Justizministerin Alma Zadic
APA/Michael Gruber
WKStA-Kritik mit heikler Hilfe

Zadic lädt Rechtsschutzbeauftragte vor

Ende Oktober hat die Rechtsschutzbeauftragte der Justiz, Gabriele Aicher, mit scharfer Kritik an der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in Sachen ÖVP-Ermittlungen für Aufsehen gesorgt. Die ÖVP nutzte die Stellungnahme Aichers anschließend medial für Angriffe auf die WKStA. Doch nun berichteten „Standard“ und „Spiegel“, Aicher sei von einer Anwaltskanzlei beraten worden, die auch mehrere Beschuldigte vertritt. Justizministerin Alma Zadic (Grüne) lädt Aicher nun zum Gespräch.

„Die Unabhängigkeit der Justiz muss zu jedem Zeitpunkt gewahrt und auch nach außen hin sichtbar sein“, betonte Zadic in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber der APA. „Deshalb habe ich unmittelbar nach Bekanntwerden der Vorwürfe eine umfassende Prüfung durch die Beamt:innen des Hauses angeordnet und die Rechtsschutzbeauftragte zu einem Gespräch ins Ministerium geladen.“

Aicher, die in ihrer Funktion für die Kontrolle bestimmter sensibler Ermittlungsmaßnahmen der Staatsanwaltschaften zuständig ist, hatte Ende Oktober harsche Kritik an Ermittlungen der WKStA geübt, vor allem an jenen gegen das Medienhaus „Österreich“ und den dort vorgenommenen Razzien im Zusammenhang mit der Inseratenkorruptionsaffäre um die ÖVP und Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz. Sie sah hier „eine rote Linie des Rechtsstaates überschritten“. Sie ortete aber auch Fehlverhalten der WKStA in anderen Fällen.

Von ihr angesprochen wurde auch, dass die Sicherstellung von Handys, die dann möglicherweise mit Rückgriff auf Speicher in der Cloud ausgiebig und auch auf der Suche nach Zufallsfunden ausgewertet werden, ein Fall sein könnten, um beim Obersten Gerichtshof (OGH) eine Nichtigkeitsbeschwerde einzulegen. Auffällig war jedenfalls die drastische Wortwahl, die Aicher anschließend auch in Interviews wählte.

Dokument in Anwaltskanzlei erstellt

Nun berichtet der „Standard“ allerdings, dass in den Metadaten des Dokuments, in dem die Kritik an ausgewählte Boulevardmedien wie die „Kronen Zeitung“ ging, die Kanzlei Ainedter als Erstellerin angeführt wird. Zu deren Klienten gehört laut Bericht etwa der einstige Medienbeauftragte im Kanzleramt Gerald Fleischmann, gegen den die WKStA im Zusammenhang mit der Inseratenkorruptionsaffäre ermittelt. Außerdem vertritt die Kanzlei auch Ex-Vizekanzler Josef Pröll (ÖVP), gegen den die WKStA in der Causa Casinos/Postenschacher rund um die Bestellung von Peter Sidlo (FPÖ) in den Vorstand des teilstaatlichen Glücksspielkonzerns wegen des Vorwurfs der Untreue und Bestechung ermittelt.

Aicher bestätigt „Beratung“

Auf Anfrage des „Standard“ bestätigte Aicher, sie habe sich „von meinen anwaltlichen Vertretern auf Basis meines Vortrags“ bei der Pressemitteilung beraten lassen. Mit Ainedter sei sie „seit Jahren freundschaftlich verbunden“, sagte sie dem „Standard“: Sie habe Ainedter schon vergangenes Jahr auf eigene Kosten mit ihrer Vertretung beauftragt. Der Grund: Sie habe befürchtet, dass ihre „in Wahrnehmung meiner Pflichten gemachten Äußerungen ‚gegen die WKStA‘ mit Anzeigen und unrichtiger medialer Berichterstattung einhergehen können“.

In einem Folgeartikel berichtete der „Standard“ nun, dass Aicher auf Anfrage zunächst andere Angaben machte und erst in weiterer Folge und auf konkrete Nachfrage den Kontakt zu Kanzlei Ainedter bestätigte. Ainedter berief sich gegenüber dem „Standard“ auf seine Verschwiegenheitspflicht.

Aicher hat ihr Amt im April dieses Jahres angetreten. Als Rechtsschutzbeauftragte kontrolliert sie unter anderem die Genehmigung, Bewilligung und Durchführung von verdeckten Ermittlungen, optischer oder akustischer Überwachung von Personen oder Verfahren, in denen eine Weisung auf Einstellung des Verfahrens erteilt wurde. Dabei ist ihr Büro zwar im Obersten Gerichtshof (OGH) angesiedelt. Es handle sich allerdings bei der Rechtsschutzbeauftragten um kein Organ des OGH, und sie sei diesem auch nicht zugehörig, wie der OGH zuletzt klargestellt hat.

Wer wusste wann von Beschwerde?

Der „Standard“ verweist auch auf einige Details, die in ihrer Chronologie interessant sind: Schon am 9. Oktober behauptete „Österreich“ auf der Plattform oe24.at unter Berufung auf Aussagen von Aicher, dass die Hausdurchsuchungen im eigenen Medienhaus rechtswidrig gewesen seien. Ihre Beschwerde beim OGH ging am 14. Oktober ein, medial bekannt wurde sie aber erst zwei Wochen später.

Schon am 18. Oktober beantragte Anwalt Ainedter laut „Standard“ Einsicht in die Beschwerde – und zwar im Namen Prölls, der als Casinos-Aufsichtsratsmitglied zum Beschuldigten geworden ist, aber mit der Umfrage- und Inseratenaffäre eigentlich gar nichts zu tun hat. Ainedter meint gegenüber dem „Standard“ dazu, „dass etwaige Rechtsverletzungen der WKStA für jeden Beschuldigten im Akt von Interesse seien“. Ainedter gilt als einer der prominentesten Anwälte des Landes, der häufig Politiker vertritt. Medienberichten zufolge soll auch Ex-Kanzler Kurz ihn mehrmals konsultiert haben.

Ainedter: Nur bei Erklärung unerstützt

Rechtsanwalt Manfred Ainedter warf am Samstagnachmittag gegenüber der APA jeden Vorwurf einer „Komplizenschaft“ zurück. Er sei ein langjähriger Bekannter Aichers und habe sie in diversen Angelegenheiten immer wieder rechtsfreundlich beraten. Wie von der Rechtsschutzbeauftragten bereits klargestellt, habe er Aicher „lediglich, wie von ihr bereits in einer Stellungnahme klargestellt, im Zusammenhang mit dem von ihr zum besseren Verständnis der Öffentlichkeit verfassten Erklärung beraten“.

Er weise allerdings den geäußerten Verdacht auf das Schärfste zurück, dass „die Kanzlei Ainedter“ inhaltlich an Aichers Beschwerde mitgewirkt oder auch nur von ihr Kenntnis gehabt habe, in der die Ermittlungen der WKStA im Zuge der Inseratenaffäre als rechtswidrig eingestuft werden.

Unabhängig von der Position und Funktion habe jeder das Recht, sich anwaltlich vertreten zu lassen, so Ainedter und verwies auf die Vertretung von Leiterin Ilse-Maria Vrabl-Sanda und anderer Oberstaatsanwälte der WKStA durch einen Rechtsanwalt bei der öffentlich bekannten Auseinandersetzung mit dem suspendierten Justizsektionschef Christian Pilnacek.

ÖVP verteidigt Aicher und kritisiert WKStA

Die ÖVP verteidigte Aicher – und setzte zu neuer Kritik an der WKStA an: Die Kritik an der Rechtsschutzbeauftragten sei „befremdlich“. Es sei ein „gutes Recht“, „dass sich Organe der Justiz rechtlichen Beistand holen, so wie es auch die WKStA selbst macht“, hieß es von Andreas Hanger, einst ÖVP-Fraktionsführer im „Ibiza“-U-Ausschuss, in einer Aussendung.

Wenn Zadic jetzt handle, stelle sich die Frage, „warum sie das immer nur in die eine Richtung macht und auf der anderen Seite nicht. Genauso wäre es ihre Aufgabe gewesen, die WKStA vorzuladen und die haarsträubenden Ermittlungspannen der vergangenen Monate kritisch zu thematisieren.“ Die WKSTA würde, so Hanger, nicht nur viele Ermittlungsfehler begehen, sondern auch einseitig ermitteln: „So wird stets nur belastendes Material gesammelt, entlastende Beweise gleichzeitig außer Acht gelassen.“

Kritik an Hangers Aussagen kam am Nachmittag wiederum vom Koalitionspartner Grüne: Mit der aktuellen Presseaussendung treibe Hanger seine „unhaltbaren Vorwürfe noch einmal auf die Spitze“, so Justizsprecherin Agnes Prammer. Die Behauptung von Hanger, die WKStA würde sich eines Rechtsanwalts bedienen, sei „schlichtweg tatsachenwidrig, ja geradezu absurd“.

FPÖ fordert Abberufung Aichers

Christian Hafenecker, Fraktionsvorsitzender der FPÖ im kommenden ÖVP-Untersuchungsausschuss, forderte in einer Aussendung die umgehende Abberufung der Rechtsschutzbeauftragten durch Zadic. Gerade als Rechtsschutzbeauftragte habe diese eine besondere Sorgfaltspflicht und jeden Verdacht auf Befangenheit zu vermeiden.

„Wenn Aicher als Ratgeber aber genau jene Rechtsanwaltskanzlei konsultiert, die mitten im betroffenen Verfahren steht, hat sie alles falsch gemacht, was man falsch machen kann. Mit einem Funken Anstand verzichtet sie am Montag freiwillig auf ihre Tätigkeit, um der unabhängigen Justiz nicht noch mehr Schaden zuzufügen.“ Hafenecker fordert außerdem eine Prüfung durch die Rechtsanwaltskammer, immerhin habe die Kanzlei Ainedter durch das Mitformulieren der Kritik an der WKStA mutmaßlich versucht, „ins laufende Verfahren quasi ‚über die Bande‘ Einfluss zu nehmen“.

Krisper für rasche Aufklärung

Auch Stephanie Krisper, NEOS-Fraktionsführerin im U-Ausschuss, fordert rasche Aufklärung der Vorwürfe, diese seien „schwerwiegend“. Eine derart wichtige Funktion des Rechtsstaates dürfe nicht einmal den Eindruck der Parteilichkeit haben, so Krisper. „Die Justizministerin würde jetzt gut daran tun, nicht nur Aufklärung anzukündigen, sondern auch zu zeigen, dass sie es für unseren Rechtsstaat auch tut – unabhängig davon, dass es, wieder einmal, den Koalitionspartner ÖVP betrifft.“ Die Menschen in Österreich hätten sich ein Justizsystem ohne türkise Schlagseite verdient. Die Vorgänge würden belegen, dass der von NEOS geforderte U-Ausschuss zur Frage von politischer Einflussnahme auf Ermittlungen notwendig sei.

Scharfe Kritik der SPÖ an ÖVP

Auch für SPÖ-Finanzsprecher Jan Krainer sind „die Vehemenz und Unverschämtheit, mit der die ÖVP gegen die Ermittlungen der WKStA zum türkisen System vorgeht“, ein Beleg dafür, wie wichtig die Einsetzung eines parlamentarischen U-Ausschusses zur politischen Verantwortlichkeit möglicher Korruption in Reihen der ÖVP sei. Zuerst sei ein Rechtsgutachten „gekauft“ worden, um Ex-Kanzler Kurz in der Öffentlichkeit „reinzuwaschen“. Nun werde bekannt, dass die Rechtsschutzbeauftragte „wie ein Teil der türkisen Familie“ agiere. „Wir brauchen eine unabhängige Rechtsschutzbeauftragte, nicht Teile des türkisen Netzwerks“, so Krainer. Er betonte Zadics Verantwortung, dafür Sorge zu tragen, dass die WKStA in Ruhe ermitteln und arbeiten könne.

Antikorruptionskämpfer: „Skandalöser Vorgang“

Vertreterinnen und Vertreter des Rechtsstaats- & Antikorruptionsvolksbegehrens forderten per Aussendung ebenfalls Aichers Rückzug. „Anwälte von Beschuldigten an Texten mitarbeiten zu lassen, die sich gegen die in dieser Sache ermittelnde Behörde richten, ist unvereinbar mit der Funktion einer unabhängigen Rechtsschutzbeauftragten der Republik“, so Irmgard Griss, ehemalige Präsidentin des Obersten Gerichtshofs.

Für Verfassungsjurist Heinz Mayer wäre es realitätsfern, davon auszugehen, dass sich die Beratung durch die Kanzlei Ainedter auf das Lektorat einer Presseaussendung beschränkt hat. „Die Tatsache, dass Aichers Beschwerde weit über ihre Zuständigkeit hinausging und vom Umfeld der Beschuldigten dazu genutzt werden konnte, sich als Justizopfer zu inszenieren, muss angesichts der jüngsten Enthüllungen unter einem neuen Licht betrachtet werden.“

Walter Geyer, erster Antikorruptionsstaatsanwalt Österreichs, forderte eine Prüfung dieses „skandalösen Vorgangs“: „Wenn sich der Anschein erhärtet, dass die Rechtsschutzbeauftragte der Republik hier als Sprachrohr der Litigation-PR von Beschuldigten fungiert hat, kann sie diese Funktion nicht länger ausüben.“