Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro
Reuters/Adriano Machado
CoV-Politik

Senatoren fordern Klage gegen Bolsonaro

Der brasilianische Senat hat eine Klage gegen Staatschef Jair Bolsonaro wegen dessen CoV-Politik gefordert. Das geht aus einem am Mittwoch vorgelegten Untersuchungsbericht zu Bolsonaros strafrechtlichen Vergehen im Zusammenhang mit dem Krisenmanagement seiner Regierung hervor. Der Ausschuss erhebt schwere Anschuldigungen gegen Bolsonaro, darunter Verbrechen gegen die Menschlichkeit und „Scharlatanerie“.

Die Regierung habe fahrlässig gehandelt und „die Bevölkerung absichtlich der konkreten Gefahr einer Masseninfektion ausgesetzt“, um die Herdenimmunität zu erreichen, sagte Senator Renan Calheiros bei der Verlesung des Abschlussberichts in Brasilia. Mit diesem Verhalten habe die Regierung, die sich nachweislich von einem parallelen Kabinett habe beraten lassen, den Tod von Brasilianern billigend in Kauf genommen. Der Untersuchungsausschuss habe „die Fingerabdrücke“ des Präsidenten bei Tausenden von Covid-19-Toten nachgewiesen, sagte Calheiros, der Verfasser des Berichts, weiter.

Dem Bericht gingen sechsmonatige Beratungen voraus. Insgesamt werden in dem 1.200 Seiten umfassenden Bericht demzufolge neun mögliche Anklagepunkte gegen den ultrarechten Staatschef vorgebracht. Der Ausschuss hatte auch darüber debattiert, dem Präsidenten Totschlag durch Unterlassung und Völkermord vorzuwerfen. Letztlich zogen die Ausschussmitglieder diese Anschuldigungen nach internem Streit aber wieder zurück.

Insgesamt sollen laut der Empfehlung außer Bolsonaro weitere 65 Personen, unter ihnen drei Söhne des Präsidenten, und Geschäftsleute sowie zwei Unternehmen zur Verantwortung gezogen werden.

Juristische Konsequenzen unwahrscheinlich

Dem Untersuchungsausschuss gehören elf Mitglieder an. In der kommenden Woche soll der Ausschuss voraussichtlich über den Abschlussbericht abstimmen. Eine Mehrheit ist notwendig, um den Bericht zu verabschieden. Dann kann er an Institutionen wie die Generalstaatsanwaltschaft geschickt werden. Beobachtern zufolge ist unklar, ob die Empfehlungen auch zu Anklagen führen würden.

Für Bolsonaro wird der Bericht aber voraussichtlich keine juristischen Konsequenzen haben, da er Rückendeckung von Generalstaatsanwalt Augusto Aras hat. Der Bolsonaro-Verbündete könnte ihn vor jeglicher Anklage schützen. Auch die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens gegen den Staatschef zeichnet sich nicht ab, da er im Kongress ausreichend Unterstützung hat, um ein solches Verfahren abzuwenden.

Brasiliens Ex-Präsident Luiz Inacio Lula da Silva
Reuters/Ueslei Marcelino
Bei der Wahl im kommenden Jahr droht Bolsonaro eine Niederlage gegen Ex-Staatschef Luiz Inacio Lula da Silva

Bericht könnte Bolsonaro politisch schaden

Gleichwohl könnte der Bericht dem Präsidenten, der im kommenden Jahr zur Wiederwahl antreten will, politisch schaden. Bolsonaro steht derzeit wegen schlechter Beliebtheitswerte und mehrerer Ermittlungsverfahren gegen ihn und sein Umfeld stark unter Druck. Umfragen zufolge droht ihm bei der Wahl im nächsten Jahr eine deutliche Niederlage gegen den linksgerichteten Ex-Staatschef Luiz Inacio Lula da Silva.

Bolsonaro gilt als CoV-Verharmloser

Bolsonaro hat die Gefahren durch das Coronavirus immer wieder verharmlost und Coronavirus-Auflagen der brasilianischen Regional- und Kommunalbehörden wegen ihrer ökonomischen Auswirkungen kritisiert. In dem Ausschuss waren mehrere Minister und hochrangige Regierungsmitarbeiter sowie Krankenhausmanager und Angehörige von Coronavirus-Opfern angehört worden.

Die Senatoren befassten sich unter anderem mit dem Mangel an Sauerstoff für die Beatmung von Coronavirus-Patienten und -Patientinnen im Bundesstaat Amazonas. Wegen der unzureichenden Versorgung mit Sauerstoff waren im Jänner in Manaus, der Hauptstadt des Bundesstaats, Dutzende Patienten gestorben.

Rettungskräfte vor einem Spital in Manaus
Reuters/Bruno Kelly
In Manaus kamen im Jänner Dutzende an Covid-19 erkrankte Menschen wegen Sauerstoffmangels ums Leben

Auch Verzögerungen bei Impfstoffbeschaffung Thema

Der Ausschuss untersuchte außerdem die Verzögerungen bei der Beschaffung von Coronavirus-Impfstoffen. Die absichtliche Verzögerung war für den Verfasser des Abschlussberichts das schwerwiegendste Versäumnis der Regierung. „Sie war ein Faktor, der entscheidend zu der hohen Rate an Neuerkrankungen und Sterblichkeit im Land beigetragen hat“, sagte Renan Calheiros bei der Verlesung des Berichts.

Bolsonaro hat mehrmals betont, dass er selbst noch nicht gegen das Coronavirus geimpft sei und zog mehrfach den Sinn von Impfungen in Zweifel. Weiteres Thema waren Bolsonaros Reden, in denen er scharfe Kritik an Lockdown-Maßnahmen geäußert hatte.

Insgesamt wurden seit Beginn der Pandemie mehr als 600.000 Coronavirus-Tote in Brasilien verzeichnet. Das südamerikanische Land liegt damit weltweit an zweiter Stelle hinter den USA. Seit Beginn der landesweiten Impfkampagne im Jänner sind nun insgesamt mehr als 261 Millionen Impfdosen verabreicht worden, mehr als 100 Millionen Brasilianer sind komplett gegen das Coronavirus geimpft.