Foie Gras auf einem Teller
AP/M. Spencer Green
Zankapfel „Foie gras“

Frankreich hadert mit Weihnachtsschmaus

In Frankreich gehört „Foie gras“ (wörtlich „fette Leber“) zum nationalen Kulturerbe und zum fixen Bestandteil des Weihnachtsmenüs. Doch ihre als grausam in Verruf geratene Herstellung hat nun auch dort einen erbitterten Streit über diese Spezialität entfacht. Die Fronten in der Hochburg des Gänse- und Entenstopfens sind verhärtet.

Begonnen hat der Streit damit, dass mehrere grün regierte Städte – darunter Straßburg, Lyon und Grenoble – auf ihren Empfängen und Weihnachtsfeiern keine „Foie gras“ mehr servieren. Beschlossen wurde das von Frankreichs Grünen (Europe Ecologie les Verts, EELV) im September 2020. Zur landesweiten Debatte führte diese Entscheidung aber erst in diesem Herbst, nachdem die Tierschutzorganisation PETA die Grünen für ihre geflügelschonende Politik gelobt hatte.

Erzeuger und Küchenchefs protestierten gegen die Verbannung aus den Rathäusern. Der nationale Stopfleberverband verwies jüngst auf eine Umfrage, der zufolge 88 Prozent der Französinnen und Franzosen erwarten würden, dass die Delikatesse zu den Festtagen auf der Speisekarte stehe. Die Stopfleber sei seit 2006 als kulturelles und gastronomisches Erbe geschützt, sagte ein Verband von „Foie gras“-Erzeugern im Elsass vor einigen Tagen. Die Stadt Straßburg solle sich nicht von „militanten Gruppen“ beeinflussen lassen.

„Ein Muss für festliche Mahlzeiten“

Auch Frankreichs Landwirtschaftsministerium unterstützte die Produzenten in einer Mitteilung mit dem Titel „‚Foie gras‘, ein Muss für festliche Mahlzeiten“. Frankreich sei der weltweit führende Hersteller von Stopfleber, 100.000 Arbeitsplätze hingen davon direkt oder indirekt ab. Etwa 75 Prozent der Weltproduktion stammen aus Frankreich.

Die Feinschmecker wiederum verteidigten die Stopfleber und argumentierten, dass sich bereits die alten Ägypter, Griechen und Römer an der Delikatesse gütlich getan haben. Tatsächlich wurde bereits 2.500 v. Chr. mit der Praxis begonnen, Gänse zu überfüttern und dadurch Fettlebern herzustellen. Durch das Römische Reich verbreitete sich die Technik ins heutige Frankreich.

Gänse auf einer Wiese
Getty images/Moment RF/Stefanie Senholdt
„Foie gras“ wird aus Gänse- und Entenfleisch hergestellt

Wie 14 Kilo Nudeln pro Tag

Tierschutzorganisationen kritisieren das Stopfen der Gänse und Enten schon seit Langem als grausam und verweisen auf das Mästen der Gänse und Enten über ein direkt in den Hals geschobenes Rohr. Eine Gans bekomme drei-, viermal pro Tag einen Futterbrei beispielsweise aus Mais, Getreide und Schweineschmalz in den Magen gepumpt und werde nach etwa drei, vier Wochen geschlachtet. Bei Enten seien es etwa zwei Wochen bis zur Schlachtung.

Bei der Stopfleber handle es sich um eine krankhaft vergrößerte Fettleber, die bis zu zehnmal so groß sei wie die Leber eines gesunden Tieres, so PETA. Rechne man die Menge des zwangsweise verabreichten Futters auf den Menschen hoch, dann entspräche das bis zu 14 Kilogramm Nudeln pro Tag. Das Stopfen verursache gravierende Nebenwirkungen bei den Tieren: von Atemnot über Halsverletzungen bis zu Leberblutungen und Herzversagen. Die Schlachtung erfolge, kurz bevor die Tiere ohnehin an den Folgen der Fettleber sterben, heißt es bei PETA. Auch Massage oder Lichtentzug machten die Mast nicht tierfreundlich.

Stopfen einer Gnas auf einem französischen Bauernhof
Reuters/Regis Duvignau
Die Tiere werden mehrmals täglich zwangsernährt

Mückstein: „Tierquälerei“

Eine EU-Richtlinie verbietet die Produktion von Stopfleber seit 1999. Frankreich umging jedoch das Verbot, indem es „Foie gras“ zum nationalen und gastronomischen Kulturerbe erklärte und sie von den französischen Tierschutzgesetzen ausnahm. Auch in den EU-Ländern Ungarn, Bulgarien, Spanien und Belgien wird das Verbot ignoriert und Stopfleber produziert.

Wie in vielen anderen EU-Ländern ist die Stopfmast in Österreich im Tierschutzgesetz als Tierquälerei eingestuft und verboten. Produkte aus tierquälerischer Haltung, etwa die Stopfleber, dürfen aber wegen des freien Warenverkehrs importiert und im Handel und der Gastronomie verkauft werden. „Ich bin davon überzeugt, dass jeder Mensch, der diese Praxis einmal gesehen hat, versteht, warum: Stopfmast ist Tierquälerei“, sagte Gesundheits- und Konsumentenschutzminister Wolfgang Mückstein (Grüne) Anfang November anlässlich des Beginns der Martinigansl-Zeit.

„Leider wird die hohe Nachfrage zu Martini oft durch billige Importe aus EU-Ländern mit äußerst fragwürdigen Standards befriedigt“, so Mückstein. „Mit der Herkunftskennzeichnung in der Gastronomie hätten wir mehr Transparenz am Teller, und es wäre klar ersichtlich, woher das Fleisch kommt. Ich will diese als Grundlage für bewusstere Konsumentscheidungen schnellstmöglich einführen.“

Tierschützer: Fleischkonsum überdenken

Die Tierschutzorganisation Vier Pfoten verwies darauf, dass drei Viertel der Gänse, die Österreicherinnen und Österreicher essen, aus dem Ausland kämen. Der Selbstversorgungsgrad betrage lediglich 26 Prozent. Dass Gänse aus Tierqualhaltung trotz des österreichischen Verbots importiert und verkauft werden dürfen, sei „eine Augenauswischerei“. Auch Vier Pfoten sprach sich für eine Kennzeichnung der Martinigans nach Herkunft und Haltungsform sowohl im Handel als auch in der Gastronomie aus.

Frankreich hadert mit Weihnachtsschmaus

In Frankreich gehört „Foie gras“ (wörtlich „fette Leber“) zum nationalen Kulturerbe und zum fixen Bestandteil des Weihnachtsmenüs. Doch ihre als grausam in Verruf geratene Herstellung hat nun auch dort einen erbitterten Streit über diese Spezialität entfacht. Die Fronten in der Hochburg des Gänse- und Entenstopfens sind verhärtet.

Denn 83 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher würden tierquälerische Praktiken wie Stopfmast ablehnen. Vier Pfoten sieht auch die Gelegenheit, Traditionen und vor allem den Fleischkonsum zu überdenken. „Wir essen in Österreich im internationalen Vergleich überdurchschnittlich viel, und auch Gesundheitsexpertinnen und -experten raten, den Konsum einzuschränken. Es gibt so viele wirklich köstliche vegetarische und vegane Gerichte, die sich auch für festliche Anlässe eignen“, so Vier Pfoten.

Französisches Geflügel im Lockdown

Aber während Produzenten, Politiker und Tierschutzorganisationen über die Stopfmast streiten, haben die französischen Geflügelbauern andere Sorgen: Sie kämpfen gerade gegen eine Vogelgrippepandemie. Erst am vergangenen Wochenende wurde in der für ihre Stopfleber bekannten Region Les Landes im Südwesten Frankreichs ein weiterer Fall gemeldet. In dem betroffenen Betrieb seien alle Tiere geschlachtet worden, teilte die Landwirtschaftskammer am Sonntagabend mit. Zudem sei eine Schutzzone um den betroffenen Betrieb eingerichtet worden.

Es ist der zweite Ausbruch von Vogelgrippe in diesem Winter im Südwesten. Zuvor waren im Norden des Landes acht Fälle bekanntgeworden. Bereits seit Anfang November müssen Geflügelzüchter in Frankreich alle Tiere einsperren, um eine Ansteckung durch Wildtiere zu verhindern. Im vergangenen Winter hatte sich die Vogelgrippe in Frankreich stark ausgebreitet. Etwa 15 Departements waren betroffen gewesen. Insgesamt waren 3,5 Millionen Tiere geschlachtet worden.