Euro-Münze auf Dollar-Scheinen
Reuters/Kacper Pempel
CoV-Krisenmodus

Die Krux der Notenbanker

Getrieben von der Coronavirus-Pandemie sind für Währungshüter bisher Niedrigst- bzw. Nullzinspolitik mit gewichtigen Anleihenaufkäufen das Gebot der Stunde. Am Mittwoch geben die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) und am Donnerstag dann auch die Europäische Zentralbank (EZB) und die Bank of England die weitere Marschroute vor – und damit einher geht die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt für einen Richtungswechsel.

Wie sich im Vorfeld abzeichnet, könnten die USA und Großbritannien einen sich zunehmend vom EZB-Kurs unterscheidenden Weg einschlagen. Medienberichten zufolge werde die Fed nun die Zügel wohl deutlich straffen und nach den Worten der „WirtschaftsWoche“ „den Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik beschleunigen“.

Zwar steht auch am EZB-Sitz in Frankfurt der Ausstieg aus einem Anleiheprogramm, konkret dem billionenschweren Pandemie-Notfallankaufprogramm (Pandemic Emergency Purchase Programme, PEPP) auf der Agenda. Doch während die angelsächsischen Notenbanken „aufs Bremspedal treten“, habe die EZB noch immer den Fuß auf dem Gas, heißt es dazu im „Manager Magazin“.

Ein möglicher Hintergrund ist Reuters-Angaben zufolge das in den USA nun gefallene „Dogma der temporären Inflation“. Aus Sicht von Fed-Chef Jerome Powell müsse man sich jedenfalls zunehmend von der – zuletzt etwa von EZB-Chefin Christine Legarde nach wie vor geäußerten – Hoffnung verabschieden, dass die stark gestiegene Inflation nicht von Dauer sein werde.

Christine Lagarde
Reuters/Kai Pfaffenbach
EZB-Chefin kündigte zuletzt das planmäßige Auslaufen von PEPP an

Abwarten wegen Omikron?

Gleichzeitig bleibt auch das Ende der Pandemie weiter nicht absehbar – womit es aus Beobachtersicht ohnehin kaum Spielraum für einen großen Kurswechsel gibt. So wie von Lagarde zuletzt in Aussicht gestellt, könnte PEPP zwar wie geplant mit Ende März auslaufen, vor der am Mittwoch anstehenden Sitzung des EZB-Rates ist Berichten zufolge allerdings auch bereits die Suche nach Alternativen auf Hochtouren gelaufen.

US-Inflation bei 6,8 Prozent

Nach einer Schätzung des europäischen Statistikamtes Eurostat lag die Teuerungsrate im Euro-Raum im November bei 4,9 Prozent. In den USA kosteten im November Waren und Dienstleistungen 6,8 Prozent mehr als im Vorjahresmonat.

Reuters verweist hier etwa auf Überlegungen, wonach das 2014 als Konjunkturstütze eingeführte Asset Purchases Programme (APP) im Umfang von zurzeit 20 Milliarden Euro pro Monat neu aufgestellt werden könnte. Für den Fall unerwünschter Marktturbulenzen wäre auch eine Reaktivierung von PEPP möglich.

Laut EZB-Vizechef Luis de Guindos habe zuletzt die neue CoV-Variante Omikron die Unsicherheit bei der Wirtschaftsentwicklung wieder erhöht. Vertreter einer eher straffen Linie drängen angesichts der vielen Unwägbarkeiten darauf, dass sich die EZB nicht über das kommende Jahr hinaus festlegt.

EZB-Gebäude in Frankfurt
Reuters/Kai Pfaffenbach
Medienberichten zufolge wurde in der Frankfurter EZB-Zentrale zuletzt intensiv nach PEPP-Alternativen gesucht

Von Pandemie hinterlassene Narben

Die Anleihekäufe helfen Staaten wie Unternehmen: Diese müssen für ihre Wertpapiere nicht so hohe Zinsen bieten, wenn eine Zentralbank als großer Käufer am Markt auftritt. De Guindos hatte jüngst in Aussicht gestellt, dass die Notenbank die weiterhin von der Pandemie gebeutelte Wirtschaft auch 2022 mit Anleihekäufen unterstützen wird: „Ich bin zuversichtlich, dass diese Nettokäufe während des nächsten Jahres weitergehen“, sagte de Guindos der französischen Zeitung „Les Echos“.

Er sei der Meinung, dass die Geldpolitik auch nach einem Ende des PEPP unterstützend bleiben müsse, „da einige der Narben, die die Pandemie hinterlassen hat, noch nicht richtig verheilt sind“.

Somit bleibt auch eine Anhebung des seit nunmehr fast sechs Jahren auf dem Rekordtief von null Prozent zementierten Leitzinses im Euro-Raum in weiter Ferne. Es sei sehr unwahrscheinlich, dass die Bedingungen für eine Zinsanhebung im kommenden Jahr erfüllt seien, sagte dazu schon Mitte November EZB-Chefin Lagarde vor dem Europäischen Parlament.

Jerome Powell
Reuters/Elizabeth Frantz
Fed-Chef Powell betrachtet die Inflation nicht mehr als „vorübergehend“

Auch Yellen warnt vor Omikron

Mit Blick auf die USA gehen Beobachterinnen und Beobachter nach entsprechenden Signalen von Powell und anderen Fed-Mitgliedern indes fix davon aus, dass schon am Mittwoch ein Beschluss gefasst wird, den Abbau der Anleihekäufe deutlich zu beschleunigen. Mit Blick auf die ebenfalls im Raum stehende Zinsanhebung verweisen Analystinnen und Analysten indes auf die nach wie vor bestehenden CoV-Risiken. Im Fall einer Verschlechterung der Lage wäre es einem Zeitungsbericht zufolge womöglich „eine Zinserhöhung zum schlimmsten Moment“.

Die Pandemie ist noch lange nicht ausgestanden, und es sei zu hoffen, dass das Aufkommen der neuen Variante Omikron den Aufschwung nicht abwürge, sagte dazu vor wenigen Tagen auch US-Finanzministerin Janet Yellen. So wie Powell wollte Yellen aber auch nicht mehr von einer vorübergehenden Inflation sprechen. „Ich stimme damit überein, dass dies keine geeignete Beschreibung für das ist, womit wir es zu tun haben“, sagte Yellen, die in der Zeit vor Powell die Notenbank geführt hatte.

„Absolut notwendig“

Yellen warnte auch vor überzogenen Erwartungen an die Regierung im Kampf gegen die Inflation. Es gelte, dabei realistisch zu sein. US-Präsident Joe Biden tue alles, um die Anstrengungen der Privatwirtschaft zu koordinieren, die Lieferkettenprobleme zu verringern. Doch wolle sie nicht zu viel versprechen.

Aus der Pandemiekrise resultierende Lieferprobleme, Materialengpässe und explodierende Energiekosten gelten derzeit als große Preistreiber. Die Federal Reserve sei unter Handlungsdruck, sagte Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer: „Die raschere Gangart der US-Notenbank ist absolut notwendig.“ Krämer erwartet, dass die Fed am Mittwoch das Einstellen ihrer Anleihekäufe wohl auf März nächsten Jahres vorziehen wird, womit sich eine erste Zinserhöhung bereits zur Jahresmitte abzeichne.

Null bis 0,25 Prozent

Die US-Notenbank hält den Leitzins derzeit in einer Spanne von null bis 0,25 Prozent. Auf der Sitzung im September hatten die Währungshüter in ihrem Ausblick bereits signalisiert, dass es 2022 eine Zinserhöhung und in der Folge weitere Zinsschritte geben könnte.

Zunächst muss die Notenbank allerdings aus dem in der Coronavirus-Pandemie 2020 eingeführten Krisenmodus heraus: Die Fed fährt seit Mitte November ihre Wertpapierzukäufe um monatlich 15 Milliarden Dollar (13,2 Mrd. Euro) zurück. Dieser Prozess der geldpolitischen Normalisierung läuft im Fachjargon unter dem Begriff Tapering. Das gesamte Ankaufvolumen von anfangs 120 Milliarden Dollar monatlich wäre erst Mitte nächsten Jahres abgeschmolzen, wenn dieses Abbautempo beibehalten würde. Der Abschluss des Tapering gilt als Voraussetzung für eine Zinserhöhung.