Meinungsforscherin Sabine Beinschab
ORF
Bericht

Beinschab sichert Ermittlern Unterstützung zu

Meinungsforscherin Sabine Beinschab, die in den ÖVP-Korruptionsskandal verwickelt ist, hat laut einem Bericht des Ö1-Morgenjournals Interesse am Kronzeugenstatus bekundet. Die Beschuldigte sei bereit, umfassend mit den Ermittlern zusammenzuarbeiten. Die ÖVP zeigte sich in einem Statement an ORF.at erfreut über den Ermittlungsfortschritt. Kritik kommt von der Rechtsschutzbeauftragten der Justiz.

Meinungsforscherin Beinschab wird Beteiligung an Untreue und Bestechung vorgeworfen. Die 37-Jährige, die am 12. Oktober in der Früh vorübergehend festgenommen worden war, soll Umfragen zugunsten der Kurz-ÖVP frisiert und dafür Scheinrechnungen an das Finanzministerium gestellt haben. Darauf, dass Beinschab sich für den Kronzeugenstatus interessiert, soll laut Ö1 ein Anlassbericht des Bundesamtes für Korruptionsbekämpfung hindeuten.

Darin sei penibel festgehalten worden, wie die Festnahme von Beinschab abgelaufen sei: Dass ihr die strafrechtlichen Vorwürfe in der Inseratenaffäre noch einmal erklärt wurden und sie ihre Anwältin verständigen konnte. Von dieser sei ihr einige Zeit später geraten worden, keine Aussage zu machen. Beinschab soll auch noch die Gelegenheit für ein kurzes Frühstück gehabt haben, bevor sie dem Bundesamt für die Festnahme im Stadtpolizeikommando Wien-Meidling übergeben wurde.

„Bereit, ihr Wissen zu offenbaren“

Grund für die Festnahme war der Vorwurf der Verdunkelung, weil die Beinschab nur wenige Stunden vor der Hausdurchsuchung in der ÖVP-Inseratenaffäre Chats mit anderen Beschuldigten gelöscht hatte und sich darüber zuvor auch im Internet schlaugemacht haben soll. Laut Polizeianlassbericht konnte sich die Meinungsforscherin im Arrest mehrfach mit ihrer Anwältin besprechen. Die Beschuldigteneinvernahme durch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) fand am Tag nach der Festnahme statt.

Im Polizeianlassbericht befindet sich auch ein Auszug aus Beinschabs Rechtsbelehrung vor ihrer Einvernahme. Dieser lässt den Schluss zu, dass sie einen Kronzeugenstatus beantragt hat. Vor Beginn der Befragung wurde laut Ö1 festgehalten, dass die Beschuldigte bereit ist, „freiwillig ihr Wissen über Tatsachen und/oder Beweismittel zu offenbaren, deren Kenntnis wesentlich zur umfassenden Aufklärung einer in der Kronzeugenregelung genannten Straftat über ihren eigenen Tatbeitrag hinaus zu fördern“.

Beinschab könnte als Kronzeugin fungieren, obwohl sie bereits als Beschuldigte vernommen wurde und gegen sie Zwangsmaßnahmen – ihre Festnahme und eine Hausdurchsuchung an ihrer Adresse – gesetzt wurden. An sich ist der Kronzeugenstatus gemäß Strafprozessordnung (StPO) ausgeschlossen, wenn gegen einen Mitverdächtigen bereits behördlicher Zwang ausgeübt wurde – gibt der bzw. die Betroffene aber von sich aus bei dieser Gelegenheit strafrechtlich relevantes Wissen preis, von dem die Strafverfolgungsbehörden bis dahin keine Kenntnis hatte, könnte er bzw. sie damit doch noch Kronzeugenstatus erlangen. Wobei die diesbezügliche Entscheidung nicht im Vorhinein, sondern erst am Ende des – im Regelfall langwierigen – Ermittlungsverfahrens fällt.

Haftgrund der Verdunkelungsgefahr aufgehoben

Allerdings wird die Meinungsforscherin auch belehrt, sie habe nur dann Anspruch auf den Kronzeugenstatus, wenn sie sämtliche Voraussetzungen für die Kronzeugenregelung vorlegen könne. Weiters wurde Beinschab angewiesen, sie müsse absolutes Stillschweigen über ihre Aussagen wahren, um die staatsanwaltlichen Ermittlungen nicht zu behindern. Was sie genau ausgesagt hatte, ist im Anlassbericht des Bundesamtes Ö1 zufolge nicht nachzulesen – nur, dass die Einvernahme in Bild und Ton aufgenommen wurde. Die Abschrift soll erst später zum Akt genommen werden – ein offenbar eher ungewöhnlicher Schritt.

Nach ihrer Befragung habe die Beschuldigte laut Polizeibericht auch noch zugesagt, jeden Kontakt zu weiteren Beschuldigten zu unterlassen und bei anschließenden Vernehmungsterminen bei der Aufklärung mitzuwirken. Zusätzlich sei wegen der geständigen Verantwortung der Meinungsforscherin der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr nicht mehr angenommen, daher sei die Festnahme am 13. Oktober um 17.40 Uhr mit sofortiger Wirkung aufgehoben worden.

ÖVP „zuversichtlich“

In einer E-Mail an ORF.at teilte die ÖVP zu den aktuellen Berichten mit, man sei erfreut, dass die Ermittlungen so schnell voranschreiten. „Und wir sind zuversichtlich, dass der Sachverhalt bald aufgeklärt wird und sich die falschen Vorwürfe gegen Sebastian Kurz (ÖVP, Anm.) rasch entkräften lassen“, so die Stellungnahme.

Anders klang naturgemäß FPÖ-Chef Herbert Kickl: „Die Luft für das türkise System wird immer dünner“, befand er in einer Aussendung. „Der Countdown läuft.“ Die sichergestellten Chatnachrichten zeigten, wie sich Kurz „erst den Weg an die Parteispitze freiputschte und anschließend mit Hilfe frisierter Umfragen den Aufschwung der ÖVP inszenierte“, meinte Kickl. „Wenn jetzt die Meinungsforscherin bei den Behörden auspackt, dann kann das nur zu einem raschen Ende für das türkise System führen.“

Kritik aus Justiz an Razzien bei „Österreich“

Eine Hausdurchsuchung im Rahmen der ÖVP-Inseratenaffäre gab es nicht nur bei Beinschab und dem Kreis der ÖVP, sondern auch beim Medienhaus „Österreich“. Damit die Razzien nicht verraten werden, wurden die Handys aller Beschuldigten gepeilt, aber nicht inhaltlich überwacht. Die WKStA geht davon aus, dass über Ex-Kanzler Kurz und seine Berater Steuergeld geflossen sein soll, um gefälschte Umfragen bei Beinschab zu bestellten und in den Medien der „Österreich“-Gruppe zu verbreiten. Dieser Verdacht erhärtete sich durch Chats zwischen dem gestürzten Ex-ÖBAG-Chefs Thomas Schmid, den Medienbeauftragten von Kurz, Johannes Frischmann und Gerald Fleischmann, sowie Kurz selbst.

Die Rechtsschutzbeauftragte der Justiz und damit oberstes Kontrollorgan über die Staatsanwaltschaften übte dazu jetzt Kritik an den Ermittlungen der WKStA gegen „Österreich“. In einer Beschwerde vom 14. Oktober bezeichnet die Rechtsschutzbeauftragte Gabriele Aicher die Bewilligung der Hausdurchsuchung in dem Medienunternehmen als rechtswidrig.

Aicher sieht keinen dringenden Tatverdacht gegen die „Österreich“-Medienmanager Helmuth und Wolfgang Fellner. Zudem kritisiert die Expertin, dass alle Verfahren unter einem Dach gegen Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache geführt werden. Die Folge sei, dass immer derselbe Richter alle Entscheidungen treffe. Aicher hinterfragte zudem, ob die Zufallsfunde vom Handy Schmids, die der Ursprung vieler Ermittlungen sind, „ohne Einhaltung der üblichen Regularien für Überwachungsmaßnahmen“ überhaupt eine „Anzeige“ und somit im Akt verwertbar seien.

„Der Zweck heiligt nicht die Mittel“

In der „Kronen Zeitung“ (Freitag-Ausgabe) legte Aicher nach: „Wer den Rechtsstaat vertritt, hat sich selbst an die Vorgaben des Rechtsstaates zu halten. Ich sehe in den letzten Entwicklungen mit Blick auf das Redaktionsgeheimnis eine Gefahr für die Pressefreiheit.“ Sie sei in Sorge, „weil ich wahrnehme, wie fortlaufend versucht werde, Grenzen zu verschieben und das beunruhigt mich zutiefst …“. „Der Zweck heiligt nicht die Mittel“, so Aicher.

Laut „Presse“ stelle sich die Frage, ob die Sicherstellung von Handys, die dann möglicherweise mit Rückgriff auf Speicher in der Cloud ausgiebig und auch auf der Suche nach Zufallsfunden ausgewertet werden, ein Fall sein könnten, beim Obersten Gerichtshof (OGH) eine Nichtigkeitsbeschwerde einzulegen. Aicher meinte dazu gegenüber der Zeitung, dass Beschwerden dahingehend tatsächlich „a la longue“ beim OGH beantwortet werden könnten. Eine „baldige Klarstellung“ sei jedenfalls wünschenswert zu der Frage, „inwieweit sich die Rechtsschutzbeauftragte einbringen kann“, so Aicher.

Aicher wurde von Justizministerin Alma Zadic (Grüne) ab Anfang April für drei Jahre als Rechtsschutzbeauftragte bestellt, auf, laut Gesetz, gemeinsamen Vorschlag des Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes (VfGH), des Vorsitzenden der Volksanwaltschaft und des Präsidenten des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages. Ihr Vorgänger, Gottfried Strasser, hat nach siebzehneinhalb Jahren seine sechste Amtsperiode um ein halbes Jahr verfrüht beendet.

WKStA weist Kritik zurück

Die WKStA wies jede Kritik in einer Aussendung vom Freitag zurück, gab aber zu, dass sie es „irrtümlich“ verabsäumt habe, für eine geplante Handystandortbestimmung die bei Journalisten erforderliche Ermächtigung der Rechtsschutzbeauftragten zu beantragen. „Nach der gerichtlichen Bewilligung erkannte die WKStA selbst noch vor Umsetzung der Maßnahme am 5. Oktober 2021 dieses Versäumnis, hielt diesen Umstand transparent im Akt fest und wies das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) umgehend an, die Maßnahme nicht durchzuführen. Tatsächlich wurden die Standortdaten auch nicht erhoben“, so die Staatsanwaltschaft.

Die darüber hinaus gehenden Kritikpunkte weise die WKStA „entschieden zurück“. „Diese stehen aus Sicht der WKStA teilweise im Widerspruch zur Aktenlage, teilweise auch zur geltenden Rechtslage und suggerieren ohne ausreichende Tatsachengrundlage missbräuchliches Amtshandeln. In Anbetracht dieser Kritikpunkte legte die WKStA die Beschwerde mit einer ausführlichen Stellungnahme dem Gericht vor. Das Oberlandesgericht Wien wird im Rechtsmittelverfahren über die Zulässigkeit dieser Beschwerdepunkte und die rechtliche und inhaltliche Berechtigung der Einwände entscheiden.“

Für alle genannten Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung.