Elizabeth Holmes, Gründerin des Bluttest-Start-up Theranos
Reuters/Brendan Mcdermid
Betrug bei Bluttests

Schuldspruch gegen Theranos-Gründerin

Die einstige US-Vorzeigeunternehmerin Elizabeth Holmes ist am Montag im kalifornischen San Jose des Betrugs an Investoren schuldig gesprochen worden. Die Geschworenen sahen vier von insgesamt elf Anklagepunkten als erfüllt, wie aus Gerichtsunterlagen hervorging. Holmes hatte das letztlich gescheiterte Bluttest-Start-up Theranos gegründet und mehrere hundert Millionen Dollar bei Investoren eingenommen.

Über das Strafmaß wird Richter Edward Davila zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden, hieß es beim Prozess. Theoretisch drohen Holmes bis zu 20 Jahre Gefängnis pro Anklagepunkt – allerdings gingen Prozessbeobachter in den USA davon aus, dass die Strafe deutlich milder ausfallen dürfte.

Die 37-Jährige hatte den Betrugsvorwurf stets zurückgewiesen und kann gegen das Urteil noch in Berufung gehen. Für die Staatsanwaltschaft aber war der Fall klar. „Holmes hat sich für Betrug und gegen die Firmenpleite entscheiden, sie hat entschieden, unehrlich zu sein“, sagte Staatsanwalt Jeff Schenk in seinem Schlussplädoyer. „Diese Entscheidung war nicht nur kaltschnäuzig, sie war kriminell.“

Revolution bei Bluttests versprochen

Das große Versprechen von Theranos war, Bluttests zu revolutionieren: Nur wenige Tropfen aus dem Finger sollten reichen, um auch umfangreiche Analysen durchzuführen. Dutzende Krankheiten bis hin zu Krebs und HIV versprach Theranos mit seiner Technologie rasch entdecken zu können – viel schneller und billiger als in herkömmlichen Laboren. Holmes hatte laut eigenen Angaben als Kind furchtbare Angst vor den Spritzen zum Blutabnehmen und kam so auf ihre Idee. Für ihr Start-up schmiss sie ihr Studium an der kalifornischen Eliteuniversität Stanford.

Elizabeth Holmes, Gründerin des Bluttest-Start-up Theranos, auf dem Weg zum Gericht
Reuters/Brittany Hosea-Small
Holmes beteuerte stets ihre Unschuld

Holmes, die Theranos als 19-Jährige gründete, wurde als charismatische Visionärin in Silicon Valley gefeiert. Medien verglichen sie mit Apple-Gründer Steve Jobs – was von ihrer Vorliebe für schwarze Rollkragenpullover noch unterstützt wurde. Holmes wurde durch Theranos zur jüngsten Selfmade-Milliardärin der USA. Die Gesamtbewertung von Theranos erreichte in den Finanzierungsrunden bis zu neun Milliarden Dollar, auch das Vermögen von Holmes betrug damit zumindest auf dem Papier mehrere Milliarden Dollar.

Tests funktionierten nicht ausreichend

Unter anderem die Drogeriekette Walgreens stieg ein und verkaufte Theranos-Bluttests in ihren Geschäften. Wie sich jedoch herausstellte, funktionierte die Theranos-Technologie nie ausreichend verlässlich. So wurden Tests nicht mit eigenen Maschinen der Firma, sondern mit Labortechnik anderer Hersteller durchgeführt, die von Theranos-Technikern auf eigene Faust umgeändert wurde. Investoren und der Öffentlichkeit wurde das verschwiegen.

Elizabeth Holmes, Gründerin des Bluttest-Start-up Theranos in einer Zeichnung vor Gericht
Reuters/Vicki Behringer
Im Prozess sagte Holmes aus, sie habe immer an die Technologie von Theranos geglaubt

Ein zentrales Problem dieser Methode war, dass die Maschinen auf größere Mengen Blut aus den Venen der Patientinnen und Patienten ausgelegt waren. Theranos streckte deswegen die kleinen Fingerproben, was aber zu Problemen mit der Genauigkeit einiger Tests führte.

Ein weiterer Faktor war laut Expertinnen und Experten, dass der Druck auf die Fingerkuppen bei der Blutabnahme die Beschaffenheit der Proben verändert – was ebenfalls zu falschen Analysewerten führen könne. Die Ergebnisse dienen Ärztinnen und Ärzten aber als Anhaltspunkt für mögliche Erkrankungen und Behandlungen. Theranos musste schließlich auf breiter Front Testergebnisse annullieren.

Probleme durch Zeitungsberichte enthüllt

Die Probleme wurden 2015 mit einer Serie von Enthüllungsberichten im „Wall Street Journal“ bekannt, die Theranos zunächst mit Hilfe von Anwältinnen und Anwälten zu unterdrücken versuchte. Holmes stritt alles ab, aber die Artikel riefen US-Regulierungsbehörden auf den Plan, die unter anderem die Labore der Firma unter die Lupe nahmen. Theranos musste zusperren – und die Geldgeber gingen leer aus.

In einer pikanten Wendung war auch der Besitzer der Zeitung „Wall Street Journal“, Rupert Murdoch, unter den Theranos-Investoren, die schließlich ihr Geld verloren. Es gibt aber keine Hinweise darauf, dass er in die Berichterstattung eingriff. Holmes hatte einflussreiche Figuren wie die Ex-Außenminister Henry Kissinger und George Shultz sowie Donald Trumps späteren Verteidigungsminister James Mattis in den Verwaltungsrat geholt. Sie verliehen Theranos Glaubwürdigkeit, hatten aber keine Expertise in der Medizintechnik.

Ehemaliger US-Präsident Bill Clinton, Alibaba-Chef Jack Ma und Elizabeth Holmes, Gründerin des Bluttest-Start-up Theranos 2015
Reuters/Brendan Mcdermid
Holmes galt als aufstrebender Star der Unternehmerszene. Sie saß auf vielen Podien – etwa mit dem früheren US-Präsidenten Bill Clinton und Alibaba-Gründer Jack Ma

In der Familie von Shultz sorgte die Kontroverse für ein jahrelanges Zerwürfnis. Shultz’ Enkel Tyler, der zeitweise bei Theranos gearbeitet hatte, war eine der Quellen der Enthüllungen. Sein Großvater hielt aber lange danach noch zu Holmes. Einige Geldgeber trugen auch den Eindruck davon, dass Theranos-Technologie für den Einsatz durch das US-Militär in Kriegsschauplätzen im Rennen sei. Sondierungen dazu liefen jedoch in Wirklichkeit schnell in die Sackgasse.

Anklage: Bewusste Täuschung

Die Anklage warf Holmes vor, Geldgeber bewusst hinters Licht geführt zu haben, um an die Investitionen für Theranos zu kommen. Die Geschworenen sahen das bei drei Geldspritzen bestätigt – und sprachen Holmes in einem weiteren Anklagepunkt auch der Verschwörung zum Betrug schuldig.

Holmes sagte in dem Prozess aus, sie habe aufrichtig an die Technologie geglaubt, sei als Chefin aber nicht über alle Probleme informiert worden. „Frau Holmes glaubte daran, dass sie eine sehr schlüssige Technologie erfunden hatte, und sie glaubte, dass andere außerhalb des Unternehmens diese Sicht teilten“, sagte Holmes’ Anwalt Kevin Downey.

Die Angeklagte machte außerdem ihren Ex-Freund und früheren Geschäftspartner Ramesh „Sunny“ Balwani für den Skandal verantwortlich. Er habe die Labors geleitet. Sie bezichtigte ihren fast 20 Jahre älteren Ex-Partner auch, sie während ihrer Beziehung sexuell missbraucht und immer wieder erniedrigt zu haben. Balwani, der die Vorwürfe zurückweist, soll in einem getrennten Verfahren der Prozess gemacht werden.

Kein gezielter Betrug von Patienten

Für eine Verurteilung mussten die Ankläger die Geschworenen – acht Männer und vier Frauen – überzeugen, dass Holmes Investoren mit betrügerischen Absichten falsch informiert und Fehler bei Tests von Patientinnen und Patienten in Kauf genommen habe. Bei drei Anklagepunkten konnten sich die Geschworenen nicht auf das nötige einstimmige Votum einigen. Diese Vorwürfe können die Staatsanwälte noch einmal vor Gericht bringen.

Die Anklage pickte sich speziell die Fälle von zwei Patientinnen bzw. Patienten sowie sechs Überweisungen von Theranos-Geldgebern zwischen knapp 100.000 und rund 100 Millionen Dollar aus den Jahren 2013 und 2014 heraus. Des gezielten Betrugs an Patienten und Patientinnen befanden die Geschworenen Holmes nicht schuldig.

Für viele Beobachterinnen und Beobachter geht der Fall Theranos weit über die Person Holmes hinaus. Sie sehen ihn vielmehr als Sinnbild für eine im Silicon Valley verbreitete Start-up-Kultur nach dem Motto „Fake it till you make it“ – tue einfach so, als würde eine Idee funktionieren, und bahne dir so den Weg zum Erfolg.