Der ungarische Kandidat der Opposition, Peter Marki-Zay
Reuters/Bernadett Szabo
Vorwahl in Ungarn

Außenseiter wird Orban-Herausforderer

In Ungarn wird der konservative Außenseiter Peter Marki-Zay als Oppositionskandidat den rechtsnationalen Ministerpräsidenten Viktor Orban bei der Parlamentswahl 2022 herausfordern. Marki-Zay gewann am Sonntag die Vorwahl mit deutlichem Vorsprung. In ihm ruhen nun die Hoffnungen von gleich sechs Oppositionsparteien. Diese hatten sich zuvor zu einem breiten Bündnis zusammengeschlossen – mit dem Ziel, Orban nach mehr als einem Jahrzehnt an der Macht abzulösen.

Der parteilose Marki-Zay von der Bewegung „Ungarn gehört einem jeden“ kam auf 56,71 Prozent der Stimmen. Seine Kontrahentin, die Sozialdemokratin und Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Klara Dobrev von der Demokratischen Koalition (DK), kam auf etwa 43,29 Prozent, wie die Vorwahlkommission am Sonntagabend nach Auszählung aller Stimmen mitteilte.

Marki-Zay dankte am Abend vor seinen Anhängern in Budapest vor allem den jungen Wählern und Wählerinnen, die zu seinem Sieg beigetragen hätten. „Heute haben wir auch die Opposition ausgewechselt“, sagte Marki-Zay. Der Opposition könne es nur gemeinsam gelingen, Orban zu besiegen. „Der Ausweg ist weder rechts noch links, sondern nur aufwärts“, fügte er hinzu. Er sei sich mit Dobrev darin einig, dass der Zusammenhalt der Opposition nicht zerstörbar sei.

Der ungarische Kandidat der Opposition, Peter Marki-Zay
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Marki-Zay soll bei der Parlamentswahl gegen Orban antreten – die Oppositionsparteien stehen geschlossen hinter ihm

„Haben nur eine Schlacht gewonnen, nicht den Krieg“

Zugleich mahnte Marki-Zay: „Wir haben nur eine Schlacht gewonnen, nicht den Krieg.“ Orbans Regierungspartei FIDESZ werde nichts zu teuer sein, um ihn als Spitzenkandidaten bloßzustellen. Er bedankte sich auch bei der unterlegenen Kandidatin Dobrev.

Dobrev gratulierte und versprach, Marki-Zay mit voller Kraft im Parlamentswahlkampf zu unterstützen: „Ab heute werden wir uns nicht mehr miteinander befassen, sondern damit, wie das Sechsparteienbündnis bei der Parlamentswahl 2022 Orban bezwingen kann“, so Dobrev. Das sei die wichtigste gemeinsame Aufgabe.

Marki-Zay wird Orban-Herausforderer

In Ungarn wird der konservative Außenseiter Peter Marki-Zay als Oppositionskandidat den rechtsnationalen Ministerpräsidenten Viktor Orban bei der Parlamentswahl 2022 herausfordern. Marki-Zay gewann die Vorwahl mit deutlichem Vorsprung. Gleich sechs Oppositionsparteien hatten sich zuvor zu einem breiten Bündnis zusammengeschlossen – mit dem Ziel, Orban nach mehr als einem Jahrzehnt an der Macht abzulösen.

Rekordbeteiligung und Cyberangriff

Eine derartige Vorwahl fand in Ungarn zum ersten Mal statt. Die Abstimmung war von dem Zusammenschluss der sechs Parteien organisiert worden. Die sechs Oppositionsparteien sind im politischen Spektrum von links-grün bis rechtskonservativ zu verorten und galten bisher als zerstritten.

Laut Vorwahlkommission war die Wahlbeteiligung sehr hoch: Über 662.000 Wählerinnen und Wähler stimmten binnen sechs Tagen über den gemeinsamen Oppositionskandidaten ab. Ein Cyberangriff am Samstag hatte die Onlineabstimmung zeitweise gestoppt bzw. erschwert, berichtete das Onlineportal Hvg.hu am Sonntag.

Ehe mit Ex-Regierungschef als „Ausscheidungsgrund“

Umfragen im Vorfeld hatten keinen klaren Sieger prognostiziert. Ursprünglich war Marki-Zay als Außenseiter in die Vorwahl gegangen. In der ersten Wahlrunde der Vorwahl hatte Dobrev noch rund 35 Prozent der Stimmen erreicht, gefolgt vom grün-liberalen Budapester Bürgermeister Gergely Karacsony mit rund 27 Prozent und Marki-Zay an dritter Stelle mit 20 Prozent.

Karacsony hatte nach der ersten Runde zugunsten von Marki-Zay auf eine Teilnahme an der zweiten Wahlrunde verzichtet. Karacsony und Marki-Zay hatten immer wieder betont, mit Dobrev als Spitzenkandidatin könne Orban bei der Parlamentswahl nicht bezwungen werden. Als Grund wurde ihre Ehe mit dem umstrittenen Ex-Regierungschef Ferenc Gyurcsany genannt. Gyurcsany war von 2007 bis 2009 Ministerpräsident, trat dann jedoch wegen Korruptionsvorwürfen zurück. Nach wie vor steht er seit 2011 allerdings der DK vor.

Der ungarische Kandidatin der Opposition, Klara Dobrev
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Die Sozialdemokratin Dobrev ging als Siegerin aus der ersten Wahlrunde hervor – in der Stichwahl unterlag sie jedoch Marki-Zay

Marki-Zay als „ungarischer Trump“

Marki-Zay studierte Wirtschaft, Elektrotechnik und Geschichte. Er ist seit 2018 Bürgermeister in seiner Heimatstadt Hodmezovasarhely, einer früheren Hochburg der Regierungspartei FIDESZ, und gilt als ehemaliger Orban-Unterstützer. Der Katholik und siebenfache Vater könnte deshalb enttäuschte Orban-Wählerinen und -Wähler angezogen haben. Fachleute halten Marki-Zay unter anderem deswegen für einen schwierigen Gegner für Orban.

Zugleich spreche er die urbanen, eher linken Wähler der Großstädte an, da sich sein Konservativismus mit Weltoffenheit, Toleranz und Kompromissfähigkeit paare, so der Tenor. Marki-Zay kündigte bereits an, Gesetze von Orban rückgängig zu machen und den Euro in Ungarn einführen zu wollen.

Doch der 49-jährige Politiker ist nicht unumstritten. Der Politikwissenschaftler Zoltan Kiszelly etwa sieht ihn durchaus kritisch. Gegenüber der APA bezeichnete er den liberalkonservativen Kandidaten als „ungarischen Trump“. Er würde sich als Anti-Establishment-Kandidat präsentieren. Da er jedoch über keine eigene Partei verfüge, müsse er gezwungenermaßen mit den anderen Oppositionsparteien ein Bündnis schließen.

Eigene Marki-Zay-Liste für FIDESZ „gefährlich“

Es stelle sich dann die „Gretchenfrage“. Während Marki-Zay für eine Expertenregierung stimme, dränge vor allem die DK auf eine Politikerregierung. Würde Marki-Zay nach einem möglichen Sieg dieses Bündnis schließen – eben auch mit der DK des umstrittenen Ex-Ministerpräsidenten Gyurcsany –, würde FIDESZ ihn umgehend mit Gyurcsany gleichsetzen.

Zudem werde in Budapest „gemunkelt“, dass Marki-Zay das Oppositionsbündnis sprengen und sich mit der liberalen Partei Momentum sowie anderen ihn unterstützenden Parteien und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens eine eigene Liste, eine eigene Machtbasis schaffen wolle. Diese Konstellation wäre für FIDESZ weit gefährlicher, so Kiszelly.

Der ungarische Premier Viktor Orban
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Orban sieht sich erstmals seit 2010 an der Urne mit einer geeinten Opposition konfrontiert

Umfragen sehen gute Chancen

Orban wird bei der Wahl im Frühjahr bereits seit zwölf Jahren im Amt gewesen sein. Die Opposition wirft dem Premier einen autokratischen Führungsstil und Korruption vor. Seine Regierung steht auch in der EU seit Jahren wegen rechtsstaatlicher Verfehlungen in der Kritik. Orbans FIDESZ baute in den vergangenen Jahren zahlreiche Institutionen und Medien um, an den Schalthebeln der Macht sitzen seine Vertrauten.

Bisher war die Opposition nicht in der Lage, der übermächtigen Regierungspartei etwas entgegenzusetzen. Nun aber scheint sich eine Chance aufzutun. In Umfragen liegt das Oppositionsbündnis derzeit noch Kopf an Kopf mit FIDESZ. Schon bei den Kommunalwahlen 2019 schmiedeten die Oppositionsparteien auf lokaler Ebene Bündnisse. In der Folge verlor FIDESZ mehrere große Städte, darunter die Hauptstadt Budapest.