Bücherstapel auf der „Buch Wien“
APA/Georg Hochmuth
Gastland Russland

Dostojewski bei Buch Wien

Nach einer pandemiebedingten Pause im vergangenen Jahr hat die Buch Wien am Mittwochabend begonnen. Erstmals gibt es mit Russland ein Gastland. Dem Weltliteraten Fjodor Dostojewski ist zum 200. Geburtstag am Donnerstag eine Abendveranstaltung gewidmet.

Eine kontroversielle Diskussion über Russland unter Wladimir Putin sucht man im Programm vergebens – dabei ist Russland heuer das erste Gastland der Buch Wien. Tatsächlich wurde zwar schon länger überlegt, ähnlich wie Frankfurt und Leipzig Gastlandauftritte auch in Wien einzuführen, doch „Russland war gar nicht so sehr unser eigener Wunsch“, sagte Buch-Wien-Geschäftsführer Patrick Zöhrer im Gespräch mit der APA.

„Das kam 2019 durch den Sotschi-Dialog zustande.“ Damals wurde Bundespräsident Alexander Van der Bellen bei seiner Auslandsreise auch von einer hochkarätigen Kulturdelegation um die Salzburger Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler begleitet. Damals wurde die Idee geboren, dass sich Russland auf der Buchmesse in Wien und Österreich vice versa bei der Messe in Moskau präsentieren solle.

Programm durch Institut der Übersetzung

Der erste Gastlandauftritt, der sich mit einem 120-Quadratmeter-Stand (doppelt so groß wie die üblichen Messestände) räumlich eher bescheiden ausnehmen dürfte, aber immerhin eine eigene Ausstellung, eine eigenen Bühne und rund 30 Veranstaltungen auf und abseits der Messe aufbieten soll, wird vom seit Kurzem in Russland für Literatur zuständigen Ministerium für digitale Entwicklung in der Höhe von 47.300 Euro finanziert und inhaltlich vom Institut der Übersetzung in Moskau gestaltet.

Dieses ist formal keine staatliche Institution, weswegen laut dem amtsführenden Direktor Jewgeni Resnitschenko etwa auch eine Zusammenarbeit mit den USA möglich ist. Nicht immer freilich ist die angestrebte internationale Begegnung friktionsfrei. So habe der französische Präsident Emmanuel Macron 2019 einen russischen Stand auf der Pariser Buchmesse vermeiden wollen, heißt es.

Dostojewski als „Seismograf der Moderne“

Resnitschenkos Programmdirektorin Nina Litwinez hat Routine im Programmieren russischer Stände auf führenden Buchmessen, da das Institut immer wieder diesbezügliche Ausschreibungen gewonnen hat. „Bei Programmen als Spezialgast sehen wir unsere Aufgabe üblicherweise darin, die Literatur aus Russland zu präsentieren, sowohl zeitgenössische als auch klassische, Kultur und das Land in einer touristischen Hinsicht zu präsentieren“, sagte sie zur APA.

Als sehr günstig habe sich der Umstand erwiesen, dass in diesen Tagen der 200. Geburtstag von Dostojewski gefeiert werde: „Am 11. November wird es in der Österreichischen Nationalbibliothek einen Abend geben mit russischen und österreichischen Experten, mit einer Lesung aus den ‚Brüdern Karamasow‘ und auch einem musikalischen Teil.“ Der Abend steht unter dem Motto „Seismograf der Moderne“.

Keine „schwarzen Listen“

Das Institut der Übersetzung konzentriert sich bei der Autorenauswahl auf Fiktion, was allfällige Kontroversen im Sachbuchbereich zu vermeiden hilft, und auf Autorinnen und Autoren, deren Werke auf Deutsch übersetzt wurden. Schwarze Listen mit aus politischen Gründen missliebigen Literaten gebe es nicht, beteuerten Resnitschenko und Litwinez und sagten, dass ihr Institut etwa auch Übersetzungen von oppositionellen Schriftstellern wie Dmitri Bykow, Dmitri Gluchowski und Ljudmila Ulizkaja unterstützt habe.

Bei der Buch Wien sind nach Ansicht von Kennern indes zwar einige durchaus bekannte Autoren und Autorinnen wie Jewgeni Wodolaskin, Gusel Jachina und Viktor Remizow vertreten, aber niemand, der den Kreml verstören könnte.