (KÖSt) um bis zu 700 Millionen Euro entlastet. Konkret wird die KÖSt 2023 von 25 auf 24 Prozent und 2024 dann auf 23 Prozent gesenkt.

ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher

Von einem „großen Wurf“, der mit der Steuerreform gelungen sei, spricht auch ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher; der Faktor Arbeit werde „im Vollausbau dieser Steuerreform“ um 4,7 Mrd. Euro pro Jahr entlastet, wovon 3,8 Millionen Lohnsteuerzahlerinnen und -zahler profitieren würden.

Entlastungen soll es auch nach deutschem Vorbild auch für besonders CO2-intensive Unternehmen geben, damit es nicht zu einem „Carbon Leakage“ kommt – Betriebe sollen nicht wegen der mit den Klimamaßnahmen verbundenen Kosten ihre Produktion in andere Länder mit weniger strengen Auflagen verlagern. Für besonders energieintensive Unternehmen ist eine „Härtefallregelung“ vorgesehen. Die Eigenstromsteuer für die Einspeisung von selbst erzeugtem Strom soll entfallen – diese Entlastung wird von der Regierung mit 50 Millionen Euro beziffert.

Dieselprivileg bleibt

In der Reform nicht enthalten ist die Abschaffung des Dieselprivilegs und die im Regierungsprogramm geplante Reform des Pendlerpauschales. Beides Punkte, die bei Umweltschutzorganisationen für Kritik sorgen. Der WWF bewertete den Einstieg in die CO2-Bepreisung als wichtigen Schritt, forderte aber einen steileren Preispfad und einen größeren Ökobonus. Als „verheerendes Signal“ sieht der WWF den erneut verschobenen Abbau umweltschädlicher Subventionen.

Reaktionen zwischen Enttäuschung und Freude

Auch dem VCÖ ist der CO2-Preis zu niedrig. Das bedeute hohe Kosten für die Allgemeinheit und künftige Generationen. Ähnlich äußerte sich Greenpeace: „Es ist ein Armutszeugnis, dass es Österreich nicht gelingt, ein deutlich klimafreundlicheres Modell vorzulegen als etwa das konservative Deutschland“, so Greenpeace. Der ÖAMTC sprach von „Licht und Schatten“. Scharfe Kritik kam von Attac. Die Steuerreform sei ein „Riesengeschenk für Besserverdienende, Konzerne und Vermögende“. Für Global 2000 ist der Einstieg in die CO2-Bepreisung in Österreich gut, aber zu zögerlich. „Eine derart niedrige CO2 Bepreisung wird keinen nennenswerten Beitrag zum Klimaschutz leisten können“, monierte auch „Fridays for Future“.

Zusammenfassung: Die Eckpfeiler der Steuerreform

Kein gutes Haar ließ auch die FPÖ an der Steuerreform. Diese sei „eine reine Mogelpackung zulasten der Bevölkerung“ und ein „Strafpaket für die österreichischen Steuerzahler“. Auch die SPÖ findet, die Steuerreform sei „weder sozial noch ökologisch“. NEOS-Vorsitzende Beate Meinl-Reisinger kritisierte, dass vor allem der Mittelstand bei dieser Reform „durch die Finger schaut“. Der CO2-Preis habe in dieser Form keinerlei Lenkungseffekt, sondern sei nur eine zusätzliche Steuer.

Lob kam dagegen von der Wirtschaft. Vor allem mit der Erhöhung des Gewinnfreibetrags sowie mit der Senkung der Körperschaftssteuer und der Tarifstufen in der Lohn- und Einkommenssteuer wurden langjährige Kammer-Forderungen aufgegriffen, sagte Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer. Der Wirtschaftsbund sprach von einem „fairen Mix für einen starken Standort“ sowie einer „Entlastung der Betriebe und Klimaschutz mit Hausverstand“. Die Industriellenvereinigung betonte, es seien „notwendige Schritte in Richtung Entlastung“ gesetzt worden. Mit der schrittweisen Senkung der Körperschaftssteuer auf 23 Prozent bewege sich Österreich in Richtung EU-Durchschnitt und stärke damit den Standort.