Junge Frauen auf einem Besuch bei der Bauakademie in Innsbruck
APA/Barbara Gindl
OECD-Analyse

Heimische Wirtschaft braucht mehr Frauen

Die OECD stellt Österreich allgemein ein gutes Zeugnis in puncto Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der CoV-Pandemie aus. Einzelne Strukturprobleme wurden laut Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) aber durch die Pandemie verschärft. Vor allem müsse man mehr Frauen und Migrantinnen und Migranten auf den Jobmarkt bringen und den Übergang zu einer CO2-freien Wirtschaft beschleunigen.

Die CoV-Krise hat Schlaglichter auf schon länger bekannte Schwachstellen geworfen, allen voran das Fehlen von Facharbeiterinnen und -arbeitern. Das Problem werde sich aufgrund der Alterung der Bevölkerung künftig noch verschärfen, warnt die OECD. Das müsse man kompensieren, indem man mehr Frauen und Migranten in Beschäftigung bringe. Die Beschäftigungsquote von Frauen in Österreich liege bei nur 50 Prozent, der EU-Durchschnitt liege bei 65 Prozent, verwies die OECD auf großen Nachholbedarf.

Vor allem in Gastronomie- und Hotellerie würde die Rückkehr vieler Gastarbeiterinnen und -arbeiter in ihre Heimatländer Unternehmen daran hindern, ihre Kapazitäten wieder auf das Niveau vor der Pandemie zu erhöhen. Die OECD verwies darauf, dass im heimischen Tourismusbereich rund 40 Prozent der Arbeitenden aus dem Ausland stammen. Österreich müsse daher Frauen, Migranten und Ältere besser in den Arbeitsmarkt integrieren.

Bessere Kinderbetreuung Voraussetzung

Die OECD weist in ihrer Prognose explizit auf die Bedeutung des Ausbaus der Kinderbetreuung hin. Gerade in ländlichen Bereichen sei das wichtig, um Frauen die Rückkehr in die Arbeit zu ermöglichen.

Das zweite große Problem sieht die OECD – ähnlich wie heimische Experten – im „Skill-Mismatch“: dass in einigen Bereichen händeringend Arbeitskräfte gesucht werden, die Menschen mit der dafür nötigen Ausbildung aber fehlen. Die OECD empfiehlt daher dringend, Arbeitslose mit niedrigem Ausbildungsniveau und Langzeitarbeitslose weiterzuqualifizieren.

Lob für ehrgeizige Klimaziele

Österreichs Klimaziele seien ehrgeiziger als die anderer Länder, allerdings sei die CO2-Intensität in den letzten Jahren nicht zurückgegangen. Die ökosoziale Steuerreform sei da ein bedeutender Schritt nach vorne, sagte OECD-Generalsekretär Mathias Cormann am Montag vor Journalisten in Wien. Er betonte aber auch ganz klar: Mit den derzeitigen Maßnahmen werde Österreich die selbst gesteckten Ziele nicht erreichen.

Rasche Erholung

Österreichs Wirtschaft hat sich heuer nach der pandemiebedingten Rezession im vergangenen Jahr rasch erholt, auch durch die Hilfsmaßnahmen der Regierung. Allerdings verpasste der gerade zu Ende gegangene Lockdown der Erholung einen Dämpfer – die OECD korrigierte daher ihre Wachstumsprognose für 2021 von 4,1 auf 3,7 Prozent. Im kommenden Jahr dürfte sich das Wachstum auf 4,9 Prozent beschleunigen. In die Prognose für 2022 seien aber die möglichen Auswirkungen der Omikron-Variante nicht eingerechnet, so Cormann.

Österreichs direkte Pandemiehilfszahlungen einschließlich der bis 2023 geplanten werden laut OECD 15 Prozent des BIP ausmachen, das sei mehr als in OECD-Ländern und in mit Österreich vergleichbaren Ländern. Durch die großzügige Kurzarbeitsregelung seien bis zu 1,2 Millionen Jobs erhalten worden, verbuchte Cormann zugleich auf der Haben-Seite. „Unsere Hauptempfehlung lautet, so viele Österreicher wie möglich so rasch wie möglich zu impfen“, so auch der OECD-Generalsekretär.

Grafik zeigt Daten zur OECD-Wirtschaftsprognose für Österreich
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: OECD

Pessimistischer als WIFO und IHS

Die OECD ist damit pessimistischer als die heimischen Wirtschaftsforschungsinstitute WIFO und IHS. Diese rechnen laut Dezember-Prognose trotz des schwachen vierten Quartals für heuer mit real 4,1 bzw. 4,2 Prozent BIP-Wachstum. Für 2022 erwarten sie ein Wachstum von 5,2 bzw. 4,2 Prozent.

Sanfte Mahnung zu Schuldenabbau

Österreich habe gemessen an der Wirtschaftsleistung eine höhere Verschuldung als vergleichbare Länder, sagte OECD-Generalsekretär Cormann, deshalb brauche das Land mittelfristig eine Konsolidierungsstrategie. Die OECD empfehle nicht, die CoV-Hilfen von einem Tag auf den anderen abzudrehen, aber man brauche einen mittelfristigen Plan.

Fiskalrat: Finanzen erholen sich rasch

Erste in der Vorwoche hatte der für die Überwachung der EU-Budgetregeln in Österreich betraute Fiskalrat die Regierung aufgefordert, sich bei der Bewältigung der CoV-Krise nicht von wirtschaftlichen Befürchtungen leiten zu lassen. Fiskalratspräsident Christoph Badelt forderte einen „Primat der Gesundheitspolitik“: „Wenn man den Epidemiologen rechtzeitig folgt, ist das sicher auch billiger, als man folgt ihnen zu spät und hat dann längere Lockdowns.“

Trotz der hohen Kosten der Krisenbewältigung von knapp 19 Mrd. Euro 2020 und noch einmal 16,4 Mrd. Euro 2021 (noch ohne den vierten Lockdown) rechnet der Fiskalrat mit einer raschen Erholung der Staatsfinanzen. Schon 2024 erwarten die Budgetwächter einen ausgeglichenen Haushalt.

Brunner für Senken der Schuldenquote

Der OECD-Bericht wurde von Cormann gemeinsam mit Außenminister Alexander Schallenberg, Finanzminister Magnus Brunner und Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (alle ÖVP) präsentiert. Brunner sagte, er setze sich wie sein Vorgänger Gernot Blümel auf europäischer Ebene für eine Senkung der Schuldenquote ein, um den Handlungsspielraum für die Zukunft zu bewahren.

Für NEOS-Wirtschaftssprecher Gerald Loacker zeigt der OECD-Bericht die „Baustellen bei Pensionen, Arbeitsmarkt und Budget auf“. ÖVP und Grüne forderte Loacker auf, sich nicht nur mit Expertinnen und Experten ablichten zu lassen, sondern „endlich“ auch deren Ratschläge umzusetzen.