EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen
picturedesk.com/Britta Pedersen
COP26

Privatjets und CoV überschatten Klimagipfel

Der in Glasgow laufende Weltklimagipfel und die damit einhergehenden Suche nach Mitteln gegen die Klimakrise wird derzeit von Themen abseits der eigentlichen Gipfelagenda überschattet. Dafür sorgten zuletzt Flüge mit Privatjets von EU-Kommissionpräsidentin Ursula von der Leyen und dem britischen Premier Boris Johnson – aber auch der in Glasgow positiv auf das Coronavirus getestete Bürgermeister von Los Angeles, Eric Garcetti.

Nachdem etliche COP26-Teilnehmerinnen und -teilnehmer bereits zur offiziellen Eröffnung am Sonntag per Privatjets nach Glasgow anreisten, sorgt nun ausgerechnet auch Gastgeber Johnson für ein weiteres Kapitel in der damit einhergehenden Debatte.

Am Dienstag hatte der konservative Politiker noch den versammelten Staats- und Regierungschefs beim COP26 in Glasgow gehörig ins Gewissen geredet, beim Kampf gegen den Klimawandel den Worten Taten folgen zu lassen. Einem Bericht der britischen Boulevardzeitung „Daily Mirror“ zufolge setzte sich Johnson daraufhin in einen Privatjet und flog zu einem Dinner in einem exklusiven Club in London, dessen Mitgliedschaft Männern vorbehalten ist.

„Atemberaubende Heuchelei“

Er soll dort den früheren Chefredakteur des „Daily Telegraph“ und bekennenden Klimaskeptiker Charles Moore getroffen haben. „Das ist atemberaubende Heuchelei vom Premierminister“, sagte Anneliese Dodds von der oppositionellen Labour-Partei dem „Mirror“.

Ein Regierungssprecher hatte die Reisepläne Johnsons mit dem Flugzeug noch am Montag damit gerechtfertigt, der Premier müsse in der Lage sein, mit erheblichem Zeitdruck zurechtzukommen. In einer Mitteilung am Donnerstag hieß es, Johnson habe eines der CO2-effizientesten Flugzeuge seiner Größe in der Welt genutzt – mit dem nachhaltigsten Kraftstoff. Großbritannien werde alle CO2-Emissionen, die mit dem Klimagipfel in Verbindung stünden, neutralisieren, so die Mitteilung weiter.

„Ökologische Sünde“

EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen steht indes wegen eines im Juni erfolgten, rund 20-minütigen Charterflugs aus Wien nach Bratislava in der Kritik. Deutliche Worte kamen dazu unter anderem vom Europäischen Steuerzahlerbund. Der Flug sei eine „ökologische Sünde“, sagte der Generalsekretär des Steuerzahlerbundes, Michael Jäger, der „Bild“-Zeitung (Donnerstag). Neben Steuergeld koste dies „vor allem viel Glaubwürdigkeit“.

So wie Jäger spielte unter anderem auch die deutsche CDU-Politikerin Jana Schimke darauf an, dass von der Leyen immer wieder zu mehr Engagement für den Klimaschutz aufruft. Zuletzt sagte von der Leyen Anfang der Woche bei der UNO-Klimakonferenz in Glasgow: „Wir alle, weltweit, müssen viel mehr Tempo machen“.

„Logistisch keine andere Möglichkeit“

Die „Bild“ recherchierte nun, dass die frühere deutsche Verteidigungsministerin im Juni mit einem Charterjet von Wien in die slowakische Hauptstadt Bratislava geflogen war. Mit dem Auto beträgt die Strecke keine hundert Kilometer. Mit dem Zug dauert die Fahrt etwa eine Stunde. Ein Sprecher der EU-Kommission nannte auf dpa-Anfrage unter anderem zeitliche Gründe für den Flug. Von der Leyen habe noch am Abend in die lettische Hauptstadt Riga weiterfliegen müssen. Die Kommissionspräsidentin hätte viel Zeit verloren, wenn sie das Flugzeug in Wien gelassen hätte.

Die „Bild“ zitierte einen Behördensprecher mit den Worten: „Alternativen wurden geprüft, doch es gab logistisch keine andere Möglichkeit.“ Hinzugekommen sei, dass es wegen der Pandemie Bedenken gegeben habe, Linienflüge oder Züge zu nutzen.

„Daily Mail“: 52 Privatjets allein am Sonntag

Allen voran im britischen Boulevard sorgen die mit Privatjets nach Glasgow reisenden COP26-Teilnehmerinnen und -teilnehmer aber ohnedies seit Tagen für Debatten. Nach Schätzungen von „Daily Mail“ sollen während der zweiwöchigen Konferenz in Summe rund 400 Privatjets auf dem Flughafen der schottischen Hauptstadt landen. Allein am Sonntag wurden der Zeitung zufolge dort 52 Privatjets gezählt.

„Schlechtestes Timing aller Zeiten“

Für Debatten sorgt allerdings nicht nur die Art der Anreise, sondern auch die laufende Coronavirus-Pandemie und damit einhergehend die Frage, inwieweit ein Gipfel mit rund 28.000 erwarteten Beteiligten sicher abgehalten werden kann. Für reichlich Aufsehen sorgt in diesem Zusammenhang nun der am Mittwochabend bekanntgewordene positivie CoV-Test von Garcetti.

Der Bürgermeister von Los Angeles hatte zuvor unter anderem auch an einem Empfang mit mehr als 40 Menschen teilgenommen. Dabei waren auch der britische Premier Johnson und Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon anwesend.

„Wirklich besorgniserregend“

Aufgrund von großen Menschenmassen, dichtem Gedränge und langen Warteschlangen beim Klimagipfel in Glasgow zeigte sich eine schottische Gesundheitsexpertin wegen eines möglichen Ansteckungsrisikos der Teilnehmerinnen und Teilnehmer besorgt. „Das ist wirklich besorgniserregend, ich beobachte all das sehr ängstlich, weil ich weiß, wie fragil die Situation ist“, sagte die Forscherin Devi Sridhar von der Universität Edinburgh am Mittwoch in einem BBC-Interview.

Am Einlass des Zentrums muss täglich ein negativer Coronavirus-Schnelltest vorlegt werden. Im Vorfeld hatte der Gastgeber zudem eine vollständige Impfung empfohlen. Gesundheitsexpertin Sridhar sprach in dem Interview jedoch vom „schlechtesten Timing jemals“ für ein solches Treffen in einer Pandemie, erkannte aber die Dringlichkeit angesichts der drohenden Klimakatastrophe an.

Auch der schottische Gesundheitsminister Humza Yousaf räumte ein, die Konferenz stelle ein Covid-19-Risiko dar. Es bestehe die Gefahr, dass sich das Virus von den Delegierten aus auf die lokale Bevölkerung ausweite. Es gebe bereits erste Anzeichen, dass die Zahlen wieder steigen könnten. Die 7-Tage-Inzidenz bei den Neuinfektionen lag in Großbritannien zuletzt bei 416 (Stand: 28. Oktober), in Schottland mit 329 etwas unter dem Durchschnitt.