Parteizentrale der ÖVP in der Lichtenfelsgasse
ORF.at/Roland Winkler
ÖVP-Affäre

Rechnungshof prüft Umfragen und Studien

Auch der Rechnungshof (RH) wird in der Causa ÖVP aktiv: Die Behörde hat eine Prüfung der inkriminierten Umfragen und Inserate in die Wege geleitet – zumindest für das Jahr 2019. Das teilte ein Sprecher am Freitag via Twitter mit. Das Finanzministerium muss nun neben den Studien und Umfragen auch die Belege dafür liefern.

Dass man sich derzeit auf das Jahr 2019 beschränkt, hat mit der Kontrolle des ÖVP-Rechenschaftsberichts für das betreffende Jahr zu tun. Diese Prüfung sei derzeit in vollem Gange, hieß es. „Eine seriöse Einschätzung, wann diese beendet werden kann, ist derzeit nicht möglich. Die ÖVP hat gegenüber dem Rechnungshof erklärt, dass die Wahlkampfkostengrenze eingehalten worden ist“, teilte der Sprecher mit.

Da die Prüfung noch nicht abgeschlossen ist, kann man nun auch aktuelle Entwicklungen berücksichtigen. „In den vergangenen Tagen sind Verdachtslagen bekanntgeworden, die – wenn sie tatsächlich so stattgefunden haben und, wenn ja, 2019 so fortgesetzt worden sind – Auswirkungen auf die Kontrolle des Rechenschaftsberichts 2019 der ÖVP haben könnten“, wird im Tweet erläutert.

Fokus auf Rolle des Finanzministeriums

Im Fokus stehe die Rolle des Finanzministeriums: „Dem Rechnungshof sind sämtliche Umfragen und Studien samt Originalbelege vorzulegen, die 2019 vom Ministerium bezahlt wurden. Weiters sämtliche entgeltliche Einschaltungen in der Mediengruppe ,Österreich’ samt Originalbelegen, die 2019 vom Ministerium bezahlt wurden.“

Weiters teilte der Rechnungshof mit, dass ohnehin geplant war, die Ministerien näher unter die Lupe zu nehmen. „Schon vor Bekanntwerden aktueller Ereignisse sah unsere Planung eine Prüfung zum Thema ‚Kostentransparenz bei Öffentlichkeitsarbeit in Ministerien‘ vor.“ Diese Prüfung werde stattfinden, wurde betont.

Unabhängig davon stehen die Kontrollergebnisse weiterer Rechenschaftsberichte bereits demnächst ins Haus, wie der Rechnungshof mitteilte. Jener zur SPÖ wird in der kommenden Woche veröffentlicht, der Bericht zur FPÖ im November.

Nationalrat soll Kurz „ausliefern“

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) geht gegen Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und neun weitere Personen, teils aus seinem engsten Umfeld, wegen des Verdachts der Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit vor. Umfragen sollen zugunsten der ÖVP frisiert und mittels Scheinrechnungen vom Ministerium bezahlt worden sein, lautet der Vorwurf. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Kurz wurde am Donnerstag als Abgeordneter angelobt, nun ist er laut Informationen der APA schon mit einem „Auslieferungsantrag“ der WKStA konfrontiert – ein Schritt, der nicht unerwartet kommt: Formal wird der Nationalrat ersucht, dass die Ermittlungen gegen den nunmehrigen ÖVP-Klubobmann fortgesetzt werden können.

ÖVP „unterstützt“ Begehren

Aus dem ÖVP-Klub hieß es dazu Donnerstagabend, dass man das Begehren nicht nur unterstütze, sondern auch froh darüber sei, dass dieses so rasch eingebracht wurde. Dadurch werde es zügig die Möglichkeit geben, die Vorwürfe gegen Kurz zu widerlegen. Die Erlaubnis zur Fortsetzung der Ermittlungen wird wohl schon in einer der kommenden Plenarsitzungen gegeben werden, da Kurz zum Zeitpunkt der Vorwürfe kein Abgeordneter war und damit kein Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Mandatar bestehen kann.

Auslieferungsantrag gegen Kurz

Kaum angelobt, ist Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) schon mit einem „Auslieferungsantrag“ der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) konfrontiert. Formal wird der Nationalrat ersucht, dass die Ermittlungen gegen den nunmehrigen ÖVP-Klubobmann fortgesetzt werden können.

Geht es nach den Usancen des Parlaments, dürfte Kurz nach dem Ersuchen der WKStA zur behördlichen Verfolgung im Zusammenhang mit der Inseratenaffäre im November ausgeliefert werden, sofern es bis dahin zu keiner Sondersitzung kommt. Die nächste Plenarsitzung ist für den 16. November angesetzt. Usus ist, dass der Immunitätsausschuss unmittelbar davor zusammenkommt. Jedenfalls muss bei Auslieferungsbegehren innerhalb einer Frist von acht Wochen eine Entscheidung des Nationalrates getroffen werden.

Durch Kurz’ Angelobung und die damit verbundene Immunität muss die WKStA nun jene Ermittlungsstränge in ihren Causen ruhen lassen, die die Person des Ex-Kanzlers persönlich betreffen, wie Experten auf APA-Anfrage sagten.

Ermittelt wird gegen den früheren Regierungschef und neun weitere Personen aus seinem engsten Umfeld wegen Untreue und Bestechlichkeit und Bestechung in der neuen Inseratenaffäre. Dazu gibt es Ermittlungen wegen falscher Zeugenaussage im U-Ausschuss. Kurz bestreitet alle Vorwürfe vehement. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

ÖVP-Ethikrat: Chats widersprechen Verhaltenskodex

Der Ethikrat der ÖVP kritisierte indes die in den Chats bekanntgewordenen Aussagen von Parteiobmann Kurz. Das Gremium unter der Leitung der früheren steirischen Landeshauptfrau Waltraut Klasnic „stellt fest, dass die Wortwahl und der mangelnde Respekt in einigen der an die Öffentlichkeit gelangten Chats völlig unangemessen und abzulehnen ist und dem Verhaltenskodex widerspricht, auch wenn es sich nicht um öffentlich getätigte Äußerungen handelt“.

Gleichzeitig hält der Ethikrat in seinem der APA vorliegenden Beschluss fest, diese seien „ohne Beachtung von Datenschutz und Privatsphäre öffentlich gemacht. Vor allem wurden sie auch ohne Rücksicht auf sämtliche Begleitumstände und aus dem Zusammenhang gerissen öffentlich.“

Ethikrat „nimmt Entschuldigung zur Kenntnis“

„Der Ethikrat nimmt die dafür erfolgte Entschuldigung zur Kenntnis“, heißt es in der Erklärung. Kurz hatte zuletzt gesagt, dass er manche Formulierungen so nicht mehr verwenden würde und sie „bedauert“. Der Ethikrat erwartet, „dass ein derartiger Umgangston künftig nicht nur unterlassen wird, sondern dass vielmehr ein respektvoller Umgangston auch in der privaten Kommunikation von Funktionsträgerinnen gepflogen wird“.

Die in staatsanwaltschaftlicher Untersuchung befindlichen Sachverhalte kann der Ethikrat nach eigenen Angaben derzeit nicht beurteilen. „Diesbezüglich hat auch die Unschuldsvermutung zu gelten.“ Die weitere Entwicklung will der Ethikrat „aufmerksam beobachten und begleiten“.

Weitere Sanktionen, die theoretisch bis zu einem Parteiausschluss reichen könnten, hat der Ethikrat abseits der genannten Empfehlung, einen derartigen Umgangston zu unterlassen, nicht ausgesprochen.

Unter Spindelegger eingerichtet

Der Ethikrat der ÖVP war 2012 unter der Ägide des damaligen Obmannes Michael Spindelegger unter dem Vorsitz von Klasnic eingerichtet worden. Aufgabe des Ethikrates ist es, über die Einhaltung des Verhaltenskodex zu wachen, den die ÖVP für ihre Politikerinnen und Politiker beschlossen hat.