Gentiloni: Schuldenabbau für jeden Staat einzeln regeln

EU-Wirtschafts- und Währungskommissar Paolo Gentiloni will den Schuldenabbau künftig für jeden einzelnen Mitgliedsstaat maßgeschneidert regeln. „Wir können nicht alle Länder über einen Kamm scheren“, sagte der Italiener der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Mittwoch-Ausgabe). Gentiloni will deshalb etwa Mitte 2022 einen Vorschlag für eine umfassende Reform des EU-Stabilitätspakts vorlegen.

Für mehr nationalen Freiraum, mehr EU-Kontrolle

Eine „differenzierte Betrachtung“ hoch verschuldeter Mitgliedsstaaten soll einen Teil der Reform ausmachen. Es sei sinnvoll, für jedes Land eigene Ziele festzulegen. Er könne sich auch vorstellen, den Mitgliedsstaaten mehr haushaltspolitischen Spielraum als bisher zu gewähren. Zugleich müsse die EU-Kommission wirkungsvollere Instrumente zur Durchsetzung der Haushaltsregeln an die Hand bekommen.

EU-Wirtschafts- und Währungskommissar Paolo Gentiloni
AP/Geert Vanden Wijngaert

Bisher gelten für alle Staaten, deren Verschuldung den Referenzwert von 60 Prozent der Jahreswirtschaftsleistung überschreitet, dieselben Regeln für den Schuldenabbau. Allerdings werden sie nicht durchgesetzt, weil sie als unrealistisch gelten. Die durchschnittliche Schuldenquote im Euro-Raum liegt derzeit bei 100 Prozent.

„Nie durchgesetzt“

„Seien wir ehrlich: Die Schuldenregel haben wir nie durchgesetzt“, sagte Gentiloni. Eine „glaubwürdige und realistische Reform“ des EU-Stabilitätspakts setze nun voraus, dass die Staaten auf ihrem derzeitigen Schuldenniveau abgeholt würden und nicht nach einheitlichen Maßstäben behandelt würden. Griechenland hat eine Schuldenquote von 210 Prozent, Deutschland von fast 70 und Österreich von mehr als 82 Prozent.