Klimagipfel in Glasgow
AP/Alastair Grant
UNO-Klimagipfel

Für Van der Bellen „insgesamt zu wenig“

„Historisch“ nennen die einen die Ergebnisse des UNO-Klimagipfels in Glasgow, „enttäuschend“ die anderen. Die 200 Teilnehmerstaaten hatten zuvor die Abschlusserklärung gebilligt, mit der die Welt erstmals zum Kohleausstieg aufgefordert wird. Bundespräsident Alexander Van der Bellen hätte sich aber, wie viele andere auch, mehr gewünscht.

Eigentlich hätte die UNO-Klimakonferenz COP26 in Glasgow schon Freitagabend zu Ende gehen sollen. Erst mehr als 24 Stunden später konnte aber die Abschlusserklärung präsentiert werden. Klimaschützer kritisierten, dass am Samstagabend in letzter Minute die Formulierung zu einer Abkehr von der Kohle auf Betreiben Chinas und Indiens deutlich abgeschwächt wurde. Gefordert wird mit der Erklärung auch, „ineffiziente“ Subventionen für Öl, Gas und Kohle zu streichen.

Erhalten blieb auch das Bekenntnis zum 1,5-Grad-Ziel und zu einer schnelleren Überarbeitung der nationalen Klimaschutzziele. Dazu sollen die Staaten bis Ende 2022 ihre bisher unzureichenden Klimaschutzpläne nachschärfen. Das bleibt aber freiwillig, es gibt keine Pflicht.

Die bisher bei der UNO eingereichten Pläne reichen bei Weitem nicht aus, das 2015 in Paris vereinbarte 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. In der Erklärung wird festgehalten, dass dafür der Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase weltweit noch in diesem Jahrzehnt um 45 Prozent sinken muss. Viele Wissenschaftler haben erklärt, dass ein Überschreiten dieser Grenze zu einem deutlichen Anstieg des Meeresspiegels und katastrophalen Wetterextremen führen wird.

Einigung bei Weltklimakonferenz

Nach sehr langen Diskussionen haben sich die Teilnehmerstaaten des UNO-Klimagipfels in Glasgow doch noch zu einer Einigung durchgerungen. Es wurde ins Auge gefasst, dass sich die Welt von Kohle als Energieträger abwendet.

„Müssen zuversichtlich bleiben“

Van der Bellen zeigte sich am Sonntag auch skeptisch. „Auch wenn wichtige Fortschritte erzielt wurden, insgesamt reichen die Ergebnisse der UN-Klimakonferenz deutlich nicht aus, um die globale Erderhitzung auf 1,5 Grad zu begrenzen und die Klimakrise wirksam einzudämmen. Die Staatengemeinschaft muss ihre Ambitionen bis zur nächsten Klimakonferenz in Ägypten im Herbst 2022 deutlich erhöhen und den Ausstieg aus der Nutzung klimaschädlicher fossiler Energien beschleunigen“, appellierte der Bundespräsident via Aussendung.

„Wichtig ist das klare Bekenntnis zum 1,5-Grad-Ziel im Abschlussdokument der Konferenz. Als Fortschritte sind auch die neue Festlegung konkreter Klimaziele einzelner Staaten oder die Absichtserklärungen von Staatengruppen in den Bereichen Waldschutz, Begrenzung der Methan-Emissionen oder dem Ende des Verbrennungsmotors zu werten. Wirksam werden diese Ankündigungen aber nur, wenn sie auch umgesetzt werden“, so Van der Bellen.

Enttäuschend sei, dass das Bekenntnis zum Ausstieg aus der Kohlenutzung „in letzter Minute abgeschwächt wurde und finanzielle Zusagen an den globalen Süden nicht eingehalten wurden“, so Van der Bellen. „Dennoch müssen wir zuversichtlich bleiben und alles daransetzen, den Umbau für eine klimaneutrale Gesellschaft voranzutreiben.“

„Nicht das Ergebnis, für das die EU gekämpft hat“

Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) zeigte sich nach der Konferenz überzeugt, dass der Druck auf die wenigen Staaten, die den Klimaschutz blockieren, weiter steigen werde. Für ein Scheitern wie zuletzt bei der COP25 in Madrid „haben wir keine Zeit mehr.“ Sie hob die Verankerung des 1,5-Grad-Ziels als „starkes Ergebnis“ hervor:

„Wir haben einen Prozess in diesem Text verankert, mit dem wir uns schon kommendes Jahr für eine Nachbesserung der Klimaziele bis 2030 auseinandersetzen müssen.“ Gewessler hält aber auch in Anspielung an den abgeschwächten Kohleausstieg fest: „Am Ende ist das nicht das Ergebnis, für das die EU gekämpft hat.“ Es sei aber die Basis, mit der nun weitergearbeitet werde.

„Klimakatastrophe steht weiter vor der Tür“

Kritik kam auch von UNO-Generalsekretär Antonio Guterres. Für ihn steht die „Klimakatastrophe weiter vor der Tür“. Die in Glasgow erzielten Fortschritte seien „nicht genug“ und „voller Widersprüche“. Es sei Zeit, in den Notfallmodus zu gehen, twitterte er. Die Umweltministerin der Malediven, Aminath Shauna, erklärte mit Blick auf die aus ihrer Sicht zu geringen Anstrengungen gegen den Klimawandel: „Für die Malediven wird es zu spät sein.“

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte, die Beschlüsse von Glasgow hielten die Pariser Klimaziele am Leben. „Das macht uns zuversichtlich, dass wir der Menschheit einen sicheren und gedeihlichen Platz auf diesem Planeten bieten können.“ Die Verhandler in Glasgow hätten wichtige Fortschritte gemacht, erklärte die Kommissionschefin weiter. „Aber wir haben noch harte Arbeit vor uns.“

Scharfe Kritik von Umweltorganisationen

Die Umweltschutzorganisation Global 2000 kritisierte die „zahnlosen“ Beschlüsse und befürchtet, dass es mit den bisherigen Plänen einen Anstieg der Treibhausgasemissionen bis 2030 geben werde statt der geforderten Senkung um 45 Prozent. Entsprechend könne auch das 1,5-Grad-Ziel nicht eingehalten werden.

Für Greenpeace ist das Ergebnis neben einiger schwacher Lichtblicke nicht mehr als ein „fauler Kompromiss“: „Mit dem globalen Emissionshandel wurde für die Staaten eine Hintertür geöffnet, um sich ein grünes Mäntelchen umzuhängen und sich aus der Verantwortung zu stehlen.“ Echter Klimaschutz werde dadurch verwässert. Auch Gewessler, die für die EU die Verhandlungen in dieser Sache geführt habe, habe ihr Versprechen, Schlupflöcher im Handelssystem zu schließen, nicht halten können.

„Blah, blah, blah“

Die Klimaaktivistin Greta Thunberg brachte ihre Enttäuschung in einem kurzen Twitter-Statement Samstagabend zum Ausdruck: „Die COP26 ist vorbei. Hier ist eine kurze Zusammenfassung: Blah, blah, blah. Aber die echte Arbeit geht außerhalb der Hallen weiter. Wir werden niemals aufgeben, niemals.“

Vom „ambitionslosen Ergebnis“ enttäuscht reagierte auch der WWF Österreich. Damit bleibe die Welt meilenweit vom 1,5-Grad-Ziel entfernt: „Wieder einmal ist es den Bremsern und Blockierern gelungen, wichtige Fortschritte zu verhindern und die Gipfelbeschlüsse an entscheidenden Punkten zu verwässern.“

Schnelle Umsetzung der Beschlüsse gefordert

Der renommierte schwedische Klimaforscher Johan Rockström hat nach den Beschlüssen der Weltklimakonferenz in Glasgow eine schnelle Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen angemahnt. „Vor Glasgow war die Welt auf einem Desasterpfad, nach Glasgow sind wir noch immer auf einem gefährlichen Pfad“, sagte der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung am Sonntag. „Das ist ein deutlicher Fortschritt, aber bei Weitem nicht ausreichend.“

Selbst wenn alle Ankündigungen umgesetzt würden – und das sei ein großes „Wenn“ – habe man nach aktuellen Berechnungen nur eine 50-prozentige Chance, die Erderhitzung unter zwei Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu halten. Die Weltklimakonferenz bekannte sich jedoch eigentlich klar zu dem Ziel, die Erderwärmung bei 1,5 Grad stoppen, um katastrophale Folgen zu vermeiden. Dafür sollen die bisher völlig unzureichenden Klimaschutzpläne der Staaten bis Ende des nächsten Jahres nachgeschärft werden. Rockström bezeichnete das als den „womöglich wichtigsten Satz der Abschlusserklärung“.