Positiver CoV-Test
Getty Images/Violetastoimenova
Mehr als 3.500 neue Fälle

Infektionskurve zeigt steil nach oben

Das CoV-Infektionsgeschehen gewinnt wieder an Dynamik. Erstmals seit dem Frühjahr wurden an einem Tag mehr als 3.000 Neuinfektionen verzeichnet. Die Zahl der belegten Intensivbetten ist zwar noch stabil auf niedrigem Niveau, doch bei den Hospitalisierten brachten die vergangenen Tage ebenfalls einen merklichen Anstieg mit sich.

Wochenlang verharrte die Zahl der CoV-Neuinfektionen auf einem Plateau. Seit mehreren Tagen deutet die Kurve aber wieder deutlich nach oben. Innerhalb einer Woche stieg die 7-Tage-Inzidenz österreichweit von knapp unter 150 auf fast 200. Laut Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) lag sie am Mittwoch bei 196,1. Am selben Tag meldeten die Ministerien 3.727 neu registrierte Coronavirus-Fälle innerhalb der letzten 24 Stunden. Das ist der höchste Wert seit März dieses Jahres.

Dass an den Mittwochen die Zahl der Neuinfektionen besonders hoch ausfällt, war bereits in den vergangenen Wochen zu beobachten. Laut Gesundheitsministerium liegt das auch daran, dass am Montag in Schulen und vielen Betrieben PCR-Testungen durchgeführt werden, deren Ergebnisse dann am Dienstag vorliegen und die in die Mittwochszahlen einfließen. Das spiegelt auch die Aufarbeitung der Zahlen durch die AGES wider: Die Agentur verbuchte 3.670 Fälle, die am Dienstag diagnostiziert worden waren.

Unterschiede zwischen den Bundesländern

Freilich hielt am Mittwoch auch das Gesundheitsministerium fest, dass die Zahlen zurzeit prinzipiell steigen. Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) gab sich in einem schriftlichen Statement über die Entwicklung „besorgt“. Für Freitag lud der Kanzler die Landeshauptleute ob der steigenden Zahlen zu einer virtuellen Beratung ein.

Das Treffen findet einen Tag nach der dieswöchigen Sitzung der Ampelkommission statt, die angesichts der derzeitigen Infektionslage manche Umfärbungen auf der Ampelkarte mit sich bringen könnte. Vor allem in Oberösterreich und Salzburg ist die Zahl der Neuinfektionen seit Tagen überdurchschnittlich hoch. Allerdings verzeichneten auch die anderen Bundesländer in den vergangenen Tagen Anstiege bei den Infektionszahlen. Besonders stark ging der Trend zuletzt etwa in Niederösterreich und Tirol nach oben.

In Niederösterreich liegt mit Melk auch jener Bezirk, dem in den kommenden Tagen eine Ausreisepflicht droht. Die 7-Tage-Inzidenz betrug am Mittwoch 565,9 und lag damit zum dritten Mal in Folge über 500. Da zugleich mehr als zehn Prozent der Intensivbetten in Niederösterreich mit Covid-19-Patientinnen und -Patienten belegt sind und die Impfquote aktuell unter 60 Prozent liegt, würde – so sich die Lage nicht entschärft – in vier Tagen der Hochrisikoerlass des Gesundheitsministers schlagend werden. Das Land müsste dann über den Bezirk eine Ausreisesperre verhängen.

Mehr Spitalsbetten belegt

Von bundesweiten Verschärfungen ist Österreich hingegen noch ein Stück entfernt. Zumindest wenn es nach dem von Ländern und Bund ausgehandelten Stufenplan geht. Dieser sieht vor, dass die nächsten Maßnahmen erst dann zum Tragen kommen, wenn österreichweit mehr als 300 Intensivbetten von Covid-19-Patientinnen und -Patienten belegt sind. Am Mittwoch lag diese Zahl bei 217 und hatte sich auch in den Wochen zuvor kaum verändert.

Das Gleiche galt in den vergangenen Wochen für die Zahl der Patientinnen und Patienten auf den Normalstationen. In den vergangenen zwei Tagen machte die Zahl aber einen deutlichen Sprung nach oben, von 653 am 17. Oktober auf 730 am 19. Oktober. Die Krankenhausbelegung entspricht damit ungefähr den Werten, wie sie zur gleichen Zeit vor einem Jahr verzeichnet wurden – bevor es dann kurze Zeit später zu einem starken Anstieg kam.

Anstieg bei ungeimpften Älteren

Die Vorzeichen haben sich im Vergleich zum vergangenen Jahr allerdings geändert. Im Herbst 2020 war noch niemand gegen das Coronavirus geimpft. Inzwischen haben rund 60 Prozent der gesamten Bevölkerung eine Grundimmunisierung erhalten. Inzwischen stagniert der Impffortschritt allerdings allen Aufrufen zum Trotz.

Zugleich stieg im Vergleich zum Vorjahr die Zahl der täglichen Tests um ein Vielfaches – von 15.000 auf derzeit rund 400.000. Das sorgt auch dafür, dass mehr Infektionen entdeckt werden. Die höchsten Inzidenzen weisen weiterhin die Fünf- bis 14-Jährigen auf. Natürlich wird diese Gruppe in der Schule flächendeckend getestet, während die Impfung für Kinder unter zwölf Jahren weiterhin nicht zugelassen ist. Und geimpft oder nicht macht – laut den von der AGES zur Verfügung gestellten Zahlen – bei den Infektionen einen gewaltigen Unterschied.

So liegt die 7-Tage-Inzidenz bei den Zwölf- bis 17-Jährigen inzwischen jenseits der 500. Bei den vollständig Geimpften liegt sie in dieser Altersgruppe bei knapp über 60. Ähnlich stellen sich die Verhältnisse auch bei den anderen Altersgruppen dar. Und hier zeigt sich auch: In den vergangenen Tagen stieg die 7-Tage-Inzidenz bei den ungeimpften über 60-Jährigen verhältnismäßig stark an – und liegt inzwischen wieder jenseits der 200.

Prognoseexperten erwarten starken Infektionsanstieg

Die Fachleute des CoV-Prognosekonsortiums im Auftrag des Gesundheitsministeriums gehen unterdessen von einem „signifikanten Anstieg“ der Neuinfektionen in der kommenden Woche aus. Für den 27. Oktober wird eine 7-Tage-Inzidenz von 210 bis 290 Fällen je 100.000 Einwohner erwartet. Das werde zu einem entsprechenden Anstieg des Belages auf Intensiv- und Normalstationen führen, heißt es in dem am Mittwochabend veröffentlichten Dokument. Es gebe eine „hochdynamische Lage“ in Österreich.

Aufgrund der vorherrschenden Lage könnte am Freitag ein Update der Prognose erfolgen, kündigte das Konsortium aus Experten der Technischen Universität Wien, der Medizinischen Universität Wien und der Gesundheit Österreich GmbH an. „Der in nahezu allen Altersgruppen und Bundesländern beobachtete Anstieg der gemeldeten Neuinfektionen legt das Eintreten saisonaler Effekte nahe, welche die Virusausbreitung verstärken. Diese Einschätzung wird auch durch ähnliche Fallentwicklungen in den letzten Tagen in vielen anderen europäischen Ländern gestützt“.

„Systemgefährdende Entwicklung“ nicht ausgeschlossen

„Eine systemgefährdende Entwicklung bei Anhalten dieses Trends“ ist nicht ausgeschlossen. Zeitversetzt werde es zu einem entsprechenden Anstieg der Belegung auf Intensiv- und Normalstationen kommen. Am 3. November könnten Niederösterreich mit einer Wahrscheinlichkeit von 20 Prozent, Salzburg und Vorarlberg mit einer Wahrscheinlichkeit von 15 Prozent und Wien mit einer Wahrscheinlichkeit von zehn Prozent die kritische Auslastung mit CoV-Patienten von 33 Prozent überschreiten.

In der vergangenen Woche lagen die tatsächlichen Werte der Neuinfektionen in Nieder-, Oberösterreich, Tirol und Vorarlberg sowie in Österreich gesamt über der Prognose, hielt das Konsortium fest.

Klimek: Einschätzung schwierig

Komplexitätsforscher Peter Klimek sagte in puncto Intensivstationen am Mittwoch im Ö1-Morgenjournal, dass das „Bild natürlich auch ein bisschen täuschen“ könne. „Weil wir wissen ja, dass sich die Infektionszahlen immer mit einem bestimmten Zeitverzug erst auf den Intensivstationen widerspiegeln. Wir beobachten aber auch, dass hier jetzt anscheinend die Dynamik doch ein bisschen anders ist“, so der Physiker.

Bereits in den vergangenen Wochen habe es in den Bundesländern insbesondere unter älteren Bevölkerungsgruppen Anstiege gegeben, parallel zu tendenziellen Rückgängen unter den jüngeren Bevölkerungsgruppen. Das habe sich aber dann nicht in dem Maß in einem Anstieg der Intensivpatienten widergespiegelt: „Das macht die Einschätzung momentan natürlich ein bisschen schwierig, aber prinzipiell gilt immer noch: Steigen die Infektionszahlen unter den Älteren, dann steigen mit entsprechendem Zeitverzug auch die Intensivbeläge in den Spitälern“, so der Komplexitätsforscher.

Hohe Spitalsbelastung noch nicht ausgeschlossen

Im Zuge dessen verwies Klimek auch auf eine Risikoeinschätzung der EU-Gesundheitsbehörde ECDC, die für Staaten mit einer Durchimpfungsrate wie Österreich ein erhöhtes Risiko sieht, dass man im Spitalsbelag im Oktober und vor allem im November in Bereiche wie im Vorjahr kommt. „Wir können es rein rechnerisch nicht ausschließen, dass es noch mal enger wird in den Spitälern.“ Wie wahrscheinlich das ist, ist schwieriger einzuschätzen. „Wenn die Impfrate auch nur ein paar Prozentpunkte höher ist, dann nimmt das Risiko gleich stärker ab“, unterstrich der Forscher.

Zusätzlich merkte er mit Blick auf diesbezügliche Aussagen aus der Politik auch an: „Allerdings: Bevor wir jetzt diese Welle für beendet erklären, die Pandemie für beendet erklären, sollten wir jetzt wirklich einmal schauen, wie stark schlägt der saisonale Effekt durch, den wir jetzt beginnen zu beobachten, um dann wirklich zu sehen, wie sich die Immunisierung der Bevölkerung darstellt in unterschiedlichen Regionen, ob das ausreicht oder nicht.“