Kritzelkunst

Zeichnen als „das neue Yoga“

Dezidierte Nichtkünstler dazu ermutigen, den Stift in die Hand zu nehmen und der Kreativität ohne Vorbehalte freien Lauf zu lassen: Das will Cartoonist und Kunsthistoriker Günter Mayer alias Peng in „Ich kann (nicht) zeichnen“. Mit Erfolg: Das Buch wurde in vier Sprachen übersetzt und mit dem British Book Award ausgezeichnet. Für Peng ist Zeichnen „das neue Yoga“, wie er im Interview sagt.

Wenn Peng den Stift in die Hand nimmt, ist der Name Programm: Binnen weniger Sekunden entsteht bei dem oberösterreichischen Künstler aus einem Farbklecks ein Meisterwerk. „Ich versuche, in dem Buch zu zeigen, wie man ganz einfach durch die Wahl einer bestimmten Technik eine große Wirkung erzielt“, so Peng im ORF-Interview.

Welche Techniken das sein können, erklärt der Cartoonist geduldig und humorvoll auf 160 Seiten, die er durchgehend selbst illustriert. Auch die Anleitungen sind, erfrischend altmodisch, handgeschrieben. Er möchte „die Lust am Zeichnen im digitalen Zeitalter“ zurückbringen – und dazu einladen, es einfach einmal auszuprobieren.

Am Anfang war ein Klecks

Mit „Hirameki“ schufen Peng und der bayrische Künstler Hu bereits 2015 „das erste Standardwerk der Klecks- und Kritzelgeschichte“. Dass es bei vielen ein Bedürfnis nach einfachen Anleitungen gibt, bestätigen die Verkaufszahlen: Das Buch avancierte rasch zum Bestseller, wurde über 10.000 Mal verkauft und in 13 Sprachen übersetzt. „Man wird durch die Flecken inspiriert, wie durch Wolken, und mit etwas Fantasie wird daraus eine Figur“, erklärt Peng das Konzept. „Wenn man ein paar Punkte reinsetzt, ein paar Striche macht, dann wird aus einem Fleck ein Kopf, eine Katze, ein Engel und viel mehr.“

Und auch in „Ich kann (nicht) zeichnen“ gilt: Weniger ist mehr. Zeichnen – das soll einen nicht stressen, es geht dabei vor allem ums Spaßhaben und Experimentieren. Ein Kreis, ein V, ein W, ein U – diese Formen und Buchstaben, die jeder hinbekommt, sind laut Peng völlig ausreichend, um lebhafte Charaktere zu schaffen. Schnell entstehen auf diese Weise wilde Haarmähnen, dynamische Körper, Gesichter voller Emotion oder ein ganzer Streichelzoo. Alles, was es dafür braucht, sind ein Blatt Papier und ein Stift – sowie Neugierde, Gelassenheit und Humor.

Zeichnen gegen den Perfektionswahn

Wer sich davon verabschiedet, immer alles perfekt machen zu müssen, stressfrei an sein Kunstwerk herangeht und die Anleitungen befolgt, wird laut Peng mit etwas Einzigartigem belohnt. „Ich finde es immer besonders schön, wenn Leute die Qualität ihrer krakeligen Zeichnung erkennen“, so der Künstler und Kunsthistoriker über die Klecksunikate, die mit Hilfe seines Buches entstehen. „Die sind total originell und auf den Punkt gebracht.“

Pengs Anleitungen basieren nicht nur auf seinen eigenen Erfahrungen als Künstler, sondern auch als Lehrender: In seinen Zeichenworkshops konnte er bereits zahlreiche Zweifler von ihrem Können überzeugen. „Man muss sich nicht scheren um das, was so der landläufige Begriff von Funktionieren ist, sondern einfach Sachen ausprobieren und sich nicht selbst die Latte so hoch legen, dass man von vornherein scheitert. Man bringt dann ganz andere Sachen zusammen, und die können viel spannender sein.“

„Ein Plädoyer für mehr Gelassenheit“

Als Peng ist Mayer schon seit Jahrzehnten in der Kunstszene etabliert. Seine Zeichnungen und Cartoons erschienen in zahlreichen österreichischen Tageszeitungen und Magazinen; für seine Darstellung des Arnold Schwarzenegger mit Kärcher und Gummistiefeln gewann er 2003 den Deutschen Karikaturenpreis. Seit 22 Jahren leitet er die Galerie der Stadt Wels – ein Beruf, dem er sich heute voll und ganz widmet. „Ich mache auch immer wieder Cartoons, aber nur für mich und ohne Zeitdruck“, so Peng.

Und das ist letztlich auch der Schlüssel zum Erfolg: Entschleunigung und Selbstvertrauen in einem neuen Hobby zu finden. „Wenn man nicht ständig glaubt, dass man scheitert, dann entspannt es“, ist Peng überzeugt: „Für mich ist Zeichnen wie Yoga.“ „Ich kann (nicht) zeichnen“ ist ein Plädoyer für mehr Gelassenheit und eine Hommage ans Ausprobieren, Fehlermachen und sich Selbstfinden – und ein Muss für alle, die schon einmal an ihren Zeichenkünsten gezweifelt haben.