„Spiegel“: Willy Brandt war Informant für US-Geheimdienst

Der ehemalige deutsche Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) war einem Bericht zufolge lange vor seiner Amtszeit Informant des damaligen US-Militärgeheimdienstes CIC. Von 1948 bis 1952 habe Brandt dem Dienst gegen Bezahlung Informationen geliefert, berichtete das Wochenmagazin „Spiegel“ gestern unter Berufung auf Auswertungen des Historikers Thomas Boghardt. In Brandts Berichten sei es um die Verhältnisse in der DDR gegangen.

ehemaliger deutsche Bundeskanzler Willy Brandt 1977
APA/AFP

Brandt habe über die SED und die Jugendorganisation FDJ berichtet, über politische Häftlinge im sächsischen Bautzen, ostdeutsche Werften, Fabriken, das Eisenbahnwesen und die Telefonausstattung der sowjetischen Streitkräfte, schrieb der „Spiegel“. Die Informationen stammten demnach mutmaßlich aus dem Ostbüro der SPD, welches Verbindung zu Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in der sowjetischen Besatzungszone und späteren DDR hielt. Es sei unklar, ob Brandt mit Wissen der SPD-Führung handelte.

Informant O-35-VIII „normalerweise zuverlässig“

Der Historiker Boghardt konnte den Angaben zufolge geheime CIC-Unterlagen einsehen. Dort sei Brandt unter der Registriernummer O-35-VIII geführt worden. Er habe sich mehr als 200-mal mit CIC-Verbindungsleuten getroffen. Diese hätten ihn als „normalerweise zuverlässig“ eingestuft.

Die Berichte von Brandt an den Geheimdienst sind dem Bericht zufolge verschwunden. Allerdings habe Boghardt „Kontrollblätter“ eingesehen, auf denen verzeichnet sei, wann es Treffen gab und worum es ging. Für seine Lieferungen habe Brandt zunächst Zigaretten, Zucker oder Kaffee erhalten, die auf dem Schwarzmarkt als Währungsersatz galten. Ab 1950 habe ihm der CIC monatlich 250 D-Mark gezahlt.

Willy Brandt war von 1969 bis 1974 deutscher Kanzler. Er trat zurück, nachdem sein Mitarbeiter Günter Guillaume als DDR-Spion enttarnt worden war. Für seine auf Entspannung ausgerichtete Ostpolitik erhielt Brandt 1971 den Friedensnobelpreis.