Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser
ORF
Diakonie zu Sterbehilfe

Lob für Vorlage, enge Frist aber „skandalös“

Die Koalitionseinigung zur Neuregelung der Sterbehilfe am Wochenende ist von Lob und Kritik begleitet worden. Lob wurde vielfach für Inhaltliches ausgesprochen, Kritik wurde an der späten Vorlage des Gesetzesvorschlags und die damit verbundene kurze Begutachtungsfrist geübt. Diesen Vorwurf brachte am Sonntag auch Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser auf und fand den nun bevorstehenden, engen Fristenlauf „skandalös“.

Hintergrund: Weil die Neuregelung laut den Plänen per 1. Jänner 2022 in Kraft treten soll, ist der Fristenlauf zeitlich beschränkt. Lediglich drei Wochen bleiben für die parlamentarische Begutachtung, für die letztliche Umsetzung des neuen Gesetzes ist noch der Beschluss im Parlament nötig, der im Dezember erfolgen soll. Diakonie-Direktorin Moser zeigte sich zwar „froh, dass endlich ein Vorschlag am Tisch liegt“, fand es aber eben „skandalös“, dass nur drei Wochen für die Begutachtung bleiben.

Die Materie, die durch das neue Gesetz geregelt werden soll, ist sensibel – schließlich geht es um genaue Regeln, unter denen Schwerkranke assistierten Suizid in Anspruch nehmen können. Dazu sollen Betroffene künftig eine Sterbeverfügung errichten können – ähnlich der Patientenverfügung. Der Zugang ist auf dauerhaft schwerkranke oder unheilbar kranke Personen beschränkt. Explizit ausgeschlossen sind Minderjährige. In Apotheken wird ein letales Präparat erhältlich sein.

Moser: Gesetz nimmt „Selbstbestimmung ernst“

Das neue Gesetz mache den „Schutz vor Missbrauch ziemlich stark und nimmt die Selbstbestimmung ernst“, lobte Diakonie-Chefin Moser in der „Pressestunde“ die inhaltliche Ausrichtung der Gesetzesvorlage. Aber gerade weil es sich um ein derart sensibles Thema handle, hätte es eine öffentliche Debatte dazu gebraucht, so Moser. Sie kritisierte, dass „hinter verschlossenen Koalitionstüren“ verhandelt worden sei.

Neuregelung der Sterbehilfe

Die Regierung hat sich auf eine gesetzliche Neuregelung der Sterbehilfe in Österreich geeinigt. Wer Beihilfe zum Suizid in Anspruch nehmen will, kann ab 2022 eine Sterbeverfügung errichten – ähnlich der Patientenverfügung.

Begleitend zum neuen Gesetz plant die Regierung einen Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung. Dass es hier mehr Mittel geben soll, begrüßte Moser. Doch sei der Vollausbau 2026 „reichlich spät“. Wie schon der evangelische Bischof Michael Chalupka am Vortag forderte sie einen Rechtsanspruch auf Palliativversorgung. Dabei gehe es vor allem darum, dass man die entsprechende Versorgung auch im hintersten Tal wahrnehmen könne.

Umgang mit praktischen Fällen für Diakonie noch offen

Offen ließ Moser, wie die Diakonie in ihren Einrichtungen auf den Wunsch nach Sterbehilfe reagieren wird. Dass man ausziehen muss, lehnte die Direktorin ab. Ob man aber allfällig gegründete Vereine in die Diakonie-Häuser hineinlassen würde, um dort bei Suizid zu assistieren, ist für Moser noch zu überlegen. Klar sei aber, dass die Diakonie sicher kein Anbieter von assistiertem Suizid werde. Die Aufgabe der Organisation liege in der Palliativ- und Hospizversorgung.

Bereits am Vortag hatte es kritische Verweise auf die knappe Begutachtungszeit gegeben. Zwar begrüßte auch die SPÖ die Gesetzesvorlage, doch übte auch SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim Kritik am späten Zeitpunkt: „Der Verfassungsgerichtshof hat das Verbot des assistierten Suizids schon vor fast einem Jahr mit Ende 2021 aufgehoben, die Zeit für eine ausführliche Begutachtung des Gesetzesentwurfs ist zu knapp“, wurde Yildirim in einer Aussendung zitiert.

Bei diesem hochsensiblen Thema seien viele Stellungnahmen zu erwarten, die noch zu Änderungen des Entwurfs führen können, gab sie zu bedenken. „Eine ausreichend lange Begutachtungsfrist wäre daher von immenser Bedeutung gewesen“, so die SPÖ-Mandatarin. NEOS-Justizsprecher Johannes Margreiter sagte in einer schriftlichen Stellungnahme, die vom VfGH gezeichneten Leitlinien seien im vorliegenden Entwurf „gut abgebildet“. Dennoch erwartet auch er sich im Zuge der Begutachtung noch Verbesserungen.

ÖVP-Seniorenbund-Präsidentin Ingrid Korosec wertete die geplante Aufstockung der Hospiz- und Palliativversorgung als „positives Zeichen“. „Der größte Wunsch der Menschen ist nicht der Tod, sondern jener, nicht mehr leiden zu müssen“, sagte sie in einer Aussendung.

„Einiges Gutes“

Seitens der Initiative „Verein für selbstbestimmtes Sterben – Letzte Hilfe“ wurde die Gesetzesvorlage zwar begrüßt, wenn sie auch als zu wenig weitgehend kritisiert wird: „Auch wenn wir der sich abzeichnenden Lösung einiges Gutes abgewinnen können, ist es bedauerlich, dass die Regierung lediglich auf das VfGH-Erkenntnis vom Vorjahr eingegangen ist und es verabsäumt hat, die längst fällige Liberalisierung der Sterbehilfegesetzgebung grundlegend in Angriff zu nehmen“, hieß es in einer schriftlichen Stellungnahme.

Die Österreichische Gesellschaft für ein humanes Lebensende (ÖGHL) begrüßte den Entwurf grundsätzlich. ÖGHL-Politiksprecher Wolfgang Obermüller sagte aber, es sei wichtig, „dass hinter dem beabsichtigten Werbeverbot nicht ein generelles Informationsverbot steht“. Das wäre „unannehmbar“.

Edtstadler zum neuen Sterbehilfegesetz

Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) erklärt, wie assistierter Suizid für Schwerkranke künftig ablaufen kann. Sie geht auch auf die kurze Begutachtungsfrist des neuen Sterbehilfegesetzes ein.

Edtstadler verteidigt Vorgangsweise

Auf die kurze Begutachtungsfrist angesprochen, verteidigte Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) in der ZIB2 die Vorgangsweise. Der Grund, warum die Frist jetzt so kurz sei, „ist ja, damit wir die Frist vom Verfassungsgerichtshof auch einhalten können und am Ende des Jahres eine Lösung haben, die mit 1.1.2022 des kommenden Jahres in Kraft treten kann“, so Edtstadler – und das habe man der Ministerin zufolge nun auch geschafft.