Plenarsaal im Deutschen Bundestag
Reuters/Annegret Hilse
Grüne stimmen zu

Weg für deutsche „Ampelregierung“ ist frei

In Deutschland sind am Montag die letzten Hürden auf dem Weg zur „Ampelregierung“ aus SPD, FDP und Grünen beseitigt worden. Erst präsentierte die SPD ihre Ministerriege, dann besiegelten die Grünen als letzte der drei Parteien ihre Zustimmung zum Koalitionsvertrag. In einer Urabstimmung unterstützten rund 86 Prozent der rund 125.000 Grünen-Mitglieder den Koalitionsvertrag, teilte die Partei mit. Die designierte Außenministerin Annalena Baerbock sprach von einem „starken Rückenwind“.

Insgesamt hätten sich 57 Prozent der Mitglieder an der Abstimmung beteiligt. Bei der SPD und der FDP hatten Parteitage bereits am Wochenende zugestimmt. Damit kann der Koalitionsvertrag am Dienstag unterschrieben werden. Die Bildung der Bundesregierung ist für Mittwoch geplant. Dann wollen SPD, Grüne und FDP im Bundestag den SPD-Politiker Olaf Scholz zum Bundeskanzler wählen.

Das neue Bundeskabinett soll danach vereidigt werden. Grüne und FDP hatten ihre Ministerkandidaten bereits vergangene Woche bekanntgegeben. Die Grünen besetzen das Außenministerium (Annalena Baerbock), das Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (Vizekanzler Robert Habeck), das Familienministerium (Anne Spiegel), das Umweltressort (Steffi Lemke) und das Agrarministerium (Cem Özdemir).

Die FDP stellt den Finanzminister (Christian Lindner), den Verkehrsminister (Volker Wissing), den Justizminister (Marco Buschmann) und die Bildungsministerin (Bettina Stark-Watzinger).

Annalena Baebock und Robert Habeck nach der Abstimmung
AP/Markus Schreiber
Auch die Grünen stimmten für die „Ampelkoalition“

Es gehe jetzt darum, auch außerhalb der bisherigen Anhängerschaft Unterstützung zu finden für das „vielfältige, progressive, veränderungslustige Deutschland“, das sich die Grünen wünschten, sagte Habeck. Bei der Besetzung ihrer Kabinettsposten habe seine Partei „das vielfältige Deutschland vorbildlich abgebildet“, sagte Habeck.

SPD präsentierte Ministerriege, Lauterbach dabei

Am Montag präsentierte schließlich auch die SPD ihre designierten Ministerinnen und Minister. Für das größte Echo sorgte dabei die Personalie des Gesundheitsministers. Hier konnte sich der Mediziner Karl Lauterbach durchsetzen. Er war wegen seiner Präsenz in der Pandemie und seiner Rolle öffentlicher „Mahner“ schon länger als Kandidat gehandelt worden, stieß aber parteiintern auf Vorbehalte. Er gilt als politischer Einzelgänger, hat auch noch keine große Institution geleitet.

Scholz sagte bei der Nominierung, die meisten Bürgerinnen und Bürger hätten sich gewünscht, dass der nächste Gesundheitsminister vom Fach sei, dass er es wirklich gut könne „und dass er Karl Lauterbach heißt. Er wird es.“ Die Pandemie sei noch nicht vorbei. Lauterbach zeigte sich zuversichtlich: Man werde „den Kampf mit der Pandemie“ gewinnen, auch wenn diese länger dauern werde als erwartet. Er wolle das Gesundheitssystem in Zukunft robuster machen.

Erstmals Innenministerin

Eine Premiere gibt es beim Innenministerium: Dieses wird erstmals von einer Frau geführt. Die Juristin und hessische Partei- und Fraktionschefin Nancy Faeser übernimmt das Amt. Als einen politischen Schwerpunkt nannte sie den Kampf gegen den Rechtsextremismus als derzeit „größte Bedrohung“. Scholz verurteilte in diesem Zusammenhang den Aufmarsch von Rechtsextremen und Gegnern der Coronavirus-Schutzmaßnahmen vor dem Privathaus der sächsischen Gesundheitsministerin Petra Köpping.

künftigen Minister der SPD
AP/Markus Schreiber
Die künftigen SPD-Ministerinnen und -Minister

Mehrere Ministerinnen bleiben

Gleich drei bisherige Ministerinnen und Minister sitzen auch künftig im Kabinett: Justiz- und Familienministerin Christine Lambrecht steht bald an der Spitze des Verteidigungsministeriums, die bisherige Bundesumweltministerin Svenja Schulze übernimmt das Entwicklungsministerium.

Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil bleibt wie erwartet im Amt. Er wird für die Umsetzung eines SPD-Prestigeprojekts zuständig sein, nämlich des höheren Mindestlohns. Als weitere Schwerpunkte nannte er die Einführung des neuen Bürgergeldes als Ersatz für Hartz IV. Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Klara Geywitz wird das neu zugeschnittene Bauministerium übernehmen. Zum Kanzleramtsminister will Scholz wie erwartet den bisherigen Finanzstaatssekretär Wolfgang Schmidt machen, einen seiner engsten Vertrauten.

Olaf Scholz präsentiert SPD-Minister

Der designierte deutsche Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat seine Ministerinnen und Minister für die neue „Ampelregierung“ präsentiert. Die Sozialdemokraten werden neben dem Kanzler sechs Ministerposten besetzen.

Scholz betonte bei der Vorstellung, dass ihm die Parität wichtig sei. Das Bundeskabinett wird nun acht Männer und acht Frauen umfassen – plus ihn selbst als Kanzler.

CDU mit gemischtem Urteil

Die CDU übte Kritik an der Nominierung von Lambrecht als neuer Verteidigungsministerin. „Frau Lambrecht ist fachfremd, ist dem eher bundeswehrkritischen linken Lager der hessischen SPD zuzurechnen und hatte damit kokettiert, kein neues Amt in der Bundesregierung anzustreben“, kritisierte CDU/CSU-Fraktionsvize Johann Wadephul. „Diese Personalie kann als weiteres Zeichen interpretiert werden, dass der SPD die Verteidigungspolitik und die Bundeswehr ziemlich egal sind.“ Dagegen betonte Scholz die große Erfahrung Lambrechts in der Führung von Ministerien.

Zufriedener zeigten sich CDU-Vertreter hingegen mit der Nominierung von Lauterbach. Dieser sei „eine gute Wahl“, sagten sowohl CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak als auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Glückwünsche kamen vom amtierenden Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU).

Grünen-Kofraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte zu Lauterbach, man bekomme mit ihm einen „sehr kompetenten Gesundheitsminister, der sich nicht scheut, die Wahrheit auszusprechen“. Auch von Ärzteverbänden kam Lob. Kritik an der Nominierung Lauterbachs übte AfD-Franktionschef Alice Weidel: „Schlimmer hätte es für Deutschland nicht kommen können.“