Die chinesische Tennisspielerin Peng Shuai
AP/Andy Wong
Affäre Peng

Zhang brachte Olympia 2022 nach Peking

Die Affäre rund um mutmaßliche sexuelle Übergriffe des hochrangingen mittlerweile pensionierten chinesischen Funktionärs Zhang Gaoli – er ist auch ehemaliger Vizepremier – auf die weltbekannte Tennisspielerin Peng Shuai zieht sehr zum Missfallen Pekings weitere Kreise. So war laut „Wall Street Journal“ („WSJ“) Zhang in seiner aktiven Zeit dafür verantwortlich, die Olympischen Winterspiele 2022 nach Peking zu holen.

Zhang ist nicht nur ehemaliger Vizepremier, sondern auch pensioniertes Mitglied des Politbüros der chinesischen kommunistischen Partei. Zhang soll allerdings immer darauf bedacht gewesen sein, für einen Staatsvertreter seiner Größenordnung so wenig wie möglich aufzufallen. Einer seiner Förderer war laut einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ („SZ“) der Vater des jetzigen Präsidenten Xi Jinping.

Während seiner aktiven Zeit habe er den Ruf eines mächtigen und sehr geschickten Technokraten gehabt, so die „WSJ“. Deshalb sei er auch damit beauftragt worden, in den Augen Pekings äußerst wichtige Aufgaben zu lösen. Darunter fiel auch die Bewerbung Chinas für die Olympischen Spiele 2022. Zhang saß etwa einer Lenkungsgruppe vor, die laut Dokumenten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) die Bewerbung „anleiten, unterstützen und beaufsichtigen“ sollte.

Der ehemalige chinesische Vize-Premier Zhang Gaoli
Reuters
Zhang Gaoli 2016, als er noch Vizepremier und für die Olympischen Spiele in Peking 2022 zuständig war

„Anweisungen für so gut wie alles“

Der Gruppe gehörten etwa auch die „Leiter aller relevanten Ministerien“ an, wie laut „WSJ“ den IOC-Dokumenten zu entnehmen ist. Diese Funktion brachte Zhang auch mit höchstrangigen IOC-Funktionären zusammen, darunter IOC-Präsident Thomas Bach. In seiner Rolle als Vizeministerpräsident begrüßte Zhang wiederum ausländische Staatsgäste.

Offizielle Ankündigungen der chinesischen Regierung „feierten“ Zhang als Leiter der Steuerungsgruppe. Er gebe Anweisungen für so gut wie alles, von der Konstruktion der Stadien bis hin zu Transportfragen, hieß es darin. 2018 schließlich übergab Zhang bei seiner Pensionierung die Aufgaben an seinen Nachfolger.

IOC-Präsident Thomas Bach
AP/Petros Giannakouris
IOC-Chef Thomas Bach bei einer Rede Mitte Oktober in Olympia in Griechenland

Nach schweren Vorwürfen zwei Wochen verschwunden

Peng, Doppel-Siegerin in Wimbledon und bei den French Open, war mehr als zwei Wochen lang nicht in der Öffentlichkeit gesehen worden, nachdem sie am 2. November im Onlinedienst Weibo Vergewaltigungsvorwürfe gegen den heute 75-jährigen Zhang erhoben hatte. Peng wirft Zhang vor, sie in der Vergangenheit zum Sex gezwungen zu haben. Peng und Zhang hatten über Jahre eine Beziehung mit vielen Unterbrechungen geführt.

Die meisten Chinesen dürften von Pengs Vorwürfen allerdings nichts erfahren haben. Die Vorwürfe waren von den chinesischen Zensurbehörden raschest aus den Onlinediensten entfernt worden – von nur zwanzig Minuten war in Medien die Rede. Zwar hatten Internetnutzer Screenshots von Pengs entsprechendem Weibo-Beitrag gemacht. Auch diese wurden aber von den Zensurbehörden gelöscht.

Peng Shuai und Thomas Bach während einer Videokonferenz
Reuters/IOC/Greg Martin
IOC-Chef Bach bei der Videoschaltung mit Peng

Videotelefonat sorgt für Aufregung

Am Wochenende war die 35-Jährige dann – Aufnahmen in staatlichen Medien zufolge – erstmals wieder in der Öffentlichkeit gesehen worden, als sie in Peking ein Tennisturnier besuchte. Am Sonntag führte sie nach Angaben des IOC ein Videotelefonat mit dessen Präsidenten Bach.

Das Videogespräch führte zu einer heftigen Kontroverse. Unter anderem zeigten sich die WTA, die Sportlervereinigung Global Athlete und Amnesty International irritiert und warfen dem IOC teils vor, sich damit mitschuldig zu machen. In einer Stellungnahme am Montagabend wehrte sich aber das IOC. „Der Hauptzweck des Anrufs bestand darin, sich nach dem Wohlergehen und der Sicherheit von Peng Shuai zu erkundigen“, hieß es in der Mitteilung. „Der Schutz des Wohlergehens der Athleten ist für das IOC und die olympische Bewegung von größter Bedeutung. Wir haben vereinbart, in Kontakt zu bleiben, und sie hat einem Treffen in Peking im Jänner zugestimmt.“

Der ehemalige chinesische Vize-Premier Zhang Gaoli bei der Zeremonie zum Auftakt der Winterspiele 2017
Reuters/Jason Lee
Zhang bei der Präsentation des Emblems für die Olympischen Winterspiele in Peking 2022 im Dezember 2017

Handshake zwischen Zhang und IOC-Präsident

Die 35-jährige Weltklasse-Doppel-Spielerin habe in der 30-minütigen Videoschaltung mit Bach gleichzeitig darum gebeten, dass ihre Privatsphäre in jeder Hinsicht respektiert werde. „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir uns aus Rücksicht auf Ihre Privatsphäre nicht weiter äußern werden“, teilte das IOC mit.

Vor dem Gespräch standen in der Affäre der Verbleib von Peng und ihre Sicherheit im Vordergrund, und Zhang bekam relativ wenig Aufmerksamkeit, so die „WSJ“. Das änderte sich allerdings kurz nach dem Videogespräch, als ein Foto aus dem Jahr 2016, auf dem IOC-Präsident Bach mit Zhang beim Händeschütteln in Peking zu sehen ist, in sozialen Netzwerken die Runde machte. Das IOC sieht in der Verbindung von Bach und Zhang in der Affäre Peng „kein Problem“.

„Wie Vertreter von Regierungen, Unternehmen, internationalen Organisationen und vielen anderen treffen sich auch Vertreter des IOC regelmäßig mit ihren Kollegen. Das ist öffentlich bekannt“, hieß es dazu laut „WSJ“ in einer Stellungnahme von IOC-Sprecher Mark Adams.

International Aufklärung gefordert

Auch nach dem Gespräch mit Bach, von dem allerdings eben keine Inhalte bekanntwurden, sorgt man sich international weiter um Peng. Die EU forderte von China „überprüfbare Beweise“ für den Aufenthaltsort und das Wohlergehen von Peng sowie eine Aufklärung der Vergewaltigungsvorwürfe. „Wir drängen auf eine vollständige und transparente Untersuchung“, sagte die außenpolitische Sprecherin der EU, Nabila Massrali, der Nachrichtenagentur AFP am Dienstag.

Brüssel habe die Bilder von einem öffentlichen Auftritt der Tennisspielerin am Wochenende zur Kenntnis genommen. „Die Informationen über die Missbrauchsvorwürfe und die Tatsache, dass sie zwei Wochen lang nicht gesehen wurde, sind jedoch weiterhin sehr besorgniserregend“, erklärte Massrali weiter. Nachfragen über Pengs Wohlergehen seien damit nach wie vor „legitim“.

Auch Menschenrechtsgruppen und Sportbehörden äußerten sich weiterhin besorgt über Pengs Wohlergehen und bezweifelten, dass die Behörden auf ihre Anschuldigungen reagieren werden. Die UNO, die USA und Großbritannien hatten ebenfalls Beweise für das Wohlergehen Pengs gefordert.

China: Thema böswillig aufgebauscht

Chinas Regierung äußerte sich am Dienstag erstmals direkt zur Affäre Peng. Ein Sprecher des Außenministeriums reagierte bei einer Pressekonferenz ungehalten auf die Frage, ob Chinas internationaler Ruf unter dem Fall leide: „Ich denke, einige Leute sollten aufhören, dieses Thema absichtlich und böswillig aufzubauschen, geschweige denn zu politisieren“, sagte Zhao Lijian. „Ich denke, Sie alle haben gesehen, dass sie neulich öffentliche Veranstaltungen besucht und einen Videocall mit IOC-Präsident Thomas Bach geführt hat“, so Zhao weiter. Peking hatte zuvor lange jeglichen Kommentar abgelehnt, denn es handle sich nicht um eine diplomatische Angelegenheit.