Passanten mit Masken in London
Reuters/Peter Nicholls
Sprunghafter Anstieg

Briten rüsten sich für Omikron-Welle

Die CoV-Infektionen mit der Omikron-Variante steigen in Großbritannien sprunghaft. Bereits in den kommenden Tagen rechnen die Gesundheitsbehörden damit, dass die Mutation zur dominierenden Virusvariante wird. Eine neue Impfkampagne soll nun möglichst viele Menschen möglichst schnell zu einer Auffrischungsimpfung bringen. Das wiederum setzt den ohnehin gebeutelten britischen Gesundheitsdienst weiter unter Druck.

Omikron „breitet sich mit phänomenaler Geschwindigkeit aus“, sagte Gesundheitsminister Sajid Javid am Montag. „So etwas haben wir noch nie beobachtet.“ Laut dem Gesundheitsminister verdoppeln sich die Infektionen alle zwei, drei Tage. Allein in London seien bereits 40 Prozent aller neuen CoV-Fälle darauf zurückzuführen. Am Sonntag wurden im Vereinigten Königreich 1.239 neue Omikron-Fälle bestätigt. Die Gesamtzahl sprang damit auf 3.137. Die Regierung geht davon aus, dass die tatsächliche Zahl rund zehnmal so hoch liegt.

Montagmittag sagte Premierminister Boris Johnson vor Journalistinnen und Journalisten, dass in Großbritannien erstmals ein Mensch nach einer Infektion mit Omikron gestorben sei. „Leider wurde jetzt bestätigt, dass mindestens ein Patient an Omikron gestorben ist“, sagte Johnson. „Ich glaube also, dass wir die Vorstellung, dass es sich um eine mildere Version des Virus handelt, beiseitelassen und einfach die Geschwindigkeit anerkennen sollten, mit der sich das Virus in der Bevölkerung ausbreitet“, so der Premier.

Britischer Gesundheitsminister Sajid Javid
Reuters/Uk Parliament/Jessica Taylor
Der britische Gesundheitsminister läutet angesichts der schnellen Ausbreitung von Omikron die Alarmglocke

Zuvor hatte Gesundheitsminister Javid noch mitgeteilt, dass bisher nur bei zehn Menschen, die sich mit der neuen Variante infiziert hatten, eine Spitalsbehandlung nötig geworden sei. Womöglich gebe es bei der Variante einen schwächeren Krankheitsverlauf, so der Gesundheitsminister. Javid gab aber zu bedenken, dass auch ein milder Krankheitsverlauf angesichts einer höheren Infketiosität von Omikron nur wenig helfen könnte. „Selbst wenn eine Viruserkrankung mild verläuft, kann ein kleiner Prozentsatz bei einer Vielzahl von Menschen immer noch zu einer hohen Anzahl von Krankenhauseinweisungen führen“, sagte Javid.

Lange Schlangen nach Impfaufruf

Wenn die Regierung nicht noch strengere CoV-Maßnahmen ergreife, könnte bereits am Ende des Monats eine Million Menschen mit der Omikron-Variante infiziert sein, warnte der Gesundheitsminister. Nötig seien nun schnelle Auffrischungsimpfungen, da gegen Omikron auch die schon zweifach Geimpften nicht immun seien. „Wir sind wieder einmal im Rennen zwischen Impfungen und dem Virus.“ Mit drei Dosen hätten die Menschen nach aktuellem Stand einen guten Schutz vor Omikron.

Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete, dass sich am Montag vor den Impfzentren in London und Manchester lange Schlangen bildeten. Wegen des großen Andrangs dürfte es auch bei der Onlinebuchung von Terminen zu Problemen gekommen sein. „Der Covid-Impfstoffbuchungsdienst ist derzeit mit einer extrem hohen Nachfrage konfrontiert, sodass ein Warteschlangensystem in Betrieb ist“, teilte der Nationale Gesundheitsdienst (NHS) auf Twitter mit. „Für alle anderen, die mit Wartezeiten zu kämpfen haben, raten wir, es heute oder morgen noch einmal zu versuchen“.

Britischer Premier Boris Johnson
Reuters/Kirsty O’Connor
In einer Ansprache rief Johnson den Gesundheitsdienst zu „außerordentlichem Einsatz“ auf

Premierminister Johnson hatte Sonntagabend in einer Fernsehansprache erneut vor eine „Omikron-Flutwelle“ gewarnt. Die rasche Ausbreitung der neuen Variante sei ein „Notfall“, so Johnson. Der Premier gab das Ziel aus, bis Jahresende allen Erwachsenen eine Auffrischungsimpfung anzubieten. Bisher erhielten laut offiziellen Angaben mehr als 40 Prozent der über Elfjährigen eine Boosterimpfung.

Gesundheitsdienst warnt vor Überlastung

In seiner Rede hatte der Premierminister den Gesundheitsdienst zu einem „außerordentlichen Einsatz“ aufgerufen. Laut NSH-Chef Chris Hopson kam der Aufruf Johnons freilich zu einem Zeitpunkt, da die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bereits „sehr, sehr erschöpft“ seien. Zu erwarten sei, dass immer mehr mit Omikron Infizierte ins Spital müssten. Nun komme die Anforderung hinzu, allen Erwachsenen bis Jahresende eine Auffrischungsimpfung anzubieten, sagte Hopson.

„Geschwindigkeit der Ansteckungen steigt“

Der Chef des britischen Gesundheitsdiensts NHS hat vor einer rasch steigenden Anzahl an CoV-Infektionen aufgrund der Omikron-Variante gewarnt. „Wir müssen noch etwas warten, um genau zu sehen, wie einige der Symptome einiger der Menschen sind, die diese neue Variante bekommen“, sagte er. Premierminister Boris Johnson versuchte währenddessen, die Impfquote zu steigern.

„Die Beschäftigten sind besorgt, dass dieser Druck zur Normalität wird und nicht nachhaltig ist.“ Das NHS kündigte an, Termine abzusagen oder zu verschieben, um das Booster-Ziel bis Jahresende zu erreichen. Mehrere Dutzend Militärexperten sollen helfen, die notwendige Logistik bereitzustellen.

Verschärfte Maßnahmen

Am Sonntag war in Großbritannien die zweithöchste CoV-Warnstufe ausgerufen worden. In England gilt mit Wochenbeginn eine Pflicht zum Homeoffice, wo es möglich ist. Mit Dienstag werden zudem die Regeln für Kontaktpersonen verschärft. Ab Mittwoch müssen die Menschen überdies einen Impfnachweis vorzeigen, wenn sie in Fußballstadien oder Nachtclubs wollen. Die von der Regierung in London beschlossenen Verschärfungen gelten allerdings immer nur für England. Die Gesundheitspolitik gehört zu den autonomen Zuständigkeitsbereichen von Schottland, Wales und Nordirland.

Über die neuen Regeln – auch wenn sie bereits in Kraft sind – muss auch noch das Unterhaus in London abstimmen. Johnson muss dabei befürchten, dass ein erheblicher Teil der Abgeordneten seiner konservativen Torys gegen die Maßnahmen votiert. Dennoch ist nicht zu erwarten, dass die Regeln verhindert beziehungsweise gekippt werden. Sie dürften mit Unterstützung aus den Reihen der oppositionellen Labour-Partei gebilligt werden.

Johnson unter Druck

Die Ausbreitung von Omikron trifft Großbritannien zu einer Zeit, in der Premier Johnson zunehmend unter Druck gerät. Die Zeitung „Sunday Mirror“ veröffentlichte am Sonntag ein Bild des Premiers, wie dieser vergangenes Jahr zur Weihnachtszeit an einem virtuellen Quiz teilnimmt. Neben dem vor einem Bildschirm in der Downing Street sitzenden Johnson sind zwei weitere Menschen zu sehen. Zu diesem Zeitpunkt waren Treffen von mehr als zwei Menschen aus zwei Haushalten in geschlossenen Räumen verboten.

Die Labour-Partei erklärte, das Bild belege „eine Kultur der Missachtung der Regeln im Herzen der Regierung“. Das Quiz soll am 15. Dezember und damit drei Tage vor einer Weihnachtsfeier der engsten Mitarbeiter Johnsons stattgefunden haben, über die britische Medien bereits seit Tagen berichten. Johnson ordnete eine Untersuchung an.

Mutationen am Spike-Protein schwächen Impfschutz

Die Omikron-Variante, die im November erstmals in Südafrika und Hongkong entdeckt wurde, tritt nach Erkenntnissen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) inzwischen in fast 60 Ländern auf. Laut britischen Experten gibt es bei der neuen Variante gegenüber dem ursprünglichen Virus etwa 30 Veränderungen des Spike-Proteins, mit dem die Viren in menschliche Zellen gelangen. Die Zahl ist ungewöhnlich hoch.

Erst am Montag wurden die Ergebnisse einer neuen britischen Studie offiziell präsentiert, wonach mit einer zweifachen Covid-19-Impfung noch nicht genügend neutralisierende Antikörper gegen die Omikron-Variante aufgebaut werden. Wissenschaftler der Universität Oxford kamen zu diesem Schluss nach Labortests mit Blutproben von Geimpften, die die Vakzine von AstraZeneca oder Biontech und Pfizer erhielten. Es gebe aber noch keine Hinweise, dass die niedrigeren Antikörperspiegel bei Omikron zu einem höheren Risiko für schwere Erkrankungen oder Todesfälle führen, so das Forschungsteam.

Biontech und Pfizer hatten vergangene Woche Studienergebnisse veröffentlicht, wonach ihr Vakzin nach drei Dosen effektiv gegen die Omikron-Variante wirkt – nach zwei Dosen aber deutlich geringere Neutralisierungstiter gegen Omikron aufweist und damit weniger wirksam ist. Biontech-Chef Ugur Sahin hält daher frühere Boosterimpfungen für ratsam, womöglich schon nach drei Monaten.