EIn Schüler und eine Lehrerin im Unterricht.
APA/Harald Schneider
Schulen bleiben offen

Aber „Appell daheimzubleiben“

Am Montag geht ganz Österreich für bis zu 20 Tage in einen Lockdown – die Wohnung bzw. das Haus darf in dieser Zeit nur in Ausnahmefällen verlassen werden. Schulen und Kindergärten bleiben grundsätzlich geöffnet, wie nach Verhandlungen der Regierung mit den Landeshauptleuten am Freitag bekanntwurde. In den Schulen gibt es einen „Präsenzunterricht für all jene, die es benötigen“. Eltern werden aber aufgefordert, ihre Kinder zu Hause zu lassen, sofern das möglich ist.

Laut Bildungsministerium gilt damit jene Regel, die zuletzt für Oberösterreich und Salzburg getroffen wurde, ab Montag für ganz Österreich. Der Stundenplan bleibt also aufrecht. Kinder, die nicht in die Schule gehen wollen, dürfen daheimbleiben. Dafür reicht eine Entschuldigung der Eltern, ein ärztliches Attest ist nicht nötig. Die Erlaubnis zum Fernbleiben gilt dabei laut Erlass tageweise – stundenweises Ein- und Auschecken ist nicht möglich.

In den Schulen gilt durchgehend Maskenpflicht: Kinder in Volksschulen, AHS-Unterstufen, Mittelschulen und Sonderschulen müssen zumindest einen Mund-Nasen-Schutz (MNS) tragen, alle anderen Schüler sowie Lehrer eine FFP2-Maske.

Tests in Schulen gehen wie gewohnt weiter

Wer in die Schule kommt, muss sich wie bisher dreimal die Woche testen lassen (ausgenommen sind nur Genesene). Gibt es einen Infektionsfall, müssen alle anderen Schülerinnen und Schüler fünf Tage lang täglich zumindest einen Antigen-Test durchführen. Die Maske muss auch im Unterricht getragen werden, beim Lüften sind Maskenpausen einzuplanen. Schularbeiten und Tests sollen in der Lockdown-Phase grundsätzlich vermieden werden.

Flächendeckendes Distance-Learning gibt es nicht, da der Unterricht grundsätzlich in Präsenz stattfindet – Kinder, die nicht in die Schule kommen, sollen sich aber über die durchgenommenen Stoffgebiete bei den zuständigen Lehrerinnen und Lehrern informieren können. Sie können auch Lernpakete für daheim erhalten. Falls sie die technischen Möglichkeiten haben und die Lehrer das anbieten, können sie sich auch von daheim in den Unterricht „dazuschalten“. Eine Verpflichtung dazu besteht nicht.

„Eines der schwierigsten Themen im Lockdown“

Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) sagte, die Schulen seien „eines der schwierigsten Themen im Lockdown“, es sei eine „Herausforderung für die Familien“. Der Weg, auf den man sich geeinigt habe, sei der von Salzburg und Oberösterreich.

Schallenberg verwies auf den stattfindenden Präsenzunterricht, aus dem Eltern ihre Kinder herausnehmen können – und das nach Möglichkeit auch sollen. „Wo es möglich ist, sollten Kinder zu Hause betreut werden“, so Schallenberg auch in Bezug auf extrem hohe Fallzahlen in diesen Altersgruppen. In diesem Zusammenhang räumte er ein, dass Präsenz in Schulen in Sachen Tests ein Vorteil sei. Schließlich werde dort regelmäßig getestet – jedenfalls öfter als zu Hause, so Schallenberg sinngemäß.

Faßmann: „Schule ist offen, sorgt auch für Unterricht“

„Insgesamt froh“ über die für die Schulen getroffene Regelung zeigte sich ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann. Diese komme sowohl Eltern als auch Schülern und Lehrpersonen entgegen: „Es gibt keine Form des hybriden Unterrichts, wo Lehrerinnen und Lehrer gleichzeitig Distance-Learning betreuen müssen und auch Präsenzunterricht haben“, meinte Faßmann.

„Das Wesentliche ist: Die Schule ist offen, sie sorgt nicht nur für Betreuung, sondern auch für Unterricht“, betonte der Minister. Abgesichert werde der Betrieb durch eine durchgehende Maskenpflicht sowie dreimal wöchentliche Tests für alle. Gleichzeitig könne man die Klassen entdichten – jene Eltern, für die Homeoffice möglich ist, könnten ihre Kinder auch daheimlassen, wenn sie das wollen.

„Distance-Learning möglich, wenn alle zu Hause bleiben“

Distance-Learning sei dann möglich, wenn etwa eine ganze Klasse daheimbleibe, meinte Faßmann. Wenn die technischen Möglichkeiten vorhanden sind, könne außerdem auch ein synchroner Hybridunterricht stattfinden, bei dem der Präsenzunterricht per Kamera nach Hause übertragen wird.

Bei den Schularbeiten und Tests gibt es zwar die grundsätzliche Vorgabe, diese während der Lockdown-Phase nicht stattfinden zu lassen. Wenn aber etwa praktisch alle Schüler anwesend seien bzw. sie unaufschiebbar sind, könnten sie durchgeführt werden. „Man kann sie aber auch ganz entfallen lassen, wenn anderweitig eine gesicherte Leistungsbeurteilung möglich ist.“

Der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) sprach in einer Aussendung von einem „kombinierten Modell“ aus „Präsenz und Distance-Learning“, womit gesichert sei, dass alle Schülerinnen und Schüler – unabhängig davon, ob sie in der Schule oder daheim sind – den gleichen Lernstoff vermittelt bekämen. „Damit werden auch langfristig negative Folgewirkungen für Schülerinnen und Schüler verhindert“, teilte Kaiser mit.

Kimberger: „Kommunikation eine Katastrophe“

In ersten Reaktionen zeigten sich die Betroffene in Schulen enttäuscht, betroffen und ob der Kurzfristigkeit entsetzt – viele hatten via Medien über die bereits am Montag gültigen Regeln erfahren.

Kritik kam etwa vom obersten Lehrervertreter Paul Kimberger (FCG). „Die politische Kommunikation ist eine Katastrophe – man hört von allen Seiten etwas anderes“, meinte der Vorsitzende der ARGE Lehrer in der GÖD. „Ich habe meine Zweifel, ob diese Maßnahmen wirklich dazu führen, die extrem hohen Inzidenzen an den Schulen zu senken.“

Man werde ab Montag sehen, ob die Appelle vom Bundeskanzler abwärts, die Kinder nach Möglichkeit nicht in die Schule zu schicken, auch helfen, so Kimberger. „Aus meiner Sicht sind die Maßnahmen ungenügend, um Lehrerinnen und Lehrer, aber auch Kinder und Familien, die man ja auch mitdenken muss, zu schützen. In Wirklichkeit müssten jetzt die Präsenzphasen deutlich reduziert werden. Was uns von Virologen empfohlen wird – Kontaktreduzierung, Abstand –, das müsste auch in der Schule umgesetzt werden.“

Offenbar spiele der Gesundheitsschutz an den Schulen nur eine untergeordnete Rolle. „Wir haben bedenkliche Inzidenzen und viele Schülerinnen und Schüler und Lehrkräfte in Quarantäne“, so Kimberger. „Von den Gesundheitsbehörden kommt auch nicht die Unterstützung, die wir dabei brauchen.“ Daher bestehe die Gefahr, dass die Inzidenzen an den Schulen trotz Lockdown hoch bleiben.

AHS-Direktoren fordern Entscheidungsmöglichkeit

Die AHS-Direktoren forderten in einer Aussendung die Möglichkeit zur Entscheidung über die Form des Unterrichts – also ob in Präsenz oder digital gelehrt wird. Das soll am Standort im Einvernehmen mit dem Kollegium festgelegt werden, und zwar auf Basis der regionalen Infektionslage und speziellen Standortgegebenheiten. Auch das Heimschicken von Klassen im behördlichen Auftrag am Standort soll an der Schule entschieden werden dürfen – mit nachträglicher „Absegnung“ durch die Gesundheitsbehörden.

„Enttäuscht, verärgert und verbittert“

Der Vorsitzende der Wiener Direktoren, Michel Fleck, äußerte sich „enttäuscht, verärgert und verbittert, dass man nach all den Monaten der Krise noch immer nicht verstanden hat, wie man mit uns kommuniziert“.

Reaktion auf Verschärfungen in Schulen

Christian Hofmann ist im Gymnasium in der Wiener Anton-Krieger-Gasse. Dort gibt es Kritik an den Maßnahmen.

Man erfahre das über die Medien, die Telefone würden „heißlaufen“, so Fleck. Die Eltern fragten sich: „Es ist jetzt Freitag – was ist am Montag?“ Und, so Fleck, „alles, was man den Leuten sagen kann, ist: ‚Bitte schaut auf ORF.at!‘ Das kann so nicht sein“. Für Schulen und Eltern gleichermaßen sei Planung nötig, auch Hybridunterricht sei mehr, als in die Klasse zu gehen und die Kamera aufzudrehen: „Das funktioniert so nicht.“ Normaler Präsenzunterricht wäre der „beste Weg“ gewesen, so Fleck. „Die Willkür – manche kommen und manche kommen nicht: Das macht Planungen unmöglich“, meinte der Direktor einer Wiener Schule.

NEOS: „Offene Schulen muss offene Schulen heißen“

NEOS begrüße die Ankündigung, dass Schulen offen bleiben, wie Bildungssprecherin Martina Künsberg Sarre per Aussendung mitteilte. Das dürfe aber „nicht wieder ein leeres Versprechen bleiben, indem man den Nachsatz ,für alle, die es benötigen‘ anfügt und so enormen Druck ausübt“, so Künsberg Sarre. „Offen muss offen heißen. Eltern, die ihre Kinder in die Schule schicken, (…) dürfen nicht wieder stigmatisiert werden“, so die NEOS-Bildungssprecherin.

FPÖ-Bildungssprecher Hermann Brückl warf Faßmann in einer Aussendung indes das Untergraben der Schulpflicht durch seine „Wischi-Waschi-Lösung“ vor. Die Kinderfreunde äußerten sich in einer ersten Reaktion per Aussendung hingegen „wütend über das Ignorieren der Rechte junger Menschen durch die Regierung“, wie es hieß. Nun müssten „abermals 1,5 Mio. Kinder und Jugendliche den Preis für dieses politische Versagen zahlen“, so Bundesvorsitzender Jürgen Czernohorszky.

„Dramatische Auswirkungen auf psychische Gesundheit“

Die Bundesjugendvertretung (BJV) appellierte an die Regierung, dass die „Jüngsten nicht erneut die Hauptlast der Pandemiemaßnahmen tragen“ dürften. Die Einschränkungen im Schulbetrieb seien „dramatisch“. Für viele sei der Unterricht im Distance-Learning nicht bewältigbar und habe dramatische Auswirkungen auf die psychische Gesundheit. Es dürfe „jetzt keine Barrieren geben, auch an den Schulen lernen zu können“, so BJV-Vorsitzender Sabir Ansari.

Keine Vorgaben für Unis

Für die Hochschulen wird es keine Vorgaben seitens des Ministeriums geben, wie es aus dem Bildungsministerium hieß. Viele Hochschulen stellen ihren Betrieb um.

ÖH mit Forderungen

Kritik an der Regierung übte die Österreichische Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft (ÖH): Für Studierende drohe das vierte Onlinesemester. „Wir Studierende haben eine der höchsten Impfquoten von 82 Prozent. Es kann nicht sein, dass unsere Hochschulen zumachen müssen, weil die Regierung das Pandemiemanagement verschlafen hat“, wurde ÖH-Vorsitzende Sara Velic zitiert. Gefordert wurden „sichere Maßnahmen für den Hybridbetrieb und kein Zurück zu reiner Onlinelehre“.