Ein Blatt hängt über einen mit Öl verschmutzten Fluss in Ecuador
Reuters/Guillermo Granja
„Toxic Tours“

Rundfahrt durch den zerstörten Regenwald

Mit seinen großen Flächen tropischen Regenwaldes, Vulkanen und den Galapagos-Inseln zieht Ecuador besonders naturinteressierte Touristinnen und Touristen an. Aber auch die Schattenseiten sollen nicht verborgen bleiben: Auf „Toxic Tours“ (giftigen Rundfahrten) können nun die von der Erdölindustrie zerstörten Landstriche erkundet werden.

Wie in den meisten Entwicklungsländern wurde auch in Ecuador in der Vergangenheit meist den wirtschaftlichen Interessen der Vorrang vor Umweltschutz gegeben. Seit Jahrzehnten beuten Ölkonzerne Teile des ecuadorianischen Amazonas-Gebiets aus – Rohöl macht die Hälfte der ecuadorianischen Exporte aus – jedoch mit gravierenden Folgen für Umwelt und die Gesundheit der örtlichen Bevölkerung.

So hat der Konzern Texaco (später Chevron) im Zeitraum von 1964 bis 1992 durch unsachgemäße Förderung bei mangelnden Umweltauflagen und fehlenden Kontrollen die Region Sucumbios im Norden des Landes irreparabel verseucht. Laut der örtlichen NGO Union de Afectados y Afectadas por las Operaciones Petroleras de Texaco (UDAPT, Vereinigung der Betroffenen der Erdölaktivitäten von Texaco), gelangten rund 64 Milliarden Liter giftiger Flüssigkeiten und 650.000 Barrel Rohöl in Gewässer und Wälder.

„Tschernobyl des Amazonas“

Auch 900 Müllhalden mit toxischen Stoffen, die die Böden verseuchen, gehören zur Hinterlassenschaft der Ausbeutung der Ölvorkommen durch Texaco. Als Kollateralschäden hatte die Ölförderung außerdem die Entwaldung durch den Bau von Straßen, Depots, Förderanlagen und Pipelines zur Folge. Die Besiedlung und Umwandlung von Waldflächen in landwirtschaftliche Nutzflächen entlang der Transportstraßen taten ein Übriges.

Reste einer von Texaco verlassenen Ölquelle in Ecuador
APA/AFP/Pablo Cozzaglio
Texaco hinterließ Hunderte mit öligen Rückständen gefüllte, ungesicherte Produktionsgruben

4.800 Quadratkilometer Regenwald wurden laut Schätzung unwiederbringlich zerstört. Das Gebiet wird auch „Tschernobyl des Amazonas“ genannt. Auch die Luft blieb und bleibt nicht verschont, denn 1992 übernahm der staatliche Konzern Petroecuador von Texaco die rund 1.000 Ölquellen und beutet sie seither aus. Bis heute ist der Dschungel von Sucumbios voll von „Mecheros“ (Feuerzeugen), riesigen Schloten, die die Abgase der Förderung verbrennen.

So leidet die örtliche Bevölkerung nicht nur unter dem Verlust ihres Lebensraums, sondern auch unter verschiedensten Gesundheitsfolgen wie einem markanten Ansteigen der Krebsrate. Seit Jahren kämpft sie daher um eine Entschädigung. Eine zentrale Rolle im Kampf gegen den multinationalen Konzern spielt dabei der Rechtsanwalt Pablo Fajardo, der die Aktivitäten der UDAPT koordiniert und die Anliegen der Opfer im jahrelangen Rechtsstreitigkeiten mit Texaco vertritt.

Jahrzehntelanger Rechtsstreit

1993 verklagten 30.000 ecuadorianische Bürgerinnen und Bürger den Konzern. 1995 zahlte Texaco zwar 40 Millionen Dollar zur Beseitigung der größten Umweltschäden, die Klage wurde jedoch aufrechterhalten, da die Klägerinnen und Kläger die Zahlung für völlig unzureichend hielten. Zudem seien die Folgen für die Gesundheit der Bevölkerung unberücksichtigt geblieben.

Umweltaktivist zeigt mit ÖL verschmutzte Hand
APA/AFP/Rodrigo Buendia
Wer sich auf eine „Toxic Tour“ begibt, kann die Umweltverschmutzung hautnah erleben

2013 verurteilte ein ecuadorianisches Gericht den Texaco-Rechtsnachfolger Chevron zu 8,65 Milliarden US-Dollar Schadenersatz. Chevron weigerte sich jedoch zu zahlen und strengte ein Schiedsgericht in den USA an, das zugunsten des Konzerns entschied. 2017 wurde die Berufung vom Obersten Gerichtshof der USA abgewiesen, 2018 erklärte der Ständige Schiedshof in Den Haag das ecuadorianische Urteil für ungültig.

Es bestätigte den Einwand von Chevron, das Urteil sei durch ein „bestechliches ecuadorianisches Justizsystem“ erfolgt. Zusätzlich verstoße das Urteil gegen ein Investitionsschutzabkommen von Ecuador mit den USA. Trotzdem hoffen die von der Umweltkatastrophe Betroffenen weiter auf Hilfe. Mit einer ungewöhnlichen Aktion wollen sie nun Aufmerksamkeit erregen und das Bewusstsein für die Umweltkatastrophe in ihrer Heimat schärfen.

Rundfahrt durch zerstörte Landstriche

So rief UDAPT mit der „Toxic Tour“ einen Tourismus der anderen Art ins Leben. Die Tour besteht aus einer Rundfahrt durch die zerstörten Landschaften der Region und ermöglicht es Besucherinnen und Besuchern, die am stärksten verschmutzten Förderstandorte, zahlreiche Oberflächenquellen von Rohöl und „Mecheros“ zu sehen.

Mit Öl verschmutzer Fluss in Ecuador
APA/AFP/Rodrigo Buendia
Die Folgen der Erdölförderung sind zum Teil dramatisch

Mehr als 700 solcher „Toxic Tours“ wurden bereits organisiert. Wie es in einer Reportage der italienischen Tageszeitung „Repubblica“ darüber heißt, würden sie vor allem von Aktivisten, Journalisten, Fotografen und Dokumentarfilmemacher gebucht, aber auch Reisende anziehen, die sich schlicht ein anderes Bild abseits der Naturschönheiten Ecuadors machen wollen.

Bangen um Erfolg

Schon einmal hatte das Land mit einer ungewöhnlichen Idee Schlagzeilen gemacht. 2007 erklärte sich die ecuadorianische Regierung bereit, auf die Erdölförderung in dem von der UNESCO zum Biosphärenreservat erklärten Nationalpark Yasuni im Nordosten des Landes zu verzichten, wenn sie die Hälfte des zu erwartenden Gewinnes von der Staatengemeinschaft für den Waldschutz bekäme.

Hand mit Öl
Getty Images/Moment RF/Mark A Paulda
Ecuador ist geprägt von großen Flächen tropischen Regenwaldes

Der als Yasuni-ITT-Initiative bekanntgewordene Vorschlag scheiterte allerdings – trotz des weltweiten Zuspruchs von Umweltschützern und Menschenrechtlern. Denn es kam nicht einmal ein Bruchteil des Ausgleichsbetrages zusammen. Daraufhin beschloss das Parlament 2013, begrenzte Ölbohrungen unter Auflagen in dem Gebiet zu erlauben. Der Streit ist bis heute ungelöst, es drohen weitere großräumige Eingriffe in das sensible Ökosystem. Ob den „Toxic Tours“ mehr Erfolg beschieden sein wird, bleibt abzuwarten.