Der Eingang zum Filmset in Santa Fe
AP/Andres Leighton
Todesfall am Filmset

Baldwin erhielt Waffe offenbar als ‚Cold Gun‘

Der tödliche Schuss aus der Requisitenwaffe des Schauspielers Alec Baldwin auf die Kamerafrau Halyna Hutchins an einem Filmset im US-Bundesstaat New Mexico gibt den Behörden weiter Rätsel auf. Nur nach und nach werden neue Details des Hergangs bekannt, offenbar gab es vor dem Todesfall Beschwerden gegen schwache Sicherheitsvorkehrungen. Und wie US-Medien berichten, soll Baldwin die Waffe als „Cold Gun“ übergeben worden sein.

Die „New York Times“ („NYT“), die Nachrichtenagentur AP und CNN zitieren aus einem Bericht, den das Sheriff’s Office einem Gericht in Santa Fe vorgelegt hat: Darin heißt es, der Regieassistent auf dem Set des Westerns „Rust“ habe die Worte „Cold Gun“ gerufen, bevor er Baldwin die Todeswaffe übergab. Laut „NYT“ werde unter dieser Umschreibung normalerweise verstanden, dass sich in der Waffe keine Munition befinde.

Im Fokus der Ermittler stehen Medienberichten zufolge der Regieassistent und die Waffenmeisterin. Die 24-Jährige war während des Drehs für die Unglückswaffe und zwei weitere verantwortlich. Der Regieassistent „wusste nicht, dass die Waffe mit scharfer Munition geladen war“, heißt es im Polizeibericht.

Souza „tieftraurig“

Laut „Los Angeles Times“ löste sich der Schuss, als Baldwin die Waffe aus dem Holster zog: Die 42-jährige Kamerafrau Hutchins erlitt tödliche Verletzungen, der 48-jährige Regisseur Joel Souza wurde ebenfalls getroffen und mit einer Schulterverletzung ins Krankenhaus gebracht. Er konnte aber am Freitag wieder entlassen werden.

Am Samstag meldete sich Souza erstmals nach dem Tod von Hutchins. „Ich bin tieftraurig über den Tod meiner Freundin und Kollegin Halyna“, sagte Souza der Filmwebsite Deadline und anderen US-Medien. „Sie war freundlich, lebhaft, unglaublich talentiert, hat um jedes Detail gekämpft und mich immer ermuntert, mehr zu geben. Meine Gedanken sind in diesen schwersten Zeiten mit ihrer Familie.“

„Noch keine Details zur Patrone“

Unklar ist auch nach wie vor, um welche Art Munition es sich bei dem tödlichen Schuss handelte. „Wir haben noch keine Details zur Patrone, die in der Waffe war“, hatte der Polizeisprecher dazu der dpa erklärt. Die Filmcrewgewerkschaft IATSE schrieb laut „Los Angeles Times“ in einer Mail, dass die Waffe mit einer einzigen Patrone bestückt gewesen sei, einer „single live round“. Dieser Begriff sei eine gebräuchliche Umschreibung in der Branche, die sowohl eine scharfe als auch eine Platzpatrone beschreiben kann.

Ein erschütterter Alec Baldwin am Filmset
AP/Santa Fe New Mexican/Jim Weber
Alec Baldwin am Donnerstag sichtlich erschüttert vor dem Sheriff’s Office in Santa Fe

Unklar ist deshalb auch, wie eine einzige Patrone beide Opfer hatte treffen können. Laut „Los Angeles Times“ ist üblicherweise ein Requisiteur oder ein lizenzierter Waffenmeister für die am Set benutzten Waffen zuständig. Zu dessen Aufgaben gehöre auch, diese mit Platzpatronen zu laden und den Schauspielern und Regieassistenten den Umgang damit zu erklären. Scharfe Munition sei am Set verboten.

Baldwin: „Kooperiere mit Polizei“

Baldwin meldete sich nach dem tragischen Vorfall tags darauf am Freitag öffentlich zu Wort. „Es gibt keine Worte, um den Schock und die Trauer auszudrücken angesichts des tragischen Unfalls, der das Leben von Halyna Hutchins beendet hat“, schrieb Baldwin am Freitag auf Twitter. Sie sei „Ehefrau, Mutter und zutiefst bewunderte Kollegin von uns“ gewesen.

Er „kooperiere vollkommen mit der polizeilichen Untersuchung, um herauszufinden, wie diese Tragödie geschehen konnte“, fügte der Hollywood- und TV-Star hinzu. „Und ich stehe in Kontakt mit ihrem Ehemann, um ihm und seiner Familie meine Unterstützung anzubieten.“ Der Gedanke an „ihren Ehemann, ihren Sohn und all diejenigen, die Halyna kannten und liebten“, breche ihm das Herz.

Bericht über Beschwerden am Set

Laut einem weiteren Bericht der „Los Angeles Times“ sollen sich Mitarbeiter am Set über mangelnde Sicherheitsvorkehrungen und schlechte Bedingungen wie lange Arbeitszeiten beschwert haben. Die Zeitung berichtete unter Berufung auf ungenannte Quellen, mehrere Mitarbeiter der Kameracrew hätten wenige Stunden vor dem tödlichen Vorfall aus Protest gegen die Arbeitsbedingungen den Drehort verlassen. Die in Hollywood üblichen Sicherheitsprotokolle seien nicht strikt befolgt worden, hieß es.

Halyna Hutchins
APA/AFP/Getty Images North America/Sonia Recchia
Die Kamerafrau Halyna Hutchins wurde tödlich verletzt

Österreichischer Schauspieler Swen Temmel am Set

Der in den USA lebende Schauspieler Swen Temmel, Sohn des steirischen „Eis-Königs“ Charly Temmel, war bei dem tödlichen Vorfall am Set: „Wir haben einen Knaller gehört, wir haben gewusst, dass etwas sehr schiefgegangen ist. Die Leute, die aus der Kirche kamen, waren weiß im Gesicht und wirklich erschrocken, aber keiner hat gewusst, was da los war. Das ist erst mit der Zeit dann mehr klar geworden“, sagte Temmel – mehr dazu in steiermark.ORF.at.

Die Dreharbeiten zu dem Low-Budget-Western „Rust“, bei dem Baldwin auch als Produzent mitwirkte, hatten Anfang Oktober auf der Bonanza Creek Ranch im US-Bundesstaat New Mexico begonnen. Strafrechtliche Vorwürfe wurden laut Polizei bisher nicht erhoben. Der Dreh wurde vorerst eingestellt.