Neu gewählter deutscher Bundeskanzler Olaf Scholz
Reuters/Fabrizio Bensch
Bundestag

Scholz nun deutscher Kanzler

Der SPD-Politiker Olaf Scholz ist im deutschen Bundestag zum neunten Kanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt worden. Auf ihn entfielen am Mittwoch in geheimer Abstimmung im Bundestag 395 von 707 abgegebenen Stimmen. Nötig zur Wahl waren 369 Stimmen.

Es gab 303 Nein-Stimmen und sechs Enthaltungen. SPD, Grüne und FDP, die die erste „Ampelkoalition“ im Bund bilden, verfügen im Bundestag zusammen über 416 Mandate, liegen also um 47 Mandate über der „Kanzlermehrheit“. Scholz nahm die Wahl an. Als Erster überreichte ihm SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich einen Blumenstrauß, dann Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus. Auch der unterlegene CDU-CSU-Kandidat Armin Laschet gratulierte.

Anschließend wurde Scholz vom deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier zum Kanzler ernannt. Scholz legte danach im Bundestag seinen Amtseid ab. Der SPD-Politiker schwor unter anderem, seine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes zu widmen, seinen Nutzen zu mehren und Schaden von ihm abzuwenden. Nach Scholz wurden die Ministerinnen und Minister angelobt. Damit endet nach 16 Jahren die Ära von Angela Merkel (CDU), die bei der Bundestagswahl am 26. September nicht wieder kandidiert hatte. Die SPD war als Siegerin aus der Abstimmung hervorgegangen.

Neu gewählter deutscher Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier
APA/AFP/Odd Andersen
Scholz und der deutsche Präsident Frank-Walter Steinmeier

Merkel: Nehmen Sie dieses Haus in Besitz

Merkel gratulierte Scholz zum Start ins Amt. „Nehmen Sie dieses Haus in Besitz, und arbeiten Sie mit ihm zum Besten unseres Landes“, sagte die CDU-Politikerin bei der Amtsübergabe an Scholz am Mittwoch im Kanzleramt. Sie wisse aus eigenem Erleben, dass es ein bewegender Moment sei, in dieses Amt gewählt zu werden.

Scholz erahne vielleicht, dass das eine spannende, erfüllende und auch fordernde Aufgabe sei. „Aber wenn man sie mit Freude angeht, dann ist es vielleicht auch eine der schönsten Aufgaben, die es gibt, für dieses Land Verantwortung zu tragen“, so Merkel. Sie wünsche von Herzen alles Gute und immer eine glückliche Hand für das Land.

Scholz: Werde gar nicht so viel ändern

Scholz dankte Merkel für ihren Einsatz als Kanzlerin für Deutschland. In ihrer Amtszeit habe Merkel viele Krisen zu bewältigen gehabt, manche davon hätten sie auch zusammen durchgestanden. „Das hat zusammengeschweißt“, sagte Scholz bei der Amtsübergabe im Kanzleramt. „Zwischen uns hat immer eine sehr vertrauensvolle Zusammenarbeit existiert.“ Das zeige, dass Deutschland eine starke und leistungsfähige Demokratie sei.

Wenn er jetzt das Kanzleramt übernehme, werde sich gar nicht so viel ändern, sagte Scholz mit einem Schmunzeln. „Ich will gerne anknüpfen an die, wie soll man das sagen, nord-ostdeutsche Mentalität, die da bisher geherrscht hat. So viel wird sich da nicht ändern“, versprach er. Später fügte er ernst hinzu, ein Regierungsübergang in einer großen, nicht abgeschlossenen Krise setze auch Kontinuität und Gemeinschaft voraus. „Und ich gehe davon aus, dass uns das auch gelingt“, sagte er.

Von Pandemie bis Russland

Die „Ampel“-Parteienkoalition aus SPD, Grünen und FDP startet mit großen Herausforderungen in ihre gemeinsame Regierungsarbeit – von der Pandemie bis zum Verhältnis zu Russland. Scholz verteidigte bereits im Vorfeld seiner Ernennung Einschränkungen für Ungeimpfte als Mittel zum Brechen der vierten CoV-Welle. „Das heute uns alle beeinträchtigende Infektionsgeschehen rührt von den Ungeimpften her“, sagte er. Ganz klar sei es deshalb, dass Einschränkungen für diejenigen, die sich nicht impfen haben lassen, nötig seien. Er kritisierte Drohungen, wie sie es in Form eines Fackelaufmarsches vor dem Haus der sächsischen Gesundheitsministerin, Petra Köpping (SPD), gegeben hatte.

Der Politikstil des neuen deutschen Kanzlers

Lars Haider, Olaf-Scholz-Biograf und Chefredakteur des „Hamburger Abendblatts“, spricht in der ZIB2 darüber, dass zu Beginn des Jahres noch schwer vorstellbar war, dass Scholz ins Kanzleramt einziehen könnte, und analysiert den Politikstil des neuen deutschen Kanzlers.

Besorgnis über russischen Truppenaufmarsch

Entsprechend äußerte sich auch FDP-Chef Christian Lindner am Dienstag. „Unser Staat ist eine wehrhafte Demokratie“, betonte er. Lindner vertrat die Ansicht, dass das durch die „Ampel“-Mehrheit im Bundestag geänderte Infektionsschutzgesetz zu einer gesellschaftlichen Befriedung beitragen könne. Denn wenn es auch künftig Grundrechtseingriffe im Kampf gegen CoV brauche, würden diese auf Basis von Parlamentsgesetzen vorgenommen und in öffentlicher Sitzung diskutiert.

Scholz zeigte sich auch besorgt über den russischen Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine. Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa setzten Prinzipien voraus, die in der Entspannungspolitik ausgehandelt worden seien und bis heute fortwirkten. „Dazu gehört die Unverletzlichkeit und Unverletzbarkeit der Grenzen. Es ist ganz, ganz wichtig, dass niemand in den Geschichtsbüchern wälzt, um Grenzen neu ziehen zu können“, sagte Scholz. Eine Bedrohung der Ukraine sei inakzeptabel.

Scholz ist deutscher Bundeskanzler

Der SPD-Politiker Olaf Scholz ist im deutschen Bundestag zum neunten Kanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt worden. Auf ihn entfielen am Mittwoch in geheimer Abstimmung im Bundestag 395 von 707 abgegebenen Stimmen. Nötig zur Wahl waren 369 Stimmen. SPD, Grüne und FDP, die die erste „Ampelkoalition“ im Bund bilden, verfügen im Bundestag zusammen über 416 Mandate. Scholz nahm die Wahl an. Anschließend wurde er vom deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier zum Kanzler ernannt.

Grüne: Klimaschutz und „Langstreckenlauf“

Vor dem Hintergrund des EU-Streits um Rechtsstaatlichkeit in Polen und Ungarn warnte Scholz vor einer weiteren Spaltung Europas. Mit Blick auf Polen sagte er, für die Bundesregierung sei es „ganz wichtig, diese Nachbarschaft freundschaftlich zu gestalten. Polen ist eine große Nation, eine Demokratie.“ Er sei sehr froh, dass Polen Teil der EU sei und man sich dort miteinander abstimme und auch manchmal miteinander ringen könne.

Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck von den Grünen bezeichnete den geplanten deutlich schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien als große Kraftanstrengung. Der Grünen-Politiker sagte, bei allen „Sonntagsreden“, die es immer gebe für mehr Klimaschutz und den Ausbau der erneuerbaren Energien – das werde „nicht ohne Zumutung“ zu haben sein. Habeck sagte, der Ausbau werde ein „Langstreckenlauf“. Die neue Regierung plant, den Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch auf 80 Prozent im Jahr 2030 zu erhöhen.

Schuldenbremse soll ausgesetzt werden

Der deutsche Staat wird nach Einschätzung von Finanzminister Lindner im kommenden Jahr nicht mehr Kredite aufnehmen müssen als bisher geplant. Die Finanzplanung des bisherigen Finanzministers Scholz sei vorausschauend gewesen und enthalte auch Reserven für Unvorhergesehenes während der CoV-Pandemie, sagte Lindner.

Scholz hatte geplant, im kommenden Jahr wegen der anhaltenden CoV-Krise noch einmal 99,7 Milliarden Euro an neuen Schulden aufzunehmen. Dafür soll erneut die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse ausgesetzt werden. Ab 2023 solle die Schuldenbremse dann wieder eingehalten werden, betonte Lindner. Zugleich sollten aber nicht genutzte Kredite aus diesem Jahr in die Folgejahre übernommen werden, sodass mehr Spielraum besteht. Das sei gerechtfertigt, weil notwendige Maßnahmen zum Klimaschutz und der Modernisierung des Staates wegen der Pandemie nicht so umgesetzt werden konnten wie geplant.

Gratulationen aus Österreich

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) gratulierte Scholz zu dessen Angelobung als deutscher Bundeskanzler. „Ich freue mich auf unsere Zusammenarbeit zur weiteren Vertiefung der engen Beziehungen zwischen Österreich und Deutschland“, schrieb er auf Twitter. Bundespräsident Alexander Van der Bellen gratulierte Scholz am Mittwoch ebenso. „Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei der Ausübung Ihrer Funktion und den Bürgerinnen und Bürgern Ihres Landes alles Gute für die kommenden Jahre“, schrieb er in einem Tweet. Zudem dankte er im Namen der Republik Österreich Merkel für ihr Wirken als Kanzlerin in den letzten 16 Jahren. „Ihre unermüdlichen Verdienste, ihre Umsicht und ihr Geschick haben unseren Kontinent geprägt und zum Besseren verändert“, so Van der Bellen.

Auch SPÖ-Bundesparteivorsitzende und Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner gratulierte Scholz am Mittwoch und zeigte sich erfreut über das Zustandekommen der SPD-geführten „Ampelkoalition“. Scholz habe mit viel Erfahrung und Entschlossenheit eine Regierung mit sozialdemokratischem Profil geformt, so Rendi-Wagner. Die Zweite Nationalratspräsidentin, Doris Bures (SPÖ), teilte anlässlich Scholz’ Kanzlerwahl in einer Aussendung mit: „Der neue deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz ist ein wichtiges Signal für ein Europa der Stärke, der Stabilität und der Demokratie.“

„Alles Gute“ von den EU-Spitzen

Auch EU-Ratschef Charles Michel gratulierte Scholz: „Alles Gute, lieber Olaf Scholz, zur Wahl als Bundeskanzler“, schrieb Michel am Mittwoch auf Twitter. Er freue sich, zusammen an einem starken und unabhängigen Europa zu arbeiten. Zugleich dankte Michel, der als Ratschef die EU-Gipfel der Staats-und Regierungschefs leitet, der scheidenden Kanzlerin. „Mein Dank an dich, liebe Angela Merkel, für viele Jahre der vertrauensvollen Zusammenarbeit.“

Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wünschte Scholz alles Gute für sein neues Amt: „Herzlichen Glückwunsch, lieber Olaf Scholz, zur Wahl und Ernennung als Bundeskanzler“, schrieb die CDU-Politikerin am Mittwoch auf Twitter. Der Präsident des Europaparlaments, David Sassoli, gratulierte ebenfalls.

Auch China und Russland gratulieren

Der chinesische Präsident Xi Jinping übermittelte chinesischen Staatsmedien zufolge dem SPD-Politiker ebenfalls seine Glückwünsche. Xi erklärte, er sei bereit, zusammen mit Scholz auf eine Vertiefung des Vertrauens zwischen beiden Ländern hinzuarbeiten und beschrieb China und Deutschland als „umfassende strategische Partner“.

Russlands Präsident Wladimir Putin strebt „konstruktive Beziehungen“ zur neuen Regierung unter Scholz an: „Wir setzen auf Kontinuität und darauf, dass sich konstruktive Beziehungen zwischen dem Präsidenten und dem neuen Kanzler einstellen“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Mittwoch in Moskau.

Videogruß von Macron an Merkel

Auf der Ehrentribüne hatten Merkel, der frühere Kanzler Gerhard Schröder, der ehemalige deutsche Bundespräsident Joachim Gauck sowie etliche Mitglieder des neuen Kabinetts die Wahl verfolgt. Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron, der auch Scholz gratulierte, würdigte Merkel zum Abschied mit einem Videogruß für ihr europäisches Engagement. „Danke, dass du die Lehren der Geschichte nie vergessen und so viel für und mit uns getan hast, um Europa voranzubringen“, schrieb Macron am Mittwoch auf Twitter. Im Französischen fügte er noch ein „chere Angela“, also „liebe Angela“, hinzu. Macron teilte dazu ein Video, das etliche gemeinsame Auftritte der beiden in den vergangenen Jahren zeigte.