Demnach hatte die US-Amerikanerin Virginia Giuffre mit dem Multimillionär Jeffrey Epstein vereinbart, niemanden aus dessen Umfeld zu beschuldigen, der als „potenzieller Angeklagter“ gelten könnte. In dem in New York veröffentlichten Dokument ist auch eine Zahlung von 500.000 Dollar (damals rund 330.000 Euro) an Virginia Roberts – ihr damaliger Name – genannt.
Giuffre gibt an, vom inzwischen gestorbenen Epstein und seiner Ex-Partnerin Ghislaine Maxwell als Jugendliche zusammen mit Dutzenden anderen Minderjährigen zur Sexsklavin gemacht worden zu sein. Sie beschuldigt in diesem Zusammenhang auch den Sohn der britischen Königin Elizabeth II., sie vor 20 Jahren als 17-Jährige missbraucht zu haben. Andrew hatte die Anschuldigungen stets bestritten.
Entlastet von Vorwürfen „seit Anbeginn der Welt“
Andrews Anwälte argumentieren, dass die nun veröffentlichte Einigung von 2009 eine Anklage verhindere. Der Wortlaut des Vergleichs besagt, dass sie die „potenziellen Beklagten“ von allen US-Klagen entlastet, einschließlich Schadensersatzansprüchen, die „seit Anbeginn der Welt“ bestehen. „Es wird ferner vereinbart, dass diese Vergleichsvereinbarung eine endgültige Lösung eines strittigen Anspruchs darstellt und dazu dient, einen Rechtsstreit zu vermeiden. Diese Vergleichsvereinbarung darf nicht als Eingeständnis einer Haftung oder eines Verschuldens einer Partei ausgelegt werden.“
Giuffres Anwälte hatten dagegen stets erklärt, dass die Einigung mit Epstein keine Relevanz für einen möglichen Prozess gegen Andrew habe. Sie fügten hinzu: „Neben der ständigen Ausbeutung, um jede sexuelle Laune des Angeklagten [Epstein] zu befriedigen, wurde [Frau Giuffre] auch von erwachsenen männlichen Gleichaltrigen des Angeklagten sexuell ausgebeutet, darunter Adelige, Politiker, Akademiker, Geschäftsleute und andere berufliche und persönliche Bekannte.“ Prinz Andrew wird darin nicht explizit erwähnt.
Mögliche Entscheidung am Dienstag
Am Dienstag soll vor einem Zivilgericht in New York weiter über die Anschuldigungen gegen Andrew und über einen möglichen Prozess verhandelt werden. Die Versuche seiner Anwälte, die Anhörung in letzter Minute abzuwehren oder zumindest zu verschieben, hatte das Gericht am Wochenende zurückgewiesen.
Andrew steht seit Jahren wegen seiner früheren Freundschaft zu Epstein in der Kritik und hat deshalb seine royalen Aufgaben beendet. Im Herbst 2019 versicherte er dem Sender BBC, sich nicht an Giuffre zu erinnern. Während die Amerikanerin in Protokollen von einem stark schwitzenden Prinzen berichtete, behauptete er in dem Interview, aus „medizinischen Gründen“ keinen Schweiß zu produzieren – eine Folge davon, dass er unter Beschuss im Falkland-Krieg 1982 eine Überdosis Adrenalin ausgeschüttet habe.
Fristsetzung im Maxwell-Prozess
Giuffres Klage ist unabhängig von dem Strafprozess gegen Maxwell, der letzte Woche abgeschlossen wurde. Die Ex-Partnerin von Epstein hat nach Ansicht der Geschworenenjury als Helferin des bis in höchste Kreise vernetzten Geschäftsmanns Epstein eine zentrale Rolle beim Aufbau eines Rings zum sexuellen Missbrauch von Mädchen gespielt.
Die Richterin im Missbrauchsprozess gegen Maxwell hat Staatsanwaltschaft und Verteidigung bis kommenden Montag Zeit gegeben, um einen Plan für die Verhandlungen über ein Strafmaß vorzulegen. Der 60-Jährigen drohen mehrere Jahrzehnte in Haft, unter anderem wegen Menschenhandels mit Minderjährigen zu Missbrauchszwecken. Einen Termin für die Bekanntgabe der Strafe vor dem New Yorker Gericht gibt es noch nicht. Epstein war 2019 tot in seiner Gefängniszelle in Manhattan aufgefunden worden.