Helikopter mit einer Taiwan Flagge über der Hauptstadt Taipei.
Reuters/Ann Wang
USA und China

Taiwan als Spielball der Großmächte

Der Konflikt zwischen Taiwan und China, das den Inselstaat als Teil seines Staatsgebietes betrachtet, weitet sich aus. Während China in jüngster Zeit mit immer mehr Kampfjets den Luftraum Taiwans verletzte, trainieren laut Medienberichten seit geraumer Zeit US-Spezialkräfte taiwanische Soldaten. Taiwan wird durch die jüngsten Entwicklungen zunehmend zum Spielball bzw. Unterpfand der beiden Großmächte in einem weitaus größeren Konflikt.

Laut „Wall Street Journal“ („WSJ“) bilden US-Spezialkräfte heimlich Truppen in Taiwan aus. Wie die Zeitung am Donnerstag unter Berufung auf ungenannte US-Regierungsbeamte berichtete, sollen rund zwei Dutzend US-Ausbildner „seit mehr als einem Jahr“ taiwanische Armee- und Marineangehörige trainieren. Der Bericht könnte die militärischen Spannungen zwischen China einerseits und Taiwan und den USA andererseits weiter anheizen.

Taiwans Verteidigungsministerium wollte den Bericht nicht kommentieren. Das US-Verteidigungsministerium stritt die Informationen nicht ab, wollte sie aber auch nicht bestätigen. Ministeriumssprecher John Supple sagte: „Unsere Unterstützung und unsere Verteidigungsbeziehungen mit Taiwan bleiben auf die aktuelle Bedrohung durch die Volksrepublik China ausgerichtet.“

Soldaten aus Taiwan bei einer Übung.
APA/AFP/Sam Yeh
Taiwanische Sondereinheit bei einer Übung im Jahr 2017

China lässt die Muskeln spielen

Bereits vor einem Jahr hatte die taiwanische Presse unter Berufung auf das Marinekommando der Inselregierung berichtet, dass Marinesoldaten und Spezialkräfte der USA in Taiwan eingetroffen seien, um die Streitkräfte zu schulen. Diese Berichte wurden allerdings später von den taiwanischen und US-Behörden dementiert.

China verstärkte derweil die Flüge in Taiwans Identifikationszone zur Luftabwehr (ADIZ). Nach zehn Flügen dieser Art im Jahr 2019 stieg die Zahl im vergangenen Jahr auf 380. Seit Anfang dieses Jahres waren es bereits 600 – mit einer starken Zunahme seit dem chinesischen Nationalfeiertag am Freitag letzter Woche.

Allein innerhalb von vier Tagen sollen laut taiwanischen Angaben rund 150 chinesische Militärflugzeuge in Taiwans ADIZ eingedrungen sein. Unter den Militärflugzeugen waren laut taiwanischen Angaben Kampfjets, Bomber, Transportmaschinen und Frühwarnflugzeuge.

Zwei Kampfjets des chinesischen Militärs beim Start.
AP/Xinhua/Jin Danhua
Zwei chinesische Su-30-Kampfjets beim Start

Xi warnt vor „bösem Ende“

Bei einer Feier in der Großen Halle des Volkes zum 110. Jahrestag der Revolution rief Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping am Samstag zu einer „Wiedervereinigung“ auf. Eine Vereinigung mit „friedlichen Mitteln“ diene am besten den Interessen der gesamten chinesischen Nation.

„Die Landsleute auf beiden Seiten der Taiwanstraße sollten auf der richtigen Seite der Geschichte stehen und sich zusammenschließen, um die völlige Wiedervereinigung und Erneuerung der chinesischen Nation zu erreichen“, zitierte ihn die Nachrichtenagentur Xinhua. Mit Blick auf den Unabhängigkeitswillen des heute demokratischen Taiwans sagte Xi: „Jene, die ihr Erbe vergessen, ihr Vaterland verraten und versuchen, das Land zu spalten, werden ein böses Ende nehmen.“

Taiwan wies Xis Aufruf zurück. Die demokratische Inselrepublik sei ein „souveränes und unabhängiges Land und nicht Teil der Volksrepublik China“. Die Zukunft des Landes liege in den Händen des taiwanischen Volkes.

Peking vs. Washington

Die militärischen Spannungen zwischen Peking und der taiwanischen Hauptstadt Taipeh hatten in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Peking sieht Taiwan, das sich 1949 von China abgespaltet hatte, als abtrünnige Provinz, die wieder mit dem Festland vereinigt werden soll – notfalls mit militärischer Gewalt. China isoliert Taiwan auch politisch.

Die USA sind der wichtigste Verbündete Taiwans und haben ihre Waffenlieferungen in den vergangenen Jahren verstärkt. US-Kriegsschiffe durchqueren im Zuge militärischer Übungen immer wieder die Straße von Taiwan, was zu Verärgerung in China führt. Die USA unterhalten aber wie viele andere Staaten mit Rücksicht auf die Volksrepublik keine formalen diplomatischen Beziehungen zu Taiwan.

Gegenseitige Kritik und Vorwürfe

Mit den Provokationen im Luftraum nahe Taiwan untermauert China seinen Herrschaftsanspruch über den Staat. Peking sieht die Flüge als Warnung an Taiwan und die USA. Die Sprecherin des chinesischen Außenministeriums, Hua Chunying, sagte, die USA sollten aufhören, die Unabhängigkeitskräfte in Taiwan zu unterstützen. Die USA kritisierten indes mit scharfen Worten das wiederholte Eindringen chinesischer Kampfflugzeuge in den Verteidigungsluftraum Taiwans.

Peking wiederum reagierte mit Kritik auf ein Atom-U-Boot-Geschäft zwischen den USA, Großbritannien und Australien, das eine Reaktion auf Chinas Ambitionen im Indopazifik ist. Für Streit sorgt auch Chinas Umgang mit der muslimischen Minderheit der Uiguren und mit der Sonderverwaltungszone Hongkong.

Furcht vor Invasion wächst

China sei bereits in der Lage, in Taiwan einzumarschieren, sagte Verteidigungsminister Chiu Kuo-cheng am Mittwoch im Parlament in Taipeh. Die Volksrepublik könne auch bis 2025 eine „große Invasion“ starten. Die Furcht vor einer Invasion wächst, aber auch vor kleineren Zwischenfällen mit großen Konsequenzen. Laut Chiu besteht nämlich auch die Gefahr, dass es über der Straße von Taiwan, einer wichtigen Schifffahrtsroute, zu einem versehentlich ausgelösten Beschuss komme.

Die USS Connecticut  nach dem Zusammenstoß mit einem unbekannten Objekt.
APA/AFP/Lt. Mack Jamieson
Die „USS Connecticut“ bei einer Ausfahrt, sie soll laut US-Marine mit einem unbekannten Objekt zusammengestoßen sein

Mysteriöser Zwischenfall mit US-Atom-U-Boot

Für zusätzliche Aufregung sorgte der Zusammenstoß eines US-Atom-U-Bootes im Indopazifik mit einem unbekannten Gegenstand unter Wasser, wie jetzt bekanntwurde. Die Kollision habe sich bereits am Samstag in internationalen Gewässern ereignet, teilte die Marine mit. Angaben zum genauen Ort des Zusammenstoßes machte sie nicht.

Laut US-Medien soll sich der Zwischenfall im Südchinesischen Meer, ebender Konfliktzone zwischen China und den USA, ereignet haben. Ursache des Zusammenstoßes könnte ein versunkenes Schiff oder ein Container gewesen sein. Das Boot solle nun auf dem US-Marinestützpunkt Guam inspiziert werden.

China kritisiert USA harsch

China zeigte sich unterdessen „sehr besorgt“ über den Unfall. Der Sprecher des Außenministeriums, Zhao Lijian, forderte die USA am Freitag auf, den genauen Ort und Details des Zwischenfalls sowie den Zweck der Fahrt offenzulegen. Auch müsse geklärt werden, ob es ein nukleares Leck gegeben habe und die Umwelt geschädigt worden sei.

Der Sprecher übte harsche Kritik an den USA, die im Südchinesischen Meer unter dem Banner der freien Schifffahrt „Wellen machen“. „Das ist die Ursache dieses Zwischenfalls.“ Die USA gefährdeten Frieden und Stabilität in der Region. Er warf den USA auch vor, den Unfall zu vertuschen und nicht transparent zu agieren. Der Zwischenfall zeige auch, dass der geplante Verkauf von Atom-U-Booten durch die USA an Australien die regionalen Sicherheitsrisiken verstärken dürfte.

China beansprucht einen Großteil des Südchinesischen Meeres zwischen China, Vietnam, Malaysia und den Philippinen. Der internationale Schiedsgerichtshof in Den Haag wies 2016 die Ansprüche Chinas zurück, was Peking ignoriert. Mit dem Einsatz von Marineschiffen treten die USA in dem Gebiet laut eigenen Angaben demonstrativ für die Freiheit der Seeschifffahrt ein, was für Spannungen mit Peking sorgt.