Demonstration gegen das Abtreibungsgesetz in der polnischen Hauptstadt Warschau
AP/Czarek Sokolowski
Schwangere gestorben

Neuer Streit über Polens Abtreibungsgesetz

Der Tod einer 30 Jahre alten schwangeren Frau in Polen hat erneut Kritik und Proteste am scharfen Abtreibungsgesetz hervorgerufen. Wie dieser Tage bekanntwurde, hatten die Ärzte im Krankenhaus der südpolnischen Stadt Pszczyna offenbar nicht gewagt, das Leben der Frau durch einen Schwangerschaftsabbruch zu retten. Die Frau starb an einer Blutvergiftung.

Die Anwältin Jolanta Budzowska hatte vergangene Woche über den Fall informiert und das strenge Abtreibungsverbot Polens für den Tod der jungen Frau verantwortlich gemacht. Das polnische Verfassungsgericht hatte – auf Druck der nationalkonservativen Regierungspartei PiS – vor einem Jahr fast alle Ausnahmeregeln des strengen Abtreibungsgesetzes aufgehoben. Seither ist ein Schwangerschaftsabbruch auch dann verboten, wenn der Fötus schwer geschädigt ist.

Im September war die in der 22. Woche schwangere Frau ins Krankenhaus in Pszczyna eingeliefert worden. Die Patientin schrieb laut Anwältin an Familie und Freunde, dass die Ärzte wahrscheinlich darauf warteten, dass das Herz des Babys aufhört zu schlagen. Sie starb an einem septischen Schock, bevor die Schwangerschaft abgebrochen wurde.

Demonstration gegen das Abtreibungsgesetz in der polnischen Hauptstadt Warschau
AP/Czarek Sokolowski
Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei einer Kundgebung in Warschau

Not-OP kam zu spät

Laut Anwältin habe die Familie der Verstorbenen die Staatsanwaltschaft bereits über eine mögliche Straftat – einen Behandlungsfehler – informiert. Der Fall wird von der regionalen Staatsanwaltschaft in Kattowitz bearbeitet. Diese lieferte dem Nachrichtenportal Gazeta.pl eine Stellungnahme.

Demnach sei die Patientin in den Morgenstunden des 21. September ins Spital eingeliefert worden, nachdem sie einen Blasensprung hatte. Am nächsten Tag habe sich ihr Zustand verschlechtert: Mit Ultraschall konnten beim Fötus keine Lebenszeichen mehr festgestellt werden, die eingeleitete Not-OP sei aber zu spät gekommen. Seit 7. Oktober werde der Fall untersucht.

Ein Sprecher des Gesundheitsministeriums erklärte am Dienstag, dass „der Gesundheitsminister Adam Niedzielski den Präsidenten des Nationalen Gesundheitsfonds angewiesen hat, eine Untersuchung nach dem Tod der 30-Jährigen und dieser Situation im Krankenhaus in Pszczyna durchzuführen“.

Tod einer schwangeren Frau führt zu Protesten

In Polen haben Frauenrechtsorganisationen gegen das geltende Abtreibungsgesetz demonstriert. Ausgangspunkt war der Tod einer 30 Jahre alten schwangeren Frau. Denn die Ärzte im Krankenhaus der südpolnischen Stadt Pszczyna hatten es laut Medienberichten nicht gewagt, das Leben der Patientin durch einen Schwangerschaftsabbruch zu retten.

Krankenhaus rechtfertigt sich

Der Leiter des Krankenhauses bat darum, keine voreiligen Urteile zu fällen. Der Tod der jungen Frau werde derzeit von der Staatsanwaltschaft untersucht. Das Krankenhaus teilte mit, „dass sich das medizinische Personal von der Sorge um die Gesundheit und das Leben der Patientin und des Fötus leiten ließ“. Und weiter: „Die einzige Prämisse für den medizinischen Eingriff war die Sorge um die Gesundheit und das Leben der Patientin und des Fötus. Die Ärzte und Hebammen taten alles, was in ihrer Macht stand, und kämpften einen schwierigen Kampf für die Patientin und ihr Baby.“

Und außerdem hieß es in der Mitteilung der Krankenhausleitung: „Eine andere Frage ist die Beurteilung der Rechtslage in Bezug auf die Zulässigkeit des Schwangerschaftsabbruchs. An dieser Stelle sei nur darauf hingewiesen, dass alle medizinischen Entscheidungen im Einklang mit dem in Polen geltenden Recht und den Verhaltensnormen getroffen wurden.“

Kundgebungen in mehreren Städten

Die Nachricht vom Tod der Frau löste am Montagabend Proteste in mehreren Städten Polens aus. Frauenrechtsorganisationen hatten zu Protestkundgebungen am Montagabend unter der Parole „Nicht auch nur eine mehr!“ aufgerufen. Hunderte Frauen und Männer versammelten sich nicht nur in Pszczyna, sondern auch in zahlreichen anderen Städten des Landes.

Demonstration gegen das Abtreibungsgesetz in der polnischen Hauptstadt Warschau
AP/Czarek Sokolowski
Kerzen in Gedenken an die Verstorbene

TV-Bilder zeigten, wie Demonstrierende vor dem Verfassungsgericht in Warschau Kerzen anzündeten. Auf Transparenten waren gegen die konservativen Verfassungsrichter und gegen die Regierung gerichtete Sätze zu lesen wie „Ihr Tod klagt euch an!“, „Auch ihr Herz hat noch geschlagen!“ oder „Frauenrechte sind Menschenrechte!“

Scharfe Kritik der Opposition

Scharfe Töne kamen von der Opposition: „Wenn es keine politische Entscheidung gegeben hätte, wären solche Fälle nicht aufgetreten“, kommentierte der sozialdemokratische Angeordnete Wlodzimierz Czarzasty. „Und es wird noch mehr Fälle geben“. Denn Ärzte würden sich nicht so verhalten trauen, wie es Ärzte müssten, „weil sie Angst vor rechtlichen Konsequenzen haben, die sie betreffen könnten.“

Marcin Kierwinski von der Bürgerkoalition sagte, heute zahlen man den „schrecklichen Preis“ für dieses „barbarische Gesetz“. Milosz Motyka von der Bauernpartei sagte, „die unmittelbare Verantwortung für den Rechtsstaat liegt bei den PiS-Politikern, die diese Situation allein aus politischen Gründen herbeigeführt haben“, so Motyka. Noch schärfer äußerte sie die Linke-Politikerin Barbara Nowacka: „Sie ist gestorben, weil man gewartet hat, bis der Fötus gestorben ist, denn das ist das Gesetz in Polen. Sie starb, weil Fanatiker die Hölle der Frauen wollten.“