Frauen mit Mund-Nasen-Gesichtsmaske in einem öffentlichen Verkehrsmittel
picturedesk.com/Tass/Kirill Kukhmar
Impfrate

Russland in der CoV-Falle

Während die Zahlen der CoV-Infektionen und -Todesfälle in Russland stark steigen – fast täglich ist von neuen „Rekorden“ die Rede –, gelingt es der Regierung in Moskau weiterhin nicht, mehr Menschen zum Impfen zu bewegen. Die Besorgnis im Kreml ist groß, denn die Gründe für die Antiimpfstimmung sind zwar altbekannt, lassen sich jedoch nicht so leicht und einfach lösen. Russland ist in der CoV-Falle – am Samstag verzeichnete das Land erstmals mehr als 1.000 Tote binnen 24 Stunden.

Dabei hätte das Land eine gute Ausgangsposition im Kampf gegen das Virus gehabt. Bereits im August des letzten Jahres wurde der erste Impfstoff, „Sputnik V“, zwar nach nur klein ausgelegten zwei Testphasen zugelassen – weitaus schneller, als die Impfstoffe in der EU und in den USA zugelassen wurden.

Doch bereits hier begannen die Probleme: Der Impfstoff war wegen Produktionsproblemen dann erst mit Anfang 2021 in größeren Mengen verfügbar, wie etwa unlängst „CBS News“ berichtete. Die bekanntgewordenen Produktionsprobleme dämpften in der Bevölkerung allerdings offenbar auch den Willen zur Impfung.

Krankenwägen vor einem russischen Krankenhaus
AP/Alexander Zemlianichenko
Krankenwägen vor einem Spital nahe der russischen Hauptstadt Moskau

Nicht einmal ein Drittel geimpft

Die Impfquote wird offiziell mit rund 30 Prozent angegeben. Insgesamt verzeichnet Russland mit einer Bevölkerung von rund 144 Millionen Menschen weltweit die fünftmeisten Infektionen und die viertmeisten CoV-Todesfälle. Rund 7,8 Millionen Menschen haben sich nachweislich mit dem Virus angesteckt, fast 220.000 Menschen starben, wie man dem Dashboard der Johns-Hopkins-Universität entnehmen kann.

Erst Ende September teilte Gesundheitsminister Michail Muraschko mit, die dritte und letzte Phase bei den Tests von „Sputnik V“ sei nun abgeschlossen. Doch auch dieses Signal machte sich so gut wie nicht in der russischen Impfquote bemerkbar. Die dritte Testphase ist auch für eine mögliche Zulassung durch die Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) wichtig.

Misstrauen und schlechte Kommunikation

Auch mit dem Ende der Knappheit des Impstoffes zog die Impfquote nicht an. Selbst als die Spitäler im ganzen Land ausreichend „Sputnik V“-Dosen bekamen und es für so gut wie jeden und jede möglich war, sich impfen zu lassen, blieb die Impfquote weit unter den Erwartungen des Kremls zurück. Das Misstrauen der Russen und Russinnen gegen den Impfstoff ist groß. Es herrscht unter anderem deswegen, weil viele glauben, dass der Impfstoff zu schnell genehmigt wurde. Als ein weiterer Grund wird die schlechte Kommunikation gewertet, so „CBS News“. Die Bevölkerung fühlt sich offenbar nicht ausreichend und richtig informiert.

Russlands Präsident Wladimir Putin
Reuters/Sputnik
Der russische Präsident Wladimir Putin setzt auf russische Impfstoffe

Kreml besteht auf russischen Impfstoffen

Und hier beginnt auch offenbar der Teufelskreis: Die russischen Behörden sehen den Hauptgrund für die hohen Todes- und Infektionszahlen vor allem in der geringen Bereitschaft der Bevölkerung, sich impfen zu lassen. Wie die Impfbereitschaft allerdings erhöht werden soll, steht in den Sternen. Möglich wäre neben Kampagnen und Ähnlichem, auch auf andere, etwa in der EU anerkannte, Impfstoffe zu setzen. Doch westliche Impfstoffe wie die von Moderna sowie Biontech und Pfizer, die international die größte Verbreitung haben, sind in Russland nicht zugelassen.

Die russische Führung besteht darauf, dass sich die Menschen das von Moskauer Forschern entwickelte Vakzin „Sputnik V“ oder andere der insgesamt fünf eigenen Impfstoffe verabreichen lassen. „Sputnik V“ wird zwar von rund 70 Ländern als Impfstoff anerkannt, nicht aber von der Europäischen Union und den USA.

Alarmglocken schrillen im Kreml

Die geringe Impfquote und die steigenden Zahlen lassen seit geraumer Zeit im Kreml die Alarmglocken schrillen. „Die Zahlen sind sehr schlecht, und tatsächlich löst das Besorgnis aus“, sagte etwa Putins Sprecher Dmitri Peskow letzte Woche. Laut der stellvertretenden Premierministerin Tatjana Golikowa ist die Zahl der Infektionen mit Ende des Sommers rasant gestiegen. Seit Anfang September hat sie sich mehr als verdreifacht, so Golikowa.

Im Sommer war es allerdings gelungen, die Impfquote zu erhöhen, das wurde aber nicht mit Freiwilligkeit erreicht. Für bestimmte Gruppen, einschließlich Dienstleistungs- und Einzelhandelsangestellten, wurden Impfungen verpflichtend. In Moskau wurden etwa für einige Wochen strengere CoV-Regeln angewandt. Seit diese aber wieder beendet wurden, erlahmte auch die Impfkampagne wieder. Nun sollen an diversen Orten wie etwa Einkaufszentren kostenfreie Schnelltests zur Verfügung gestellt werden, um neue CoV-Einschränkungen zu verhindern.

Beamte schlugen jetzt wieder verschiedene Möglichkeiten vor, um mehr Menschen zum Impfen zu bewegen: von Autoverlosungen bis hin zur obligatorischen Impfung für Studenten und andere Gruppen. Der Erfolg lässt allerdings weiterhin auf sich warten.