Wenn man nur noch Schwarz-Weiß-Bilder verlorener Gemälde besitzt, dann kann man sich zwar eine ungefähre Vorstellung von Dimension und Machart dieser Kunstwerke machen. Aber eine direktere Vorstellung davon fehlt. Im Zuge des großen Projekts „Klimt vs. Klimt“ des Google Arts and Culture Department hat man nun 124 kuratierte Onlineausstellungen zum Leben und Werk des österreichischen Malers Gustav Klimt organisiert: von historischen Darstellungen, Präsentationen der Bilder Klimts in einer Virtual-Reality-Galerie bis hin zur Rekonstruktionsarbeit an den Fakultätsbildern für die Universität Wien, an denen Klimt zur Jahrhundertwende mitgewirkt hat.
Diese Bilder Klimts sind anders als etwa seine Arbeit im Vestibül des Burgtheaters zentral für die weitere Ausrichtung des Künstlers, bricht er doch von der historischen Malerei auf zu dem für ihn so typischen Symbolismus. Was damals anstößig war und für einige Aufregung gesorgt hat, ist mittlerweile ein Magnet mit großer Anziehung.

Stella Rollig: Bekenntnis zu Open Content Policy
„Die Werke Klimts bringen uns Gäste von Island bis Südkorea“, sagte Belvedere-Chefin Stella Rollig am Donnerstag bei der Präsentation in Wien und unterstrich dabei die geradezu ikonische Bedeutung, die bestimmte Arbeiten Klimts nicht nur für ihr Museum, sondern für die österreichische Kultur haben. „Wir glauben an und bekennen uns zur Kultur des Sharing und einer Open Content Policy“, sagte Rollig, die ihrem Team um Florian Waitzbauer und Lucia Beck für die Mitarbeit am digitalen Klimt-Projekt dankte.

Klimt-Experte Franz Smola aus dem Belvedere und Emil Wallner, ein ausgewiesener Crack in der Kolorierung von Schwarz-Weiß-Bildern, haben sich im Rahmen dieses Projekts die Fakultätsbilder von Klimt vorgenommen, die ja nie dauerhaft an den Decken der Universität Wien präsentiert wurden, sondern rasch in Privatbesitz gekommen waren und bei einem Feuer im Kunstdepot auf Schloss Immendorf zu Kriegsende verbrannt waren.

„Wir sagen nicht, so haben die Bilder ausgesehen, aber wir machen den Zugang deutlich, wie wir wieder Farbe in die Bilder gebracht haben“, erläutert Smola. Wichtig sei die Expertise von Wallner gewesen – und das Heranziehen vieler Parameter, wie man um 1900 Farbigkeit hergestellt habe. Externe Quellen und Beschreibungen seien dabei ebenso wichtig gewesen bei den Parametern, mit denen man die Maschine quasi gefüttert habe. „Ich bin mir sicher, dass wir sehr nah dran sind“, sagte Smola und schwärmte, wie man gemeinsam mit Google das damalige Grün Klimts zum Leben erweckt habe. „Wir wollen die Bilder nicht nachmalen. Es geht um das Medium der Fotografie. Und die Fotografie abstrahiert vom realen Werk“, so der Experte, der in der Rekonstruktionsarbeit im Wesentlichen auch einen Hebel für die Kunstgeschichte sieht.
Bewältigung großer Datenmengen
Für Google ist das Projekt Arts and Culture ein spezieller Anwendungsfall der eigenen digitalen Präsentationsmöglichkeiten, wie man sie ja etwa auch aus der Streetview-Welt kennt. Unglaubliche Mengen von Daten müssen gestemmt werden, etwa bei den detaillierten Gigapixelversionen, die man für die Präsentation von den Klimt-Arbeiten im Burgtheater herangezogen hat. Simon Rein von Google Arts and Culture erklärte auf Nachfrage von ORF.at, dass man die Dimensionen der Datengröße schlecht beziffern könne – aber schon ein Gigapixelbild bewege sich in der Größe mehrerer Gigabytes. „Entscheidend ist, dass wir beim Ranzoomen in Details vom Bild immer nur die Spur zum Ziel nachladen, nicht etwa das ganze Bild“, erklärt er. Das spare Ressourcen.
Für Google Österreich, so sagte die Österreich-Chefin Christine Antlanger-Winter, sei Google Arts and Culture vor allem ein Commitment zur zentralen Stellung, die Kunst im gesellschaftlichen und damit auch digitalen Leben einnehme.

Die umstrittenen Bilder für die Wiener Uni
Die Klimt-Bilder, die man heute an der Decke des Festsaals des Heinrich-von- Ferstel-Baus der Wiener Universität sehen kann, sind Reproduktionen. 1894 hatten ja die Maler Franz Matsch und Gustav Klimt den Auftrag vom Unterrichtsministerium zur Ausgestaltung der Deckengemälde im großen Festsaal der Universität bekommen. Beide Künstler waren zu dieser Zeit für die Umsetzung von Deckenbildern in Wien, Reichenberg, Karlsbad oder Fiume (Rijeka) hoch im Ansehen.
Geplant war ein zentrales Bild von Matsch, das von vier kleineren Bildern mit allegorischen Darstellungen der Fakultäten ergänzt werden sollte. Matsch sollte das Fakultätsbild Theologie übernehmen, Klimt die drei anderen Fakultäten (Philosophie, Medizin, Jurisprudenz).
Für die Gewölberundungen waren zwölf „Zwickelbilder“ geplant, die Personifikationen der Wissenschaften darstellen sollten. Klimt und Matsch hatten den Auftrag zu je sechs Bildern dazu. Klimts erste Fassung seines Bildes zur Philosophie, das im Rahmen des 7. Salons der Secession präsentiert wurde, zeigte einen neuen, für die damalige Zeit offenbar zu radikalen Symbolismus. Tabuisierte Themen wie Krankheit und Verfall mischten sich mit in die Darstellung und zeigen heute, wie sehr etwa auch die bildende Kunst den Boden für Disziplinen wie die Psychoanalyse bereitet haben.