Österreichs EU-Abgeordnete gegen „grünes“ Label für Atomkraft

Die Kritik an dem Vorschlag der EU-Kommission, Gas- und Atomenergie unter bestimmten Bedingungen als klimafreundlich einzustufen, klingt auch eine Woche nach der Veröffentlichung des Entwurfs nicht ab.

Heute haben sich in einem Pressegespräch österreichische EU-Abgeordnete aller Parlamentsfraktionen geschlossenen gegen ein „grünes Label“ für Atomkraft ausgesprochen und die Bewertung als „Greenwashing“ verurteilt. Bezüglich Erdgas waren die EU-Mandatare dagegen geteilter Meinung.

„Bedrohlich“ für Energiewende

Eine der Grundideen hinter der Taxonomie-Verordnung sei gewesen, die große Investitionslücke bei den erneuerbaren Energien zu schließen und somit die Energiewende voranzutreiben, so Claudia Gamon (NEOS). Investitionen in nachhaltigere Technologien und Unternehmen könnten wesentlich zur Klimaneutralität Europas bis 2050 beitragen.

Doch durch die „grobe Verwässerung“ sei die Taxonomie als Instrument zerstört worden, konstatierte Gamon, die die Energiewende dadurch stark bedroht sieht. Schließlich sei jeder Euro, der in Erdgas und Atomenergie fließt, ein Euro, der beim Ausbau der Erneuerbaren fehle. Steuergeld müsse in „Zukunftstechnologien“ fließen.

„Greenwashing par excellence“

Günther Sidl (SPÖ) sprach von der Einstufung als „Greenwashing per excellence“, Atomenergie sei „weder sicher noch nachhaltig oder CO2-neutral“. Die Mehrheit in Europa sei lediglich dafür, weil die Kommission zu wenig Alternativen auf den Tisch gelegt habe, so Sidl.

Ähnlich äußerte sich Thomas Waitz (Grüne). Atomstrom sei der teuerste und riskanteste Strom, den man haben könnte. Alternativen gebe es genug – begonnen von der Reduzierung des Energieverbrauchs etwa durch gute Isolation bis hin zu einem flächendeckenden Ausbau der Infrastruktur erneuerbarer Energien sowie deren Speicherung.

Streitpunkt Gas

Alle Abgeordneten verwiesen zudem auf die große Rolle von Forschung und Entwicklung – es brauche nach wie vor mehr Innovation und bessere Technologien. Das sei etwa auch der Grund, warum sich die Abgeordneten der ÖVP, SPÖ und FPÖ zwar klar gegen Atom-, aber für Erdgas sind. Als Brückentechnologie sei man weiter auf dieses angewiesen, so der Tenor.

„Gas ist das kleinere Übel“, erklärte Angelika Winzig (ÖVP) mit Blick auf Sicherheit und die Infrastruktur, die später für klimaneutrale Gase genutzt werden könnte. Der freiheitliche Europaabgeordnete Georg Mayer sieht hier „Realismus gefragt“, ebenso Sidl (SPÖ) – der Ausbau der Erneuerbaren sei noch nicht ansatzweise geschafft.

In einer Stellungnahme heißt es gegenüber ORF.at, dass die SPÖ allerdings sehr wohl gegen eine Klassifizierung von Atomstrom und Gas als „nachhaltig“ in der EU-Taxonomie sei – doch „die Notwendigkeit von Gas als Übergangstechnologie ist eine andere Diskussion“.

Klage als letzter Schritt

Waitz brachte bei der Taxonomie-Verordnung erneut eine mögliche Klage ins Spiel – diese werde allerdings erst in fünf bis sechs Monaten „spruchreif“ sein. Es werden mehrere Klagen kommen, nicht nur von Österreich, Luxemburg und möglicherweise Spanien und Portugal, sondern eben auch vom Europäischen Parlament. Derzeit werde „intensiv die Rechtslage“ geprüft, es gebe „schon eine sehr substanzielle Grundlage“ dafür.

Die EU-Mitgliedsstaaten können nun bis zum 11. Jänner den Entwurf des Rechtsaktes kommentieren. Eine Umsetzung kann nur verhindert werden, wenn sich eine verstärkte qualifizierte Mehrheit der Mitgliedsstaaten oder eine Mehrheit im EU-Parlament dagegen ausspricht. Und die scheint derzeit nicht in Sicht.

Die französische Regierung ist nach Informationen des „Spiegel“ gegen jegliche Änderungen an der Taxonomie und betrachtet den Entwurf der Kommission als „final“. Laut „Spiegel“ wird die EU-Kommission voraussichtlich am 18. Jänner über die Endfassung entscheiden. Diese könnte dann bereits ab 1. Jänner 2023 in Kraft treten.