Straße im Zentrum der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince
AP/Rodrigo Abd
Chaos und Gewalt

17 US-Missionare in Haiti entführt

In Haiti haben sich am Sonntag Medienberichte über die Entführung von bis zu 17 US-Missionaren und deren Familienmitgliedern bestätigt. Die Gruppe sei in einem Vorort der Hauptstadt Port-au-Prince von einer bewaffneten Bande verschleppt worden, hieß es. Der Karibik-Staat Haiti versinkt seit Jahren in Chaos und Gewalt. Zuletzt hat sich die Lage noch einmal drastisch verschärft.

Die US-amerikanischen Staatsbürger und Staatsbürgerinnen, aber auch mehrere Einheimische seien am Samstag von Mitgliedern der „400 Mawazo“, einer von Dutzenden in der Hauptstadt marodierenden Gangs, überfallen worden, berichteten mehrere internationale Medien am Sonntag.

Sie seien gerade per Bus auf dem Weg zum Flughafen von Port-au-Prince gewesen, wo einige Mitglieder der Gruppe aussteigen, andere noch in einen anderen Landesteil weiterfahren hätten wollen, berichtete die „New York Times“. Zuvor hätten die christlichen Missionare und ihr Familien ein Waisenhaus etwa 30 Kilometer östlich der Hauptstadt besucht.

Zahl der Entführungen seit Juli um 300 Prozent gestiegen

Unter den Entführten befänden sich auch Kinder bzw. Minderjährige, berichtete der US-TV-Sender unter Berufung auf die haitianischen Sicherheitsbehörden. Es handle sich bei ihnen um Mitglieder einer religiösen Organisation mit Sitz im US-Bundesstaat Ohio, der Christian Aid Ministries. Einige von ihnen seien das erste Mal in Haiti gewesen. Über eine mögliche Lösegeldforderung lagen keine Informationen vor.

Aus dem US-Außenministerium hieß es in einer Stellungnahme knapp: „Das Wohlergehen und die Sicherheit amerikanischer Staatsbürger ist eine unserer obersten Prioritäten im Außenministerium.“ Polizei und Justiz in Haiti äußerten sich laut CNN nicht zu dem Fall. Laut CNN ist die Zahl der – bekannten – Entführungen in Haiti seit Juli um etwa 300 Prozent gestiegen.

Gangs kontrollieren die Hauptstadt

Seit Jänner seien es zumindest 628 Fälle gewesen, unter ihnen 29 entführte Ausländer bzw. Ausländerinnen, berichtete der Sender Sonntagvormittag unter Berufung auf die Menschenrechtsorganisation Center for Analysis and Research in Human Rights (CARDH) mit Sitz in Port-au-Prince. Häufig werden Lösegelder in Millionenhöhe gefordert, Frauen werden regelmäßig Opfer sexueller Gewalt.

Straßenszene in der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince
Reuters/Ricardo Arduengo
In Teilen der Hauptstadt Port-au-Prince haben bewaffnete Gangs wie die „400 Mawazo“ die Macht übernommen

Erst im April waren in derselben Region zehn Menschen, darunter zwei französische Ordensleute, von der gleichen Bande entführt worden. Bewaffnete Gruppen kontrollieren – mangels einer präsenten Staatsmacht und intakter Sicherheitsstrukturen – seit Jahren die ärmsten Viertel der haitianischen Hauptstadt und haben ihre Macht auch auf die Umgebung ausgedehnt.

Katastrophen und Gewalt

Haiti liegt auf der Karibik-Insel Hispaniola, die zu den Großen Antillen gehört. Nachbarstaat auf der Insel ist die Dominikanische Republik. Haiti nimmt auf dem Human Development Index, dem Entwicklungsindex der UNO, ex aequo mit dem Sudan Rang 170 von 189 ein. Österreich liegt auf Platz 18.

Der Inselstaat befindet sich derzeit in einer tiefen politischen und wirtschaftlichen Krise. Im Juli war in dem von großer Armut geprägten Karibik-Staat Präsident Jovenel Moise ermordet worden. Im August erschütterte ein schweres Erdbeben den Südwesten des Landes. Dabei wurden 130.000 Häuser zerstört, mehr als 2.200 Menschen starben. 2010 starben beim weltweit bisher verheerendsten Erdbeben des 21. Jahrhunderts in Haiti nach Schätzungen über 300.000 Menschen. Eine genaue Zahl konnte nicht mehr erhoben werden.