FPÖ-Chef Herbert Kickl
ORF
NS-Verharmlosung

Anzeige gegen Kickl nach ZIB2-Interview

Die Jüdischen österreichischen Hochschüler:innen (JöH) haben gemeinsam mit dem Jüdischen Weltkongress und dem Bund jüdischer Verfolgter des Naziregimes (BJVN) eine Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft Wien gegen FPÖ-Chef Herbert Kickl eingebracht. Konkret geht es um den Verdacht auf NS-Wiederbetätigung. Grund ist eine Aussage Kickls, die während eines ZIB2-Interviews am 28. Dezember fiel. Die FPÖ wies die Vorwürfe umgehend zurück.

Die drei Organisationen kritisierten darin, dass Kickl die Schoah verharmlose. Es geht um Kickls Aussagen, als er in der ZIB2 damit konfrontiert wurde, dass sich bei Demonstrationen gegen die Coronavirus-Maßnahmen immer öfter Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit von den Nazis verfolgten Juden und Jüdinnen vergleichen.

Auf die Frage, ob er bereit sei, Antisemitismus bei den CoV-Demos zu verurteilen, sagte Kickl, der Nationalsozialismus habe nicht mit einem Weltkrieg begonnen und nicht mit „irgendwelchen Vernichtungslagern, sondern er hat damit begonnen, dass man Menschen systematisch ausgegrenzt hat. Er hat damit begonnen, dass man zum Beispiel Kinder, weil sie jüdischer Abstammung gewesen sind, nicht in die Schule gelassen hat.“ Dass sich Demonstrierende mit Judensternen präsentieren und Transparente mit den Worten „Impfen macht frei“ mit sich tragen, verstand Kickl in dem Interview überdies als Kritik am Nationalsozialismus.

Kickl-Aussage „strafrechtlich relevant“

„Mit diesem Vergleich der Testpflicht an Schulen mit der systematischen Diskriminierung, Verfolgung, Vertreibung und späteren Ermordung jüdischer Kinder durch die Nazis“ relativiere Kickl die Verbrechen der Nationalsozialisten und die Schoah, hieß es in einer Aussendung der JöH Montagfrüh.

Diese Aussage sei nicht nur „moralisch verwerflich, sondern auch strafrechtlich relevant“, argumentierte die Jüdische Hochschülerschaft in einer Aussendung am Montag. Nach ihrem Dafürhalten erfüllt sie den Straftatbestand des § 3h Verbotsgesetz, der die gröbliche Verharmlosung des nationalsozialistischen Völkermordes und anderer nationalsozialistischer Verbrechen gegen die Menschlichkeit unter Strafe stellt.

„Da es sich um ein Offizialdelikt handelt, kann nur der Staat selbst Strafanzeige stellen. Deshalb regen die Jüdischen Hochschüler:innen heute bei der Staatsanwaltschaft Wien an, Ermittlungen einzuleiten und einen Antrag auf die Aufhebung Kickls parlamentarischer Immunität an den Nationalrat zu richten“, heißt es in der Aussendung weiter.

„Taktik zur Normalisierung von Antisemitismus“

JöH-Präsidentin Sashi Turkof begründete die Sachverhaltsdarstellung damit, dass Kickls Aussagen als „massive Gefahr für uns alle verstanden werden“ müssten. „Der Vergleich mit dem NS-Regime und die ständige und offene Verharmlosung der Schoah sind eine bewusste Taktik und ebnen den Weg zur Normalisierung von Antisemitismus und Geschichtsrelativierung.“

Bini Guttmann, Mitinitiator der Sachverhaltsdarstellung und Exekutivrat im Jüdischen Weltkongress, bezeichnete Kickl und die FPÖ als „geistigen Brandstifter dieser Demonstrationen und der antisemitischen Shoa-Relativierung“. „Herbert Kickl spielt schon seit jeher mit den roten Linien, die die Grenzen unseres demokratischen Diskurses darstellen. Nun hat er diese endgültig überschritten“, so Benjamin Hess, Vorstandsmitglied des Bundes jüdischer Verfolgter des Naziregimes (BJVN).

Auch der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG), Oskar Deutsch, äußerte sich am Montag via Twitter zu der Causa: Kickls Aussagen seien „gefährlich und beschämend: Er vereinnahmt die Opfer der Shoah, trägt zur Verharmlosung des Nationalsozialismus bei und verbreitet wissenschaftsfeindlichen Unsinn, der Menschen das Leben kosten kann.“

FPÖ: „Abenteuerliche Verdrehung der Tatsachen“

FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz wies die Vorwürfe entschieden zurück und sprach von einer „geradezu abenteuerlichen Verdrehung der Tatsachen“. „Wer auf totalitäre Entwicklungen hinweist, der verharmlost nicht eine Diktatur, sondern warnt davor“, findet der freiheitliche Generalsekretär. Schnedlitz zufolge lässt sich die Jüdische Hochschülerschaft damit „vor den Karren der Regierung“ spannen.

Kritik an den Aussagen Kickls übte vergangene Woche auch Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP): „Meinungsfreiheit ist ein wichtiges Gut in unserer Demokratie, aber bei jeder Form des Antisemitismus ist eine klare Grenze zu ziehen. Solche Aussagen, wie jene des FPÖ-Klubobmanns, überschreiten diese Grenze klar“, so Sobotka in einer Aussendung.

„Provokation und kalkulierte Aufmerksamkeit rechtfertigen nicht jedes Mittel“, betonte Sobotka, der auch Vorsitzender des Kuratoriums des Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus ist. „Kickl spielt hier ganz gezielt mit NS-Gedankengut, was Österreichs Ansehen in der demokratischen Welt schadet. Er hat damit eindeutig eine rote Linie überschritten.“