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Kurz zieht sich aus Politik zurück

Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) will sich aus der Politik zurückziehen und damit auch das Amt des Klubchefs zurücklegen. Das sagte Kurz am Donnerstag der „Kronen Zeitung“. Die Geburt seines Sohnes habe den Ausschlag gegeben. Gegen Kurz laufen Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA).

Für 11.30 Uhr wurde eine Presseerklärung von Kurz angekündigt. Auch die deutsche „Bild“-Zeitung berichtete entsprechend. Laut „Krone“ soll Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) das Amt des ÖVP-Chefs übernehmen, aber auch Europa- und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler soll im Gespräch sein. Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) wollte die Causa bei einer Pressekonferenz nicht kommentieren.

Die Ermittlungen zu Inseratenkorruption haben im Oktober die ÖVP-Grünen-Koalition erschüttert. Gegen Kurz und sein enges Umfeld wird wegen des Verdachts der Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit ermittelt. Kurz wird von der WKStA verdächtigt, den ehemaligen Generalsekretär des Finanzministeriums, Thomas Schmid, mit der Organisation eines mutmaßlichen Umfragedeals mit der Zeitung „Österreich“ beauftragt zu haben.

Sebastian Kurz vor seinem Rücktritt als Bundeskanzler
APA/Georg Hochmuth
Kurz bei seinem Rücktritt als Bundeskanzler. Er sagte damals, er werde „zur Seite treten“.

Inseratenaffäre erschütterte Innenpolitik

Dabei sollen unter Mitwirkung der Meinungsforscherin Sabine Beinschab u. a. Umfragen zugunsten der ÖVP geschönt worden sein. Dafür soll sie Scheinrechnungen gestellt haben. Das soll sich während der Phase des Machtwechsels in der ÖVP von Ex-Vizekanzler und -Klubchef Reinhold Mitterlehner zu Kurz ereignet haben – Stichwort „Projekt Ballhausplatz“. In der Affäre war Kurz als Kanzler zurückgetreten, der ehemalige Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) ist seither Kanzler.

Gegen Kurz wird zudem wegen Falschaussage im „Ibiza“-U-Ausschuss ermittelt. In dieser Causa geht es im Kern darum, wie sehr Kurz in Postenbesetzungen involviert war – vor allem bei der Bestellung seines Vertrauten Schmid zum Vorstand der ÖBAG. Es gilt die Unschuldsvermutung, Kurz bestreitet die Vorwürfe.

Gegenüber der „Krone“ habe Kurz seinen Rückzug mit der kürzlichen Geburt seines Sohnes begründet. Es habe „Klick gemacht“, er wolle sich die Politik nicht mehr antun. Laut „Krone“ soll Kurz bereits einen „Topjob“ in der Privatwirtschaft in Aussicht haben. Die „Bild“ spekulierte schon mit einem Comeback in einigen Jahren.

Turbulente Karriere

Kurz hat eine politische Ausnahmekarriere hinter sich. Der 35-Jährige startete 2003 in der Jungen Volkspartei (JVP), deren Obmann er von 2008 bis 2012 war. Er stieg als Zukunftshoffnung unter Michael Spindelegger (ÖVP) rasch in der Partei auf, wurde 2011 mit nur 26 Jahren Integrationsstaatssekretär.

Kurz vor Rücktritt aus Politik

Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) will sich aus der Politik zurückziehen. Am Donnerstag um 11.30 Uhr tritt er vor die Presse. ORF-Reporterin Simone Stribl berichtet von der Politischen Akademie der ÖVP.

Nach der Nationalratswahl 2013 stieg er zum Außenminister auf. 2017 übernahm er die Partei von Mitterlehner und sicherte sich dabei große Machtbefugnisse in der Partei, auch in den Ländern. Mit einer türkis umgefärbten ÖVP gewann die Partei die Nationalratswahl und stellte mit Kurz fortan den Kanzler. Die ÖVP ging eine Koalition mit der FPÖ ein, diese zerbrach aber nach dem Erscheinen des „Ibiza-Videos“.

Das Video war der Ausgangspunkt für zahlreiche weitere Ermittlungen im Umfeld der ÖVP und der FPÖ. Unter anderem wurde das Handy von Schmid konfisziert, das zahlreiche Anhaltspunkte lieferte. Seither stand Kurz stetig unter politischem Druck, der von der Pandemie verschärft wurde. Nach Zerbrechen der ÖVP-FPÖ-Koalition folgte eine ÖVP-Grünen-Regierung, die ganz im Zeichen des Coronavirus steht.

Kurz nach einer Razzia in der ÖVP-Parteizentrale im Oktober zur Inseratenaffäre trat Kurz als Bundeskanzler zurück. Damals sagte er, er werde „zur Seite treten“ – Kurz wurde daraufhin vorgeworfen, er wolle ein „Schattenkanzler“ sein.

„Jetzt ist er weg“

FPÖ-Obmann Herbert Kickl sieht sich im angekündigten Rücktritt des ÖVP-Chefs bestätigt. „Ich habe am Beginn des Jahres gesagt, Kurz muss weg, jetzt ist er weg“, sagte er in einer Pressekonferenz vor der offiziellen Bestätigung des Rückzugs. Der Druck sei für Kurz einfach zu groß geworden, nicht zuletzt jener vonseiten der ÖVP-Länderchefs. Kurz habe ja sehr viele Fronten offen.

NEOS-Obfrau Beate Meinl-Reisinger gab sich hingegen milder. „Ich wünsche Dir ‚@sebastiankurz‘ aufrichtig alles Gute“, schrieb Meinl-Reisinger auf Twitter. „Bei allem, was wir in der Politik unterschiedlich gesehen haben, was letztlich auch bleibt, ist der Mensch, und dem gebührt auch Dank für seine Arbeit!“