Zerstörung nach Ausschreitungen auf den Salomonen
AP/Piringi Charley
Salomonen

Im Sog von Gewalt und Geopolitik

Seit Mitte der Woche wird der Pazifikstaat Salomonen von politischen Unruhen erschüttert. Plünderer zogen durch mehrere Viertel der Hauptstadt Honiara, setzten Gebäude in Brand und räumten Geschäfte leer. Auslöser ist eine Mischung aus ethnischen Rivalitäten, außenpolitischen Divergenzen und Armut.

Tausende Menschen, teils mit Äxten und Messern bewaffnet, marschierten auch am Freitag durch die Hauptstadt. In Chinatown setzte die Menge ein Lagerhaus in Brand, was eine Explosion auslöste und zahlreiche Menschen in die Flucht trieb. Es gab auch Berichte über ein in Flammen stehendes Tabaklager, Rauchschwaden hüllten die Hauptstadt in Dunst. In einem ausgebrannten Gebäude wurden drei Tote gefunden.

Die Polizei nahm mehr als 100 Menschen fest, die sich beteiligt haben sollen. Es dauerte Stunden, bis sich die Lage wieder beruhigte. Tankstellen, Geschäfte und andere Einrichtungen öffneten am Samstag wieder, die Stimmung blieb aber angespannt. Schwer bewaffnete Polizisten waren auf den Straßen zu sehen, Anrainer begannen mit Aufräumarbeiten.

Proteste am Mittwoch aufgeflammt

Die gewalttätigen Proteste waren am Mittwoch aufgeflammt. Die Demonstranten fordern den Rücktritt von Regierungschef Manasseh Sogavare. Am Freitag feuerte die Polizei Tränengas und Warnschüsse ab, um zu verhindern, dass Plünderer die Privatresidenz von Sogavare stürmten.

Zerstörung nach Ausschreitungen auf den Salomonen
Reuters/Zfm Radio
Seit Mittwoch wurden in Honiara zahlreiche Gebäude angegriffen und teils niedergebrannt

Australien greift wieder ein

Auf Bitten Sogavares entsandten Australien und Papua-Neuguinea Sicherheitskräfte, um die Lage auf der rund 700.000 Einwohnerinnen und Einwohner zählenden Inselgruppe 2.000 Kilometer nordöstlich von Australien zu beruhigen. Bis auf Weiteres wurde eine nächtliche Ausgangssperre für Honiara zwischen 19.00 und 6.00 Uhr verhängt.

Australien hat die Salomonen bereits in der Vergangenheit unterstützt, als es 2003 nach Jahren blutiger ethnischer Gewalt eingriff. Die internationale Polizei- und Militärtruppe unter australischer Führung trug zur Wiederherstellung des Friedens bei und zog 2017 wieder ab.

Die Ursachen für die Unruhen sind vielfältig, darunter Wut auf die Regierung, wirtschaftliche Schwierigkeiten, die durch die Covid-19-Pandemie verschärft wurden, und die historische Rivalität zwischen den Bewohnern der bevölkerungsreichsten Insel des Landes, Malaita, und der Insel Guadalcanal, auf der die Regierung ihren Sitz hat.

Der Premier der Salomonen, Manasseh Sogavare
AP/Rick Rycroft
Regierungschef Sogavare weist Rücktrittsforderungen zurück: „Ich werde mich vor niemandem beugen“

China versus Taiwan

Der Streit zwischen der Regierung und der Provinz hat aber auch eine außenpolitische Komponente. Die Salomonen haben sich vor zwei Jahren entschieden, die seit dem Jahr 1983 bestehenden Beziehungen zu Taiwan aufzukündigen und stattdessen die Volksrepublik China anzuerkennen. Der Regionalministerpräsident von Malaita, Daniel Suidani, hielt damals an den Beziehungen zu Taiwan fest. Er warf Sogavare vor, „die Interessen von Ausländern über die der Salomon-Insulaner gestellt“ zu haben.

Suidani sagte dem „Guardian“, die Proteste seien die Folge davon, dass die Regierung den Menschen nicht zuhöre und sich nicht mit ihren Anliegen auseinandersetze. „Meiner Meinung nach muss die Regierung den Menschen alles sagen, was sie wissen wollen. Sie können nicht vor Problemen weglaufen. Das wird nichts lösen“, sagte er. Mangelnde staatliche Dienstleistungen, Korruption und chinesische Unternehmen, die Ausländern statt Einheimischen Arbeit geben würden, seien verantwortlich.

Sogavare wies die Vorwürfe gegen seine Regierung in einem Interview mit der Australian Broadcasting Corporation zurück und sagte, die Proteste seien ausschließlich auf den diplomatischen Wechsel und ausländische Mächte zurückzuführen. „Genau diese Länder, die Malaita jetzt beeinflussen, sind die Länder, die keine Beziehungen zur Volksrepublik China wollen, und sie halten die Salomonen davon ab, diplomatische Beziehungen aufzunehmen und sich an das Völkerrecht und die Resolution der Vereinten Nationen zu halten.“

Malaita versus Guadalcanal

Diese Probleme sind nur die jüngsten in der Rivalität zwischen Malaita und Guadalcanal, wo sich die Hauptstadt Honiara befindet, sagte Jonathan Pryke, Direktor des Programms für Pazifische Inseln des in Sydney ansässigen Thinktanks Lowy Institute. „Die meisten Ursachen für die Spannungen gibt es schon seit vielen Jahrzehnten und Generationen, und vieles davon ist auf die bittere Armut des Landes, die begrenzten wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten und die Rivalität zwischen den beiden bevölkerungsreichsten Inseln zurückzuführen“, sagte er. „Jeder zeigt mit dem Finger auf andere, aber man muss auch auf die politische Führung der Salomonen zeigen.“

Zerstörung nach Ausschreitungen auf den Salomonen
APA/AFP/Charley Piringi
Rivalitäten in dem armen Pazifikstaat bestehen seit Jahrzehnten

Pryke zufolge geht es bei den derzeitigen Protesten weniger um geopolitische Belange, sondern vielmehr um die Frustration über den Mangel an Möglichkeiten für die überwiegend junge Bevölkerung und die Konzentration eines Großteils des Reichtums des Landes in der Hauptstadt.

„Ich garantiere Ihnen, dass die große Mehrheit der Menschen, die an den Ausschreitungen und Plünderungen beteiligt war, weder China noch Taiwan auf einer Landkarte ausmachen könnte“, sagte er. „Sie waren dort, weil sie nur sehr begrenzte wirtschaftliche Möglichkeiten haben. Es ist ein sehr armes Land mit hoher Jugendarbeitslosigkeit, und das zeigt nur, wie schnell diese Dinge in einem unbeständigen Land außer Kontrolle geraten können.“

Für USA von sicherheitspolitischem Interesse

Andrew Yang, Professor an der taiwanesischen Nationalen Sun Yat-sen Universität und ehemaliger stellvertretender Verteidigungsminister, sagte dagegen, die Lage sei „Teil des Machtkampfes zwischen den Vereinigten Staaten und China, weil China seinen Einfluss auch auf den pazifischen Raum ausdehnt und diese Gelegenheit nutzt, um die indopazifische Sicherheitsstrategie der USA zu gefährden“, sagte er. „Die Inselstaaten im Südpazifik sind also ein äußerst wichtiger Teil des Sicherheitsschirms der USA.“

Der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Zhao Lijian, verurteilte am Freitag die Gewalt und betonte die Unterstützung Pekings für die Regierung der Salomonen. Er sagte, China ergreife Maßnahmen, um die Sicherheit und die Rechte der chinesischen Bevölkerung und Institutionen im Land zu schützen. Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Peking „hat die aufrichtige Unterstützung des Volkes gewonnen“, und „alle Versuche, die normale Entwicklung der chinesisch-salomonischen Beziehungen zu untergraben, sind sinnlos“.